Nach fünf Jahren als CEO wechseln Sie 2005 auf den Stuhl von Hans Peter Ming und übernehmen das Sika-VR-Präsidium. Sie machen dies, bevor Sie als operativer Leiter das Heu in die Scheune gefahren haben. Warum?

Walter Grüebler: Bereits bei der Übernahme der CEO-Funktion habe ich mich auf maximal fünf Jahre bis Ende 2004 festgelegt und dabei bleibts. Ich hoffe, dass Sika noch viel mehr Heu in die Scheune fährt; ich bin als Verwaltungsrat immer noch mit dabei. Nachhaltige Erfolge haben in weltweit tätigen Grossunternehmen immer eine lange Anlaufzeit von drei bis sechs Jahren. Wir haben in den vergangenen Jahren nicht nur die Sika-Strategie weiter entwickelt, sondern auch neue Instrumente und Prozesse eingeführt, die ihre volle Wirkung erst noch bringen werden.

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Sie haben Sika kontinuierlich in kleinen Schritten weiter ausgebaut, den Umsatz von 1,69 auf 2,27 Mrd Fr. gesteigert. Es fehlt aber der markante Eckstein. Spekulieren wir: Wieso hat Sika der Sarna Holding kein Übernahmeangebot unterbreitet? Sarna würde zu Sika passen.

Gruebler (lacht): Sie vergessen, dass es früher einmal Sarna war, die Sika ein Angebot gemacht hatte. Dieses wurde abgelehnt. Wir sind der Meinung, dass unsere Bereiche Dichten, Kleben, Dämpfen sowie Verstärken und Schutz von Tragstrukturen über genügend Ausbaupotenzial verfügen. Wir wollen nicht um jeden Preis über Akquisitionen wachsen. Die Übernahme von Sarna wäre ein grosser Hut. Über längere Zeit würden ein paar 100 Mio Fr. und damit unsere Liquidität gebunden. Wir kennen andere Opportunitäten. Wir steigen nur in Märkte ein, in denen wir reelle Chancen besitzen, weltweit die führende Rolle spielen zu können.

Aber die Kerngeschäfte von Sika wie von Sarna weisen mit Spezialitäten für die Bau- wie auch die Automobilindustrie Parallelen auf.

Gruebler: Das trifft nur für die Bauindustrie zu. In der Automobilindustrie ist Sika in einem völlig anderen Bereich tätig als Sarna und liefert vor allem direkt an das Montageband. Wir sind bereits global gut aufgestellt und müssen uns darauf konzentrieren, unsere Aktivitäten primär dort zu verstärken, wo wir stark sind, und bestehende Schwächen rasch auszumerzen.

Wo sehen Sie Schwächen?

Gruebler: In Asien, allen voran in Japan, und in den USA müssen wir unsere Präsenz deutlich stärken.

Gilt diese Analyse für beide Sparten, Bau wie Industrie?

Grüebler: Ja. Nehmen wir Japan. Dort sind wir im Bereich Betonzusatzmittel Nummer zwei, sonst aber schwach auf der Brust und unter «Ferner liefen» rangiert. Als Zulieferer der Autohersteller sind wir stark bei den Japanern aber nur ausserhalb Japans. Wir hoffen, dass wir in diesem Jahr bei einem Volumenmodell in Japan direkt zum Zug kommen, nämlich bei der Neuauflage des Toyota Corolla.

Sehen Sie eine Vorwärtsbewegung in Japan?

Grüebler: Unsere Position in Japan bauen wir mit dem auf den 1. Juni 2004 übernommenen Bauchemie-Geschäft der Secaico-Gruppe in Osaka aus. Dieses Unternehmen generiert rund 30 Mio Fr. Umsatz und erschliesst uns bisher verschlossene Distributionskanäle.

Wer verdient das Geld bei Sika?

Grüebler: Heute weisen beide Sparten in etwa gleiche Kapitalrenditen auf.

Vornehmlich mit Commodities?

Grüebler: Nein. Man darf unsere weltweite Marktpenetration und unsere Innovationskraft nicht unterschätzen. 2003 wurden 27% des Umsatzes von 2,269 Mrd Fr. mit Produkten erzielt, die in den letzten fünf Jahren in den Markt eingeführt worden sind. Die grössten Wachstumsraten brachten jene Kundengruppen, welchen wir neue, innovative Produkte anbieten konnten, etwa den Gross-Bauunternehmern, den Betonproduzenten sowie den Automobilherstellern. Die entsprechenden Wachstumsraten: 26,5%, 24,3% und 15,3%.

