Das grosse Aufräumen des neuen Vorstandschefs John Cryan brockt der Deutschen Bank einen Rekordverlust ein. Der deutsche Branchenprimus hat im dritten Quartal sechs Milliarden Euro Verlust erwirtschaftet, wie er in der Nacht zum Donnerstag einräumte – mehr als je in der Finanzkrise 2008.

Cryan schreibt insgesamt 7,6 Milliarden Euro ab, vor allem auf die vor der Abspaltung stehende Deutsche Postbank und das Investmentbanking, das längst nicht mehr so lukrativ ist wie vor der Krise. Die Dividende für 2015 will der Bank-Vorstand kräftig kürzen oder sogar streichen. Das könnte rund eine Milliarde Euro bringen. Und auch die 98'000 Mitarbeiter müssen mit geringeren Boni rechnen.

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Schnelle Erholung vom Schock

Börsianer atmeten auf, die Deutsche-Bank-Aktie erholte sich schnell vom ersten Schock und stieg zwischenzeitlich auf 26.28 Euro. Denn mit den Einsparungen sinke die Gefahr, dass die Bank die Aktionäre ein weiteres Mal um Kapital bitten müsse, sagten Analysten und Investoren. «Cryan macht mit dem Schritt deutlich, dass er keine Kapitalerhöhung braucht», sagte einer der grössten zehn Investoren. «Das ist die entscheidende Botschaft.»

Wegen der 75 Cent Dividende habe ohnehin niemand das Papier gekauft, argumentierte ein Top-20-Investor. «Aber nun gibt es klare Anzeichen, dass man sich an die schwierigen Entscheidungen heranwagt.» Die Analysten von Citi rechnen aber damit, dass die Bank trotzdem nicht an einer Kapitalerhöhung vorbeikommt, allerdings erst 2016.

Schlankere und schlagkräftigere Bank

Die Details der noch von Cryans Vorgänger Anshu Jain auf den Weg gebrachten «Strategie 2020» stehen noch aus. Cryan will sie am 29. Oktober vorstellen, vier Monate nach seinem Amtsantritt. Der Brite will sich in Zeiten strengerer Regulierung keine so riesige Bilanz mehr leisten.

Die Schrumpfkur trifft vor allem das Investmentbanking und das Privatkundengeschäft: Die Postbank wird verkauft oder an die Börse gebracht, das eigene Privatkundengeschäft mit den «blauen» Filialen zurückgefahren und auch die Investmentbank soll schlanker und schlagkräftiger werden. Der erwartete Abbau von Tausenden Stellen dürfte die Bank weitere Milliarden kosten. Wer bleibt, muss ebenfalls mit Abstrichen rechnen: «Unsere Aktionäre erwarten zu Recht, dass die Mitarbeiter einen Teil der Belastung tragen», schrieb Cryan an die Belegschaft. Er wolle sich aber für einen «fairen Ausgleich» einsetzen.

Riesige Rückstellungen für Altlasten

Die Abschreibungen knabbern zum grössten Teil nicht das kostbare Eigenkapital an. Dort fallen nur die 1,2 Milliarden Euro ins Gewicht, die die Bank erneut für Rechtsstreitigkeiten zur Seite legen muss – insgesamt hat sie allein in diesem Jahr für die Altlasten schon vier Milliarden Euro zurückgestellt. Die Fälle reichen von der Manipulation des Libor-Zinssatzes bis zum Verdacht milliardenschwerer Geldwäsche durch Kunden der Bank in Russland. Ausserdem wartet die Bank auf eine Einigung mit den US-Behörden im Streit um Sanktionsverstösse. Finanzkreisen zufolge wurden dafür aber genug Reserven gebildet. Die Kernkapitalquote werde auch per Ende September bei rund 11 Prozent bleiben. Ende Juni waren es 11,4 Prozent. Doch auch in den nächsten Quartalen rechnet die Bank mit hohen Kosten zur Beilegung der Altlasten.

Tief in die Verlustzone treiben die Bank die Abschreibungen auf den Firmenwert der US-Investmentbank Bankers Trust, die sie vor 16 Jahren übernommen hatte. Das von Cryans glücklosem Vorgänger Anshu Jain lange Zeit geschonte Investmentbanking ist längst nicht mehr so lukrativ wie damals, weil es mit deutlich mehr Kapital unterlegt werden muss. Auch die Postbank ist weit wenige wert als bei der Übernahme 2010. Früheren Angaben zufolge steht sie mit sechs Milliarden Euro in den Büchern, Experten halten beim geplanten Börsengang aber eine Bewertung von weniger als vier Milliarden Euro für realistisch. Allein diese Abschreibungen summieren sich auf 5,8 Milliarden Euro.

Chinesische Bankbeteiligung weniger wert

Der Wert der zum Verkauf stehenden Beteiligung von fast 20 Prozent an der chinesischen Hua Xia Bank wird um rund 600 Millionen Euro nach unten korrigiert. Dadurch hätte die Bank im dritten Quartal auch ohne die grossen Bilanzkorrekturen rund 400 Millionen Euro Verlust geschrieben. Und auch im Gesamtjahr dürften tiefrote Zahlen stehen. Nach neun Monaten summiert sich das Minus netto auf rund fünf Milliarden Euro.

(reuters/jfr)