Während die USA unter Donald Trump ihre Wirtschaft zunehmend abschotten, schliesst die Europäische Union ein Freihandelsabkommen nach dem anderen ab. Gerade am Wochenende hat sie sich mit Mexiko auf ein neues Handelsabkommen geeinigt. Die Details müssen zwar noch ausgehandelt werden, aber Mexiko möchte seine Abhängigkeit vom Handel mit den USA verringern und hatte sich daher in den vergangenen Monaten verstärkt um eine Einigung mit den Europäern bemüht.

Auch in die Verhandlungen mit dem südamerikanischen Handelsbündnis Mercosur ist neuer Schwung gekommen. Die EU und Mercosur verhandeln zwar schon seit 1999 über ein Freihandelsabkommen, aber für die südamerikanischen Staaten ist ein besserer Zugang zu einem der grössten und reichsten Märkte der Welt wieder interessanter geworden. Denn bei dem geplanten Abkommen geht es um den Zollabbau für 90 Prozent der Waren, die zwischen beiden Regionen gehandelt werden. Nicht zuletzt treibt aber auch die Handelspolitik von US-Präsident Trump die Verhandlungen voran.

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Denn angesichts des zunehmenden Protektionismus sind auch für die EU neue Handelsabkommen wichtiger geworden. Mit dem Mercosur verhandelt sie unter Hochdruck, um das Abkommen möglichst bald abzuschliessen. «In einer Zeit, wo andere Mauern bauen, müssen wir mehr denn je Brücken schlagen», sagte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström. Beide Seiten wollen den Abschluss bis zum Herbst, um dem Brexit und der Präsidentschaftswahl in Brasilien im Oktober zuvorzukommen, bei der es zu einem Regierungswechsel kommen könnte.

Bundesrat setzt sich für Schweizer Wirtschaft ein

Auch die Schweiz verhandelt mit dem Mercosur. Beim Treffen in Brüssel Anfang der Woche tauschten sich Bundesrat Schneider-Ammann und EU-Handelskommissarin Malmström über den aktuellen Stand der Verhandlungen mit dem Mercosur aus. Für die Schweiz sei es «zentral, mit diesen Ländern Freihandelsregeln zu etablieren, die denjenigen der EU möglichst nahekommen, damit die Schweizer Exportwirtschaft gegenüber der europäischen Konkurrenz nicht benachteiligt ist,» heisst es aus dem Wirtschaftsdepartement.

Cecilia Malmström

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström beim Treffen in Brüssel.

Quelle: Keystone

Denn der Mercosur ist ein interessanter Markt: Das Handelsbündnis wurde 1991 zwischen Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay gegründet und umfasst 260 Millionen Menschen. Das Bruttoinlandsprodukt beträgt 2,2 Billionen Euro – damit ist die Region die siebtgrösste Volkswirtschaft der Welt. 2012 trat Venezuela dem Handelsblock bei, wurde aber letztes Jahr aufgrund der politischen Ereignisse im Land suspendiert. Bolivien befindet sich derzeit noch im Beitrittsverfahren – sechs weitere Staaten sind assoziierte Mitglieder.

Schwierige Verhandlungen

Trotz der ambitionierten Ziele in Brüssel sind die Verhandlungen im Agrarbereich nach wie vor schwierig. Die europäischen Landwirte – insbesondere aus Frankreich – sind dagegen, weil sie Nachteile gegenüber den südamerikanischen Agrarriesen mit ihren Monokulturen und Druck auf die Preise durch billigere Fleischimporte aus Südamerika befürchten. Die Mercosur-Länder vor allem Argentinien und Brasilien sind Grossproduzenten von Rindfleisch, Geflügel, Zucker und Tabak sowie anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen.

Die EU ist der grösste Handelspartner der Mercosur-Staaten: 22 Prozent ihres Handels, nämlich rund 42 Milliarden Euro exportierten sie in die EU – die Hälfte davon sind Agrarprodukte. Die EU exportiert Waren im Wert von 44 Milliarden Euro – vor allem Autos, Maschinen sowie Chemie- und Pharmaprodukte – und Dienstleistungen im Wert von 22 Milliarden Euro in die Mercosur-Region.

