Alexandra Sprüngli ist sich keiner Schuld bewusst: «Die ganze Geschichte war eine aufgebauschte Sache», diktierte sie dem Nachrichtenmagazin «Facts» letzten Sommer. Nur füllte «die ganze Geschichte» 1992 während Wochen die Zeitungsspalten - und nicht nur jene der Boulevardpresse. Grund: Schokoladenkönig Rudolph Sprüngli liess sich nach 45 Ehejahren von seiner Frau scheiden und heiratete Monate später unter etlichem Getöse die 28 Jahre jüngere Alexandra Gantenbein. Sie soll schon Jahre zuvor ihren künftigen Mann in der nicht eben erfolgreichen Nachfolgeplanung beraten haben und wurde prompt als Erbschleicherin tituliert.

Auch bei Mövenpick gestaltete sich die Stabübergabe anfänglich schwierig und brachte den Konsumgüterkonzern monatelang in die Schlagzeilen. Und Denner-Patriarch Karl Schweri verheizt seit Jahren seine direkten Nachkommen. Ob sich sein Enkel Philippe Gaydoul auf dem Schleudersitz halten kann, ist noch nicht abzusehen.

Die Patrons alter Schule haben Mühe, ins hintere Glied zurückzutreten. In Deutschland seien in den nächsten beiden Jahren 200 000 Arbeitsplätze gefährdet, weil in Tausenden von Familienbetrieben die Übergabe zu scheitern drohe, wie eine Studie zeigt. Intrigen in der Verwandtschaft, ungültige oder schlecht abgefasste Testamente der bisherigen Firmeninhaber, zerstrittene und geldgierige Erben seien der Grund für diese Misere, schrieb das «Handelsblatt».

Dass das Problem vor allem in Europa unter den Nägeln brennt, hängt mit der fragmentierten Wirtschaftsstruktur zusammen. Bis zu 99 Prozent der Betriebe befinden sich in Familienhand. Und ihre Überlebenschancen sind schlecht. Bereits nach fünf Jahren existieren 40 Prozent der Familienbetriebe nicht mehr. Grösster Stolperstein ist die Übergabe von der ersten an die zweite Generation. «In der Gründergeneration herrscht in der Regel eine Firmenkultur, die ganz auf das Individuum des Gründers mit starkem Ego ausgerichtet ist», sagt Joachim Schwass, Professor an der Lausanner Managementschule IMD. In der zweiten Generation hingegen müsse eine Teamkultur aufgebaut werden, weil meist mehrere Nachkommen in das Fortbestehen des Unternehmens involviert seien, sagt Schwass, gleichzeitig Direktor des weltweiten Family Business Network F.B.N. «Diese Erneuerung der Kultur ist enorm schwierig.» Bis in die vierte Generation schaffen es nur fünf bis sieben Prozent aller Familienunternehmen.

Gerade die frage, ob das Unternehmen an alle Kinder oder nur an eines weitergegeben wird, ist eine Hauptschwierigkeit bei Erblösungen. Im ersten Fall kann es schnell einmal zum Zerwürfnis ob der Führung kommen. Wird dagegen die Firma an nur einen Erben weitergegeben, hat dieser die anderen auszuzahlen, nach dem Buchstaben des Gesetzes zum Verkehrswert des Unternehmens. Was bei mehreren Generationenwechseln schwer an der Firmensubstanz zehrt, ja nicht selten in den Bankrott mündet.

Doch Erbfolgen lassen sich auch einvernehmlich gestalten, wie das Beispiel des Trubschacher Guetsli-Fabrikanten Kambly zeigt. Seit der Gründung wird der Familienbetrieb immer nur an einen Nachkommen weitergegeben. Die anderen Geschwister werden ausgezahlt. Oscar A. Kambly als Firmeninhaber der dritten Generation entrichtet seit 1982 Zahlungen an gleich fünf Geschwister. «Diese Lösung ist nur dann erfolgreich, wenn ein Unternehmer die Nachfolge zu Lebzeiten regelt und alle Miterben sich friedlich an den grünen Tisch setzen», sagt Kambly. Damit das Unternehmen nicht ausblutet, müssen sich die Entschädigungen in vernünftigem Rahmen halten. Die vierte Generation wird es einmal leichter haben; Oscar Kambly hat eine einzige Tochter.

Bei den meisten Dynastien läuft es derzeit umgekehrt: Die Unternehmen wachsen nicht so schnell wie die Familien. Das steht dem Wunsch, die Firmen und damit das Geld im Familienbesitz zu behalten, oft im Weg. Damit es nicht zur Zersplitterung von Macht und Einfluss kommt, wird vielfach das Instrument des Aktionärsbindungsvertrags angewandt. So bei der Bank Vontobel. Zwar kontrolliert die Familie die Holding mit 51,6 Prozent der Stimmen. Damit aber genügend Spielraum für eine weitere Öffnung in Richtung Publikum bleibt, sind die Vontobel-Stiftung und das Management, die 14,3 beziehungsweise 15,8 Prozent der Stimmen halten, mittels Aktionärsbindungsvertrag an die Familie gekettet.

