Der Arbeitsalltag wird hektischer», sagt Samuel Brunner, Unternehmensberater und Coach in Zürich, «viele Manager müssen immer mehr Entscheidungen in immer kürzerer Zeit fällen.» Heute nützt es nichts mehr, das Telefon auszustöpseln, wenn man in Ruhe etwas durchdenken will. Das Glöckchen am E-Mail-Postfach bimmelt dennoch weiter, im Viertelstundentakt quakt das Natel. Der Business-Spam verschont niemanden, egal ob er sich gerade im Büro, zum Lunch im «Baur au Lac» oder, ferienhalber, in einer Bucht am Mittelmeer aufhält.

Der typische Manager läuft heute Gefahr, zum Sklaven der digitalen Medien zu werden: «Da arbeitet einer zwölf, vierzehn Stunden, jagt jeder E-Mail nach, eilt von Meeting zu Meeting», beschreibt Daniel Walker, Mitinhaber von Walker Project Partners, St. Gallen, seine Beobachtungen.

Viele Führungskräfte sind nicht mehr Herr über ihre Zeit – und vergessen ihre wichtigste Aufgabe: «Der Beruf des Managers ist es, Resultate zu erzielen», predigt Fredmund Malik vom Malik Management-Zentrum St. Gallen in seinen Seminaren. Auf dem Weg dorthin wird oftmals ein Helfer eingesetzt: Das Zeitplanbuch. «Schreiben sie alle Aufgaben auf. Setzen sie Prioritäten!» – Empfehlungen dieses Typs bekommen die Nutzer aus ihren dicken, mit Checklisten angefüllten Ledermäppli, egal ob diese auf den Namen Time-System, Helfrecht oder Filofax hören.

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Zeitmanagement ist Gift

Was aber bislang kaum bedacht wurde: Zeitmanagement ist Gift für jeden Gestressten. «Diese Werkzeuge verbrauchen unglaublich viel Zeit», sagt der Berater Walker. Denn sie bewirkten das Gegenteil von dem, was eigentlich bezweckt war: Wer ständig Listen mit Prioritäten und Zielplänen ausfüllt, macht seinen Tag im Büro noch länger. Der Stress bleibt.

Deshalb hat die Simplify-Idee so grossen Erfolg. Jede Minute geht irgendwo ein Buch «Simplify your Life» über den Ladentisch – ein 380-Seiten-Wälzer, vollgestopft mit Lebenshilfe. Das Buch ist ein Wunder. «Wirf die alten Sachen endlich weg», für solche Allerwelts-Ratschläge zahlen Menschen 34.90 Fr. (Campus-Verlag, Frankfurt).

Und zwar sehr viele Menschen: Eine halbe Million Leser haben die Tipps im deutschen Sprachraum schon gefunden. Ihr Autor, Werner Tiki Küstenmacher (siehe «Nachgefragt»), ist auf dem Lebenshilfe-Markt das, was der nimmermüde Udo Jürgens oder Michael Jackson in der Popmusik sind. Dem Bestsellerschreiber wurde bereits Edelmetall verliehen: Ein Buch aus Platin. Der Erfolg der gelbgestreiften Bücher deutet auf ein Symptom hin, das weite Kreise zieht.

Verzicht ist Kult

Die Simplify-Idee hat Verzicht in den Kultstatus erhoben. «Viele Manager benutzen ihren Mikrocomputer nicht mehr. Sie kehren zu einem Taschenkalender zurück – weil der einfacher ist», beschreibt Susanne Roth ein einfaches Anwender-Beispiel. Die 45-Jährige ist selbst Teil der Bewegung, sie verantwortet den Newsletter «Simplify your Work», einen Beratungsdienst aus dem Verlag für die Deutsche Wirtschaft, der Monat für Monat aufs Neue die Botschaft «Weniger ist mehr» predigt.

Das scheint nötig zu sein. Martin Geiger, Trainer aus dem badischen Achern, fragte in einer Online-Studie nach den grössten Zeitfressern. «Aufschieberitis» setzten die Teilnehmer auf Platz eins, «Das Internet und elektronische Post» auf Platz zwei. Unnötige Zeitverluste entstehen laut Umfrage überdies durch Ablenkung und mangelnde Konzentration – die typische Situation in vielen Büros eben.

Simplify könnte hier in der Tat einige Auswege aufzeigen. Der erste Hinweis lautet: Dranbleiben an den Zielen. Nicht das halbstündliche Abarbeiten der neu eingegangenen E-Mails ist das wichtigste – sondern das, wofür der Manager jeden Tag ins Büro kommt: Kunden bedienen, neue Werte für sein Unternehmen schaffen, das Geschäft vorantreiben.

«Die richtigen Dinge tun», beschreibt der Zürcher Coach Samuel Brunner die schlichte, aber nicht immer leicht umzusetzende Agenda. Oftmals gibt es Aufgaben, die laut schreien, die sich dringend machen. Diese verdrängen dann meist, worauf es wirklich ankommt am Ende des Tages.

