Wenn Alexander Dobrindt, der deutsche Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, von der Digitalisierung träumt, denkt er auch an die Dusche. Ausser Wasser könnten dort ebenso Daten fliessen, wenn Kameras und Sensoren vermessen, wie fit und gesund man ist, und ob Krankheiten im Anflug sind, erzählt der Bundesverkehrsminister, der auch für digitale Autobahnen zuständig ist, bei der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin.

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Ablesbar wären die Informationen an internetfähigen Uhren, Telefonen oder auch Spiegeln. Während der Besitzer duscht, könnten vernetzte Küchengeräte bereits Kaffee kochen oder Toasts rösten. Denn immer mehr Maschinen daheim werden zu digitalen Dienern. «Die Vernetzung im Haushalt nimmt weiter zu», sagt Timm Lutter vom Branchenverband Bitkom.

Fortschrittliche Waschmaschinen

Das Marktforschungsinstitut GfK hat durchgezählt: Gab es im Jahr 2012 erst 76 Haushaltsgeräte-Modelle mit Internetzugang, werden es 2016 bereits 2036 sein – 1 Prozent aller Neuheiten-Reihen. Bei den grossen Geräten wie Spülmaschine, Herd oder Gefrierschrank seien 4 Prozent vernetzt, sagt GfK-Expertin Natalia Andrievskaya. «Das sind nicht viele.» Die Wachstumsraten seien hoch.

Am weitesten vorangeschritten ist die Vernetzung laut Fachleuten bei Waschmaschinen und Trocknern. Internetfähige Modelle können je nach Gewicht oder Verschmutzung des Inhalts das passende Programm samt Dosierung von Reinigungsmitteln wählen. Sie können sich selbst einschalten, wenn der Strom günstig ist, und ihren Besitzer per Smartphone laufend über den Fortgang der Arbeiten informieren. Nur ein- und ausräumen muss man nach wie vor selbst, wie einst den Waschzuber am Fluss.

Vernetzung soll Leben leichter machen

Mancher Kühlschrank ist schon weiter und kann selbsttätig Milch oder Gemüse nachbestellen – vorausgesetzt, dass immer die gleichen Lebensmittel vorhanden sein sollen. Auf der IFA werden vernetzte Kühlschränke mit Innenraum-Kamera gepriesen, mit deren Hilfe der Besitzer, der mit Smartphone statt Einkaufszettel durch den Supermarkt irrt, kontrollieren kann, was noch vorrätig ist.

Internet-Anschluss bieten in einem Smart Home auch Herd, Zahnbürste, Bügeleisen oder Koffergurt sowie Heizung, Licht, Lüftung oder Motorschloss an der Tür. Auch wenn die Digitalisierung ein starker Treiber sei, müssten nicht alle Maschinen und Bereiche vernetzt werden, sagt Miele-Chef Reinhard Zinkann. «Es geht darum, das Leben leichter zu machen.»

Skeptische Europäer und Amerikaner

Für mehr Komfort und Freizeit ihrer Besitzer sollen moderne Geräte sorgen, betont Hakan Bulgurlu, Chef des türkischen Haushaltsgeräte- und Unterhaltungselektronik-Konzerns Arcelik und damit von Marken wie Grundig, Elektra oder Beko, im Reuters-Interview. «Vernetzung im Haushalt muss unsichtbar, einfach und zwischen allen Geräten funktionieren.» Die grössten Chancen sieht Bulgurlu in Asien. «In Europa und Amerika müssen wir noch viel Arbeit leisten, um die Menschen zu überzeugen.»

Der Grossteil der Verbraucher traut den Unternehmen laut GfK nämlich nicht zu, ihre Bedürfnisse rund ums vernetzte Heim erfüllen zu können. Man müsse vorwegnehmen, was Kunden sich künftig wünschen, sagt Miele-Chef Zinkann.

Einfach ist das nicht. Zudem tickt die Branche bei aller Innovation oft recht traditionell: Scharen von Männern schwärmen auf der IFA davon, wie sie mit vernetzten Geräten lästige Hausarbeiten schneller und angenehmer machen – für Frauen. Auf Nachfrage, welche digitalen Diener sie selbst nutzen, offenbart so mancher Manager, dass im eigenen Heim für Kochen, Waschen, Putzen die Frau zuständig ist oder eine Haushaltshilfe.

Neue Produktkategorie in Startlöchern

Ob der Markt für die vielen vernetzten Neuheiten schon reif sei, müsse man sehen, sagt der Miele-Chef. «Es ist noch ein langer Weg.» Bisher sind sie laut Bitkom-Experte Lutter nicht besonders erfolgreich, weil Haushaltsgeräte nur alle fünf bis zehn Jahre oder noch seltener gekauft würden. Zudem seien vernetzte Modelle teurer.

Einstweilen tüftelt die Branche bereits an einer neuen Produktkategorie: humanoide Haushaltsroboter. Im Gegensatz zu selbstfahrenden Staubsaugern oder Rasenmähern sollen sie mehr Mensch als Maschine ähneln. Der Hersteller BSH Hausgeräte, zu dem die Marken Bosch, Siemens oder Neff zählen, präsentiert den «Küchenelf Mykie»: ein digitaler Helfer, der aussieht wie eine kegelförmige Kanne mit einer beweglichen Herdplatte oben drauf.

Keine reine Spielerei

Sein «Gesicht» ist mit farbigen Lichtern umrahmt, er kann zwinkern, lächeln und im Gespräch Rezepte vorschlagen, Kochtipps geben oder vernetzte Haushaltsgeräte steuern. Ob der Assistent auf den Markt kommt, will BSH-Chef Karsten Ottenberg nächstes Jahr entscheiden. Ab Ende 2018 soll aus seinem Haus kein Gerät mehr ohne Vernetzung auf den Markt kommen, sagt der Manager im Reuters-Interview. Doch nur Technologie reinbringen, reiche nicht; es gehe um sinnvolle Helfer. «Gadget-Freaks haben wir in der Küche eher wenig.»

(reuters/jfr)