Allerdings lässt sich das Problem allein mit Aktionärsbindungsverträgen nicht immer lösen, und gleichzeitig steigt der Druck auf die Erbengeneration. «Die Globalisierung und der enorme Konkurrenzdruck in der Wirtschaft stellen die Nachfolger vor eine schwierige Situation», sagt Unternehmensberaterin Franziska Müller Tiberini, die sich auf die Beratung von Familienunternehmen spezialisiert hat. Streit unter den Nachfolgern müsste bei umsichtiger Planung zwar nicht sein. Die Experten beobachten jedoch, dass sich die Firmeninhaber meist zu spät an die Problemlösung heranwagen. Zudem stünden vielfach finanzielle statt psychologische Lösungsansätze im Vordergrund.

Lob zollt Joachim Schwass der Bankierdynastie Bär. Dank umsichtiger Nachfolgeplanung und genügend Freiheiten für jene, die sich nicht in der Bank engagieren wollten, sei es gelungen, trotz Publikumsöffnung den familiären Charakter beizubehalten. Die drei Söhne von Bankgründer Julius Bär waren alle im Institut tätig. Auch in der dritten Generation blieb die Mehrheit der männlichen Nachkommen der Bank treu, und in der vierten Generation sind immer noch alle drei Stämme im Geschäft vertreten. Als einzige Frau engagiert sich die Soziologin Nadia Bär als Verwaltungsrätin offiziell in der Führung des Unternehmens.

Frauen sind bei der nachfolgeregelung oft in der Zwickmühle», sagt Franziska Müller. Zum einen fühlten sie sich bei Streitereien in der Erbfolge aufgrund ihrer erzieherischen Funktion in der Familie oft schuldig, zum anderen seien sie meist schlicht zuwenig ins Geschäft einbezogen, beobachtet die Beraterin. Bei der Autodynastie Peugeot etwa haben die weiblichen Nachkommen im Business nichts zu suchen. Auch die Kinder der Frauen sind nicht willkommen.

Die wenigen Frauen, die in die Fussstapfen ihrer Väter oder Ehemänner treten, haben es nicht leicht. In den letzten Jahren machten viele negative Beispiele Schlagzeilen. Beatrice Wehrhahn musste bei Raichle das Zepter an externe Manager übergeben. Ueli Pragers Ehefrau Jutta hatte bei der Führung von Mövenpick keine glückliche Hand. Elisabeth Salina-Amorini ist als Vertreterin der SGS-Gründerfamilie Salmanowitz aus dem operativen Geschäft komplimentiert worden. Hortense Anda-Bührle sah jahrelang zu, wie ihr Bruder Dieter Geld in unrentable Geschäftsfelder steckte und trat erst spät in Erscheinung. Gretel Leonhardt-Feldpausch musste ihr Familiensilber, das Modehaus Feldpausch, an PKZ verkaufen.

Branchenspezifische Unterschiede beobachten die Experten zwar kaum. Allerdings geraten bei Erbzwist vor allem kapitalintensive Betriebe rasch in Bedrängnis. So hängt die Schweizer Luxushotellerie praktisch am Tropf reicher Hobbyhoteliers. Der Deutsche Karl-Heinz Kipp, einer der erfolgreichsten Detailhändler der Nachkriegszeit, hat gleich fünf Schweizer Traditionsherbergen übernommen - meist von Erbengemeinschaften. Der «Quellenhof» in Bad Ragaz befindet sich im Besitz von Thomas Schmidheiny. Das Lausanner Fünfsternhotel «Beau-Rivage» gehört zu 65 Prozent der Sandoz-Stiftung (siehe «Ein einzig Volk von Stiftern»), und im «Badrutt’s Palace» in St. Moritz hat inskünftig die mit einem Managementvertrag eingebundene US-Kette Rosewood Hotels & Resorts operativ das Sagen. Die vierte Generation hat an der Hotellerie kein Interesse.

Nachgerade tragisch ist das Schicksal der ehemaligen Stahldynastie von Moos. Nach 154jähriger Geschichte als Familienunternehmen liess sich der letzte Firmenspross auf einen ungleichen Machtkampf ein: Als Konkurrent Von Roll den Innerschweizern seine Stahlaktivitäten andienen wollte, unterzeichnete André von Moos erst nach massiven Drohungen der Banken, Kredite zu sperren. Damit unterschrieb er auch den Rausschmiss seiner Familie. In der anschliessenden Sanierung und der Umwandlung der Bankkredite in Aktienkapital verlor die von-Moos-Familie ihre Mehrheit, der Stimmenanteil schrumpfte auf unter fünf Prozent. Heute berät André von Moos KMU.

Vergleichsweise gut gelungen ist hingegen die Erbteilung der Schmidheiny-Dynastie. Genügend flüssige Mittel und klare Führungsentscheide ermöglichten schon früh die Autonomie der verschiedenen Engagements im Zementbereich und im Ziegeleiengeschäft. Bei Streitereien oder unmotivierten Nachfolgern empfehlen die Experten eine externe Lösung, denn das ist keine Schande. «Ein Time-out mit einem aussenstehenden operativen Firmenchef ist meist besser als eine erzwungene familieninterne Lösung», sagt Franziska Müller. Allerdings müsse die Besitzerfamilie dem CEO genügend Freiheiten lassen. Gleichzeitig sei es vorteilhaft, wenn sich der von aussen kommende Firmenchef in der Vermittlerrolle zwischen den verschiedenen Interessen der Familienstämme wohl fühle. Exemplarisches Beispiel: Seit Lindt & Sprüngli mit Ernst Tanner einen fähigen externen Firmenchef engagiert hat, geht es mit dem Kilchberger Unternehmen wieder aufwärts.

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