... obwohl Sie das Produktsortiment gestrafft haben.

Grüebler: Für den Bau produzieren wir gegen 1000 Spezialitäten, unser Programm ist stark atomisiert. Ziel ist es daher, diese Zahl tiefer zu fahren. Deshalb haben wir auch einen Teil der Private Label aufgegeben, allein in Deutschland im letzten Herbst 62. Mit der Konsequenz, dass wir für unsere Produkte die Lieferfristen verkürzen konnten. In den USA sind wir heute in der Lage, unsere so genannten A-Produkte sie decken 80% unseres Umsatzes ab innerhalb von maximal 48 Stunden zu liefern.

Weshalb läuft es Sika so gut?

Grüebler: Erstens fahren wir konsequent eine fokussierte Wachstumsstrategie, dies in einem fragmentierten Markt, der sich konsolidiert. Zweitens sehen und nutzen wir Wachstumspotenzial und -chancen. Unsere Innovationen kommen zum Tragen. Wir können unsere Konkurrenten nicht über den Preis aushebeln, sondern mit anwenderfreundlichen Lösungen. Dies in Märkten, die stagnieren und in denen wir zudem den starken Schweizer Franken gegen uns haben.

Wie formulieren Sie die Wachstumsziele?

Grüebler: Im Durchschnitt müssen es beim Umsatz in Landeswährung pro Jahr 8 bis 10% sein. lch bin überzeugt: Wenn wir nicht 10% erreichen, dann machen wir etwas falsch. In den letzten drei Jahren ist das Segment Bau etwas stärker gewachsen. Das kann sich aber ändern, im Moment bearbeiten wir Projekte, die der Industrie Stichwort hierzu ist der Fensterbau zu einem Wachstumsschub verhelfen könnten.

Welchen Mitteleinsatz für Investitionen setzen diese Pläne voraus?

Grüebler: Ich bin überzeugt, dass wir mit Investitionen von unter 4% bezogen auf den Umsatz jährlich 10% wachsen können.

Seit Januar 2004 haben Sie fünf Akquisitionen getätigt, alles relativ kleine Unternehmen. Gesamthaft bringen diese ein Umsatzplus von 65 Mio Fr. Was ist entscheidend für deren Integration?

Grüebler: Einzig und allein das Tempo der Integration.

Sika ist 2003 in Europa stärker gewachsen als auf jenen Märkten, die zukünftig die Musik machen. Ist diese Problematik erkannt?

Grüebler: Es stimmt, für den «alten Kontinent» weisen wir die höhere Wachstumsrate aus als für USA oder für Asien das waren für uns 2003 die «Bad News». Wir haben reagiert, in Nordamerika unsere Gruppe neu ausgerichtet. Jetzt folgt die Phase «Asien».

Ist das primär eine Umschreibung für die China-Aktivitäten?

Grüebler: Nicht allein. Indien, auch wenn wir uns dort teuer einkaufen mussten, macht Freude; dies mit einem Wachstum von durchschnittlich 55% pro Jahr, wenn auch vorläufig noch auf tiefem Niveau. Wir sind stark aufgestellt in Australien und Neuseeland, dann aber auch in Thailand, Vietnam, Malaysia und Hongkong. Anders sieht es in China aus.

Dieser Zukunftsmarkt scheint Ihnen Sorgen zu bereiten?

Grüebler: Wir kommen anders als in Indien, dessen Markt weit weniger entwickelt ist als jener in China zu wenig rasch voran. Wenn wir mit einem Wachstum von 20% pro Jahr zufrieden sind, dann sind wir saturiert. Damit werden wir träge.

Mit der Gefahr, dass Ihnen ein starker lokaler Anbieter das Geschäft wegstiehlt.

Grüebler: Genau, und das würde schmerzen, weil China in den nächsten Jahren der grösste Wachstumsmarkt der Welt ist. Wenn in China ein einheimischer Anbieter den Baumarkt beherrscht, dann sind wir verletzbar. In China müssen wir auf die Hinterbeine. Dort sind über 1000 km Eisenbahn-Tunnel im Bau oder in Ausführungs-Planung. Wir müssen an vorderster Stelle mitmischen, sonst sehen wir uns in 20 bis 30 Jahren mit Konsequenzen konfrontiert, die keine Freude machen.

Wie sehen Sie die Zukunft des Forschungsstandortes Schweiz?

