Steuerliche Vorteile für Kunden, strikte, aber liberale Handhabung des Bankgeheimnisses und der Regulierungen, kaum Korruption und gut ausgebildete Spezialisten: Singapur gilt als ideale Banking-Drehscheibe in Asien-Pazifik. Die boomende Wirtschaft in der Region und der damit verbundene Vermögenszuwachs sind den international tätigen Banken nicht verborgen geblieben.

Während sich Hongkong zunehmend für Kapitalmarktaktivitäten Nummer-eins-Plattform mausert, ist Singapur die Drehscheibe für die Verwaltung und Betreuung der Vermögen der neuen Reichen und Superreichen. Seit Jahren mischen auch die Schweizer Grossbanken mit: Die UBS und die Credit Suisse Group (CSG) führen in Singapur die grössten Private-Banking-Buchungscenter ausserhalb der Schweiz. Der Leiter des internationalen Private Banking der CSG hat seinen Sitz seit letztem Jahr in Singapur.

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«Die Hälfte der Milliardäre»

«Die Ausgangslage der UBS und der Credit Suisse in Singapur ist hervorragend», sagt Victor Aerni, Private-Banking-Experte von Boston Consulting Group in Zürich. «Die Banken sind bekannt und haben einen guten Ruf.» Gründe für die Expansion der Finanzhäuser nach Singapur sieht Aerni vor allem zwei: Die Jagd auf die lokale Kundschaft und die Diversifizierung zum Buchungsstandort Schweiz.

Mit der Citigroup, der weltgrössten Bank, und dem britischen Finanzriesen HSBC gehören die Schweizer Grossbanken zu den Top Vier im Private Banking (Vermögensverwaltung für wohlhabende Kunden) in Singapur. Das Wachstum der UBS in Asien dürfte sich 2005 bei 25% belaufen haben. Von UBS-CEO Peter Wuffli stammt die Aussage, die Bank habe die Hälfte aller Milliardäre Asiens als Kunden. Die UBS verwaltet in Asien über 100 Mrd Fr. an Private-Banking-Geldern, die CSG mehr als die Hälfte davon.

Der Asien-Boom im Private Banking zeigt sich zuallererst auf dem Arbeitsmarkt. «In Singapur werben die Banken einander wie wild die Kundenbetreuer ab», sagt Aerni von Boston Consulting. Viele Banken weichen deshalb auch nach Hongkong aus, wo sie grösseres Potenzial sehen.

In Singapur, einem Staat mit 4,4 Mio Einwohnern, stiegen die gesamten verwalteten Vermögen laut Regierungsangaben von 120 Mrd Fr. Ende 1998 auf 450 Mrd Fr. Das ist etwa ein Zehntel der Vermögen, die in der Schweiz verwaltet werden. Laut der Boston Consulting Group hält Singapur erst etwas über 2% am weltweiten Markt für grenzüberschreitende Vermögen reicher Einzelkunden (Offshore Banking, siehe Diagramm unten). Platz Nummer eins hält seit langem die Schweiz.

Gerade aber das Wachstum im Private Banking ist in Asien viel schneller als in der Schweiz. Die Steigerung der privaten Kundengelder betrug im Jahr 2004 inSingapur rund 40% auf rund 130 Mrd Fr. und das noch vor dem Börsenjahr 2005. Schätzungen zufolge sollen die Vermögen inzwischen auf gegen 200 Mrd Fr. angestiegen sein. Roland Knecht, Asien-Chef der CSG-Tochtergesellschaft Clariden Bank in Singapur, sagte an einer Pressekonferenz im März: «Singapur wird in den nächsten fünf Jahren das am schnellsten wachsende Offshore-Private-Banking-Zentrum der Welt sein.»

Gefahr für die Schweiz?

Die Attraktivität des Bankenplatzes Schweiz könnte daher sukzessive abnehmen. «Konkurrenz belebt das Geschäft», sagt Thomas Sutter, Mediensprecher der Schweizerischen Bankiervereinigung in Basel, zum Thema Singapur als Konkurrenz. «Swiss Banking muss seine Kernwerte Kompetenz, Internationalität, Stabilität und Diskretion weiterentwickeln, nur dann wird die Schweiz auch in Zukunft mit Abstand Marktführerin im Private Banking bleiben.»

Eduardo Leemann, Verwaltungsratspräsident der AIG Private Bank in Zürich und Leiter des internationalen Private-Banking-Geschäftes des US-Versicherungsgiganten, relativiert. Kundengelderabflüsse von der Schweiz Richtung Singapur seien zwar Realität, die Spekulationen aber übertrieben. «Es fliesst vor allem auch viel Geld von den Offshore-Zentren in der Karibik nach Singapur.» Umittelbare Gefahr für den Finanzplatz Schweiz sieht er keine, für die Zukunft aber müsse man gewappnet sein, sagt Leemann. Er und viele andere Banker sehen die zunehmende Regulierung in der Schweiz als Hauptproblem.

Für kleinere Banken kostet die Expansion (zu) viel

Nicht nur UBS und CSG, auch mittelgrosse Schweizer Privatbanken drängen nach Asien. Die Clariden Bank eröffnete im November 2005 eine Niederlassung in Singapur mit einem «Startkapital» von 32 Angestellten. Bis Ende 2006 will die Tochtergesellschaft der CSG die Anzahl der Angestellten bis auf 50 ausbauen.

Lombard Odier Darier Hentsch erwartet auf Spätherbst die Banklizenz für Singapur das dritte Standbein der Genfer Privatbank in Asien. Rivale Pictet hat seit 2004 eine Lizenz in Singapur und beschäftigt dort 20 Leute. Bei der Julius Bär Holding, die das Asien-Geschäft lange Zeit vernachlässigt hat und vor Jahren sogar das Büro Hongkong schloss, ruhen die Hoffnungen auf Alex Widmer. Der CEO Private Banking und Asienkenner war bis 2004 Leiter CS Private Banking. Bär nutzt nun die Singapur-Lizenz der aufgekauften Banco di Lugano. Im März warb Bär der UBS zudem Wilfried Kofmehl ab, der die Niederlassung leiten wird. Auch die Bank Sarasin erhofft sich mit einer Abwerbung einen Schub für das Asien-Business: Mit Joachim Straehle wird ein Mann CEO der Bank, der in Singapur das Asien-Geschäft des CS Private Banking leitete. In Singapur und in Hongkong ist Sarasin mit etwa 140 Leuten tätig.

Auch in der Schweiz tätige Auslandsbanken wie Coutts Bank von Ernst und AIG Private Bank, die von Zürich aus ihre internationalen Private-Banking-Aktivitäten leiten, haben massive Ausbaupläne in Singapur. Auch die LGT Bank aus Vaduz hält seit Jahren Repräsentanzen in Asien und hat seit 2004 in Singapur eine Banklizenz. Ihre langfristige Strategie ist für Victor Aerni von Boston Consulting ein Vorbild für eine Bankenexpansion in Asien: «Als kleine und mittelgrosse Bank braucht man den Willen zur Expansion sowie viel Geduld.»

Laut Aerni muss eine mittelgrosse Bank eine Summe von 20 bis 50 Mio Fr. in einem Zeitraum von fünf bis sieben Jahren investieren, um sich an einem Platz wie Singapur eine Chance auszurechnen. Vorsichtig gehen daher Vontobel Holding (via Harcourt) und die VP Bank das Asien-Abenteuer an. Sie wollen sich erst mit Repräsentanzen in Hongkong vortasten.