Auch der zweite Hinweis ist verlockend einfach: Delegieren. Niemand verlangt vom Manager, dass er alles allein macht – im Gegenteil. «Getting things done», beschrieb Peter Drucker, der Ende 2005 gestorbene Urvater der Management-Denker, was erwartet wird. Jede Aufgabenerfüllung ist eine Mischung aus Selbermachen und machen lassen.

Sorgfalt bei der Mitarbeiterwahl

Letzteres wird aber oft vergessen. «Delegieren heisst loslassen, für eine Aufgabe den besten Partner finden», sagt Unternehmesberater Samuel Brunner. Jedoch nicht jeder kann das auch. Zwar verfügen viele Führungskräfte über zahlreiche Untergebene. Diese aber werden manchmal ohne die gebotene Sorgfalt eingestellt. «Wie eine Fussball-elf mit zwei schwachen Verteidigern», beschreibt Daniel Walker, was er in seiner Praxis oft zu sehen bekommt: Das Team bleibt unterhalb dessen, was es wirklich kann, weil die Guten die Arbeit der Mässigen mittun. Und das trifft auch den Chef, der dann manchmal Kopien macht anstatt Kunden zu besuchen.

Auch hier hilft wieder die Simplify-Methode. «Am Anfang, bei der Mitarbeiterauswahl, sollte man sich richtig Mühe geben», sagt Führungsexperte Walker. Denn wer hier nicht diejenigen Kandidaten mit den besten Noten auswählt, sondern die sucht, die am besten für den Job geeignet sind, kann reich ernten.

«Autoorganisation» nennt der St. Galler-Berater das, was dann passiert: Gute Mitarbeiter nehmen ihre Sache selbst in die Hand – und verschaffen ihrem Chef das, was er so dringend braucht: Vereinfachung und Entlastung.

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Nachgefragt:| Werner Tiki Küstenmacher, Autor Simplify-Bestseller: «Fangen Sie den Tag nicht mit E-Mails an»

Was sollte in sämtlichen Büros sofort vereinfacht werden?

Werner Tiki Küstenmacher: Ganz entscheidend: Der Umgang mit E-Mails. Wir ersaufen in elektronischen Nachrichten, besonders wenn diese noch ausgedruckt in Ordnern abgelegt werden. Mein Tipp: Sich nicht vom Mailverkehr überrollen lassen. Fangen Sie den Tag nicht mit E-Mails an – sondern mit einer wichtigen Aufgabe. Das dreht sofort die Arbeitslaune ins Positive. Denn man reagiert nicht mehr, sondern agiert.

Und die vielen Stapel mit Unterlagen?

Küstenmacher: Weg damit. Das ist alles Ballast. Jeder kennt das. Zeitschriften, die wir irgendwann einmal lesen wollen, Akten, die auf Durchsicht warten – all das lastet auf unserer Seele. Deshalb rate ich: Mehr sofort im ersten Arbeitsgang erledigen, mehr spontan wegwerfen – oder meine 10 goldenen Regeln zum Entstapeln anwenden. Eine davon lautet zum Beispiel: Unterlagen nicht wahllos anhäufen, sondern in beschriftete Hängeordner legen.

In Ihrem Buch kämpfen sie auch gegen die Aufheberitis. Warum?

Küstenmacher: Jeder aufgehobene Gegenstand ist ein Nagel, der uns in der Vergangenheit festhält. Das bremst und macht unfrei. So behindern wir uns an einem leichten, unbeschwerten Leben. Der überflüssige Kram verstellt den Weg in die Zukunft.

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Fakten: Die 10 goldenen Regeln der Vereinfachung

1. Machen Sie Ihren Arbeitsplatz übersichtlich.

2. Sorgen Sie dafür, dass die Papierstapel verschwinden – für immer.

3. Entrümpeln Sie Ihre ganze persönliche Umgebung.

4. Geben Sie der Vergesslichkeit keine Chance.

5. Arbeiten Sie konzentriert immer nur an einer Sache.

6. Vermeiden Sie überflüssige Perfektion.

7. Entlasten Sie sich durch konsequente Neins.

8. Schaffen Sie Orte und Zeiten der Entspannung.

9. Entwickeln Sie Ihre Stärken weiter.

10. Entdecken Sie Ihr Lebensziel.

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SKO Leader Circle (Sich) besser managen oder «simply your life» heisst das Thema des 11. SKO-Leader Circle. Auf dem

Podium: Dr. phil. Maja Storch, Prof. Martin Kleinmann, Harry Holzheu, Prof. Oswald Oelz.

Datum: Mittwoch, 21. März 2007

Zeit: 17.30 bis ca. 21.00 Uhr

Ort: SWX Swiss Exchange, Zürich

Informationen: www.sko.ch