Für die EU machen die Ausfuhren in die Mercosur-Staaten zwar nur 2 Prozent ihres Aussenhandels aus, aber die Zölle sind sehr hoch: 35 Prozent für Autos, zwischen 20 und 35 Prozent für Maschinen und bis zu 14 Prozent für Pharmaerzeugnisse. Ausserdem würden weitere Handelshemmnisse wegfallen, indem technische Anforderungen und Standards angepasst werden.

Neben dem Abbau von Zöllen geht es auch um eine Liberalisierungen im Agrarbereich, der für die Mercosur-Staaten mit einem Anteil am BIP von 6 Prozent besonders wichtig ist. Sie wollen Produkte wie Fleisch, Wein und Getreide günstiger nach Europa exportieren können. Vor allem bei Fleischimporten fordern die Südamerikaner ein grösseres Entgegenkommen aus Brüssel, doch die Agrarlobby insbesondere aus Frankreich und Polen wehrt sich.

Widerstände in der Schweiz

Und auch in der Schweiz gibt es Widerstand aus der Landwirtschaft. Denn die Schweiz verhandelt ebenfalls über ein Freihandelsabkommen mit dem Mercosur – allerdings zusammen mit den anderen Efta-Mitgliedern Island, Liechtenstein und Norwegen. 2017 hatte die Europäische Freihandelsassoziation (Efta) die Verhandlungen aufgenommen und will bis Ende des Jahres ein Abkommen abschliessen.

Wenn die EU ein Freihandelsabkommen mit dem Mercosur schliesst, hätten Schweizer Firmen einen Wettbewerbsnachteil. Betroffen wären vor allem die traditionellen Exportindustrien Pharma, Chemie, Maschinen und Uhren. Daher fordert die hiesige Exportwirtschaft einen schnellen Abschluss des Abkommens. Der Dachverband der Schweizer Wirtschaft Economiesuisse warnte vor Kurzem vor dem Diskriminierungspotenzial für die Schweizer Wirtschaft gegenüber der europäischen Konkurrenz. Sie halten den südamerikanischen Markt mit 260 Millionen Konsumenten für vielversprechend.

Hohe Zölle erschweren Handel

Der Handel zwischen Mercosur und der Schweiz beträgt jährlich rund 4,2 Milliarden Franken. Schweizer Unternehmen exportieren Waren im Wert von knapp 3,5 Milliarden Franken in die Mercosur-Region. Allerdings zahlen sie dafür Zölle von bis zu 35 Prozent. Um vom Zollabbau im Rahmen eines möglichen Abkommens zu profitieren, müsste die Schweiz jedoch den Grenzschutz für Agrarprodukte senken. Das trifft derzeit noch auf Widerstand vor allem aus dem Bauernverband.

Der Export beträgt zwar nur 0,4 Prozent des Schweizer BIP, doch die Ökonomen des Think Tanks Avenir Suisse stellen die Vorteile für Schweizer Konsumenten heraus: «Dieser Anteil scheint auf den ersten Blick verschwindend klein. Überträgt man ihn jedoch auf das Pro-Kopf-Einkommen, bedeutet ein Wegfall des Handels mit Mercosur – zum Beispiel weil europäische Konkurrenten die Marktanteile von Schweizer Unternehmen übernehmen – ein um rund 260 Franken schmaleres Portemonnaie für jede Schweizerin und jeden Schweizer.»

Sie kommen zu dem Urteil, dass der Handel mit dem Mercosur ein Gewinn für die gesamte Schweizer Volkswirtschaft wäre. Die Schweizer Chemie- und Pharmindustrie würde besonders stark profitieren – etwa drei Viertel der gesamten Schweizer Ausfuhren in die Region stammen aus der Branche.