Grüebler: Die Bedeutung ist nach wie vor immens, unsere Langfristforschung bleibt in der Schweiz. Die Arbeitsplätze sind attraktiv, sofern die Rahmenbedingungen bleiben. In der Nanotechnologie, die für unsere modernen Produkte wichtig ist, spielt die Schweiz eine führende Rolle. Entscheidend ist zudem die Anbindung der Schweiz an den internationalen Luftverkehr. Davon hängt der Wirtschaftsstandort Schweiz weit mehr ab, als gemeinhin angenommen wird.

Wie beurteilen Sie die Situation auf den Rohstoffmärkten?

Grüebler: Mit Sorgen. Der grössere Teil der Lieferverträge läuft bis Mitte Jahr oder bis Ende 3. Quartal, ein paar wenige noch ein paar Monate länger. Preiserhöhungen für die Rohstoffe aus der Petrochemie sind sicher. Das wird unsere Margen schmälern. Wir können diese Preiserhöhungen nur sukzessive überwälzen, auf dem Bau wird zum Teil mit länger dauernden Verträgen gearbeitet. Anderseits: Im Schnitt liegt der Anteil des Rohmaterials am Endprodukt lediglich bei 34%.

In den Aussichten für 2004 geben Sie sich trotz eines erfreulichen ersten Quartals weiterhin vorsichtig. Die Anpassungen bei den Rohmaterialien können nicht der alleinige Grund sein. Was veranlasst Sie zu zurückhaltenden Prognosen?

Grüebler: Ich habe das Gefühl, in den OECD-Ländern wird der Aufschwung herbeigeredet, die Erholung findet hingegen kaum statt. Im OECD-Raum erwirtschaften wir drei Viertel unseres Umsatzes. Angst macht mir, dass man den Trend nicht wahrhaben will, dass sich das Wachstum inskünftig in Osteuropa und in Asien abspielt. Zudem reagiert die Wirtschaft äusserst rasch auf äussere Einflüsse. Sika hat dies bei der Lungenkrankheit Sars gespürt; Asien brauchte neun Monate, um sich zu erholen. Die Elektronikindustrie, im Bodenbelagsgeschäft ein guter Kunde von Sika, hat sofort alle Aus- und Neubauvorhaben gestoppt. Kurzfristige Entwicklungen beeinflussen unser Geschäft stark.

Geben Sie sich nicht zu pessimistisch?

Grüebler: Die Fähigkeit eines Managements liegt nicht darin, Prognosen zu stellen, sondern rasch auf sich verändernde Rahmenbedingungen zu reagieren. Deshalb unterstreiche ich die Wichtigkeit der lokalen Entscheidungskompetenz. Wir als Konzernleitung dürfen nicht den Fehler machen, zentral operativ zu führen. Überspitzt ausgedrückt: Operationell haben Konzernstellen nach dem Budget nichts mehr zu sagen.

Darf man Ihren Quartalsabschluss mit dem Faktor vier hochrechnen?

Grüebler: Dann erreichten wir für 2004 einen Umsatz von 2,2 Mrd Fr. Damit wären wir nicht zufrieden. Ich rechne mit 2,5 Mrd Fr. Umsatz für 2004, wenn die Währungsfront nicht verrückt spielt.

Und beim Gewinn?

Grüebler: Ich erwarte einen leicht überproportionalen Gewinnanstieg. Wir machten neu auch in den Nordländern in den ersten drei Monaten Gewinn, das war bis anhin nicht der Fall. Das erste Quartal war sehr gut, aber man darf nie zufrieden sein.



Profil: Steckbrief

Name: Walter Grüebler

Wohnort: Risch ZG

Geboren: 19. Mai 1942

Zivilstand: Verheiratet

Ausbildung: Dr. oec HSG

Funktion: CEO Sika AG, Baar

Karriere:

1968-1974: Hayek Engineering AG, Zürich; Projektleiter/Geschäftsleitungsmitglied

1974-1990: Airex AG, Sins (Lonza-Tochter); Geschäftsführer

1990-1999: Algroup Alusuisse, Zürich; Leiter Geschäftsbereich Composites sowie Road & Rail

Seit 2000: CEO Sika



Sika Letzter Kurs: Fr. 638

(in Mio Fr.) 1. Q. 04 1. Q. 03 %

Umsatz 553 476 16.2

davon Bau 396 329 20.4

davon Industrie 157 147 6.8

Europa 383 324 18.2

Asien/Pazifik 60 53 13.2

Fazit: Um 10% will Sika beim Umsatz jährlich wachsen, mit Ebit-Margen zwischen 10 und 12%. Die globale Positionierung erleichtert die Umsetzung der Zielgrössen. Die Börse ist allerdings bereits Mitte 2003 auf den Sika-Schnellzug aufgesprungen.