Pünktlich zum 1. August eröffnete in Zürich das erste CitizenM der Schweiz. Die Hotelkette aus Holland verfolgt seit Jahren einen weltweiten Expansionskurs und setzt dabei zum Beispiel auf Gratisfilme statt Schoggitäfeli auf dem Bett oder auf superschnelles Wifi statt einem Concierge. Doch wie schläft es sich im Tech-Hotel? Die «Handelszeitung» hat das CitizenM im Kreis 1 am Eröffnungstag getestet.

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Check-in am Computerterminal

Als wir das CitizenM – das M steht für «Mobile» – betreten, werden wir von einem Gartenzwerg begrüsst, der uns den Mittelfinger entgegenstreckt. Es ist eines der vielen Kunstwerke im Eingangsbereich und dem sogenannten «Living Room» des neuen Hotels. So nennt die Kette ihren Lobby- und Barbereich. Mit den Check-in-Terminals und den jungen Angestellten erinnert dieser aber eher an einen Apple-Store als an eine Hotelhalle.

Das Self-Check-in soll in 20 Sekunden erledigt sein, verspricht CitizenM-Mitgründer Michael Levie. Das ganze Hotel ist auf Effizienz ausgerichtet. «Alles was ein Vielreisender nicht braucht, haben wir weggelassen», so Levie.

CitizenM Livingroom

«Living Room»: Hier sollen sich Geschäftsreisende wie zu Hause fühlen.

Quelle: ZVG

Bei uns geht das Einchecken nicht ganz so schnell wie versprochen. Weil das Zimmer von der Agentur auf einen anderen Namen gebucht wurde, erkennt der Computer die ID nicht. Der «Ambassador», wie bei CitizenM die Angestellten heissen, ist hilfsbereit und freundlich, doch am Ende müssen Stift und Post-it das Terminal ersetzen, damit man die benötigten Angaben machen kann. Die anderen Gäste können indes tatsächlich super schnell einchecken, weshalb unsere Erfahrung wahrscheinlich nicht allgemein gültig ist.

Kleines Zimmer mit viel Hightech

Unser Hotelzimmer ist eher klein und «basic». Und nicht nur unseres: Die 160 Gästezimmer in Zürich sind allesamt identisch. Auch preislich gibt es keine Unterschiede. Der offizielle Mindestpreis beträgt 169 Franken. Auf Internetportalen ist die Übernachtung auch günstiger zu haben.

Die fehlende Zimmergrösse wird von einigen guten Gimmicks wieder wettgemacht. Da ist zum einen die Regendusche, deren Beleuchtung nach Farben ausgewählt werden kann.

Zum anderen bietet das Entertainment-System eine breite Auswahl an Gratisfilmen - auch für Erwachsene, was in anderen Hotels meist mit Zusatzkosten verbunden ist. Als CitizenM in einer anderen Stadt zum ersten Mal Erwachsenenfilme kostenlos angeboten hätte, sei dies ein riesiger Erfolg gewesen, sagt Levie. Und fügt an: «Uns sind damals gleich mehrere Server durchgebrannt.»

CitizenM Tablet

Tablet zur Zimmersteuerung: «Use me for everything».

Quelle: Gabriel Knupfer

Richtig cool ist das Tablet, mit dem sich alle Funktionen des Zimmers lenken lassen. Licht, Klimaanlage, Rollladen und Entertainment-System sind mit dem iPad leicht vom Bett aus zu bedienen. Allerdings fällt die Steuerung am Morgen vor der Abreise aus, das Tablet bleibt auf dem Startbildschirm eingefroren. Ein Ambassador erklärt, dass dies wohl an den Updates liege, die wegen der Neueröffnung noch am Laden seien. Dennoch wird klar, dass die ganze Technik bei CitizenM auch ihre Kehrseite hat: Wenn sie nicht funktioniert, ist das smarte Hotelzimmer plötzlich nicht mehr so interessant und nur noch schwer zu steuern.

«Living Room» und Arbeitsplatz für Gäste und Anwohner

Zum neuen Konzept gehört auch die Hotelhalle und Bar, der «Living Room». Kunst und Designermöbel sollen den Raum zum zweiten Wohnzimmer des Business-Reisenden machen. Die Atmosphäre ist gut, dies vor allem auch wegen der Ambassadors, die sich ehrlich um die Gäste bemühen. Es sei das Ziel, «immer ein bisschen informeller zu sein», sagt Levie. So gibt es an der Kasse eigens einen Knopf für einen «random act of kindness» (eine «willkürliche gute Tat»), mit dem das Barpersonal Drinks ausgeben kann.

In Anspruch nehmen müssen wir diese Möglichkeit nicht, weil die Drinks am Eröffnungstag ohnehin auf das Haus gehen. Diese sind gut, aber ohne «random act of kindness» mit rund 18 Franken nicht gerade preiswert. Doch schliesslich ist man hier in Zürich, einer der teuersten Städte der Welt, mitten im Zentrum beim Paradeplatz. Der Raum kann übrigens auch von Nicht-Gästen für 15 Franken pro Tag als Coworking-Arbeitsplatz genutzt werden.

Livingroom CitizenM

Die Hotellobby ist auch ein Coworking Space.

Quelle: ZVG

Grosse Pläne in der Schweiz und weltweit

Die Nacht im Tech-Hotel ist insgesamt erholsam. Der Preis ist für Zürcher Verhältnisse gut, das Zimmer gefällt und die Angestellten sind sehr freundlich. Das Auschecken geht in wenigen Sekunden über die Bühne und zeigt uns doch noch die Vorteile der Terminals gegenüber einer von Menschen besetzten Rezeption. Der Fashion-Hintergrund der Gründer ist dem Zürcher CitizenM anzumerken, ebenso wie der Enthusiasmus der Mitarbeiter. 

Ob das Hotel in Zürich Erfolg haben wird, hänge aber auch davon ab, ob das Haus von den Einheimischen akzeptiert und die Räume zum Arbeiten genutzt würden, so Levie. Das Konzept sei vielleicht am Anfang «ein kleiner Schock für die traditionelle Bewirtung gewohnten Schweizer».

Die Firma CitizenM startete 2008 am Flughafen Amsterdam Schiphol. Das Hotel in Zürich ist bereits das 18. der Kette, die inzwischen in Europa, Asien und Nordamerika präsent ist. 20 weitere Ableger sind im Moment in Planung oder im Bau. Zimmer und Ausstattung sind überall auf der Welt sehr ähnlich, ein nationales Flair sucht man bei CitizenM vergebens. Doch für Geschäftsreisende dürfte das eine geringere Rolle spielen als der gleichbleibende Standard. In der Schweiz soll 2020 ein weiteres CitizenM in Genf eröffnet werden.

Die Übernachtung wurde von CitizenM ermöglicht.