«Wir müssen endlich das Tabu der Freiflächen thematisieren», fordert Christoph Sutter. Der 48-jährige ist seit neun Jahren für die Wind- und Solarkraftwerke der Axpo verantwortlich und hat noch grosse Ziele. Bis 2030 plant die Axpo, Solarkraftwerke mit einer Spitzenleistung von insgesamt 10 Gigawatt zu bauen – so viel wie zehn grosse Atomkraftwerke. Und doppelt so viel wie die bestehende Wasserkraft-Infrastruktur der Axpo in der Schweiz.

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Das erklärte Sutter an einer Medienveranstaltung. Der Haken an der guten Nachricht: Gebaut wird nicht in der Schweiz, sondern im europäischen Ausland. Schuld daran seien unter anderem die rigiden Vorschriften.

Den Medienvertretern zeigte der Strom-Manager sein jüngstes Baby: das Solarkraftwerk an der Staumauer des Glarner Muttsees. Dort werden gerade die fast 5000 Panels montiert, die ab Oktober Strom ins Netz einspeisen sollen. Geplante Leistung: 2 Megawatt. Oder ein Fünftausendstel der Ausbaupläne der Axpo.

«Es geht nicht darum, gleich Alpwiesen zu bebauen. Aber man sollte zumindest da bauen können, wo es schon Infrastruktur in der Nähe hat.»

Christoph Sutter, Leiter Erneuerbare Energien, Axpo

Am Muttsee sei es einfach gewesen, die Bewilligungen zu erhalten. «Wir konnten die Umweltverbände einbeziehen, die schon beim Bau der Staumauer involviert waren», sagt Sutter. Einsprachen gab es keine. Doch alle Panels müssen an der Staumauer montiert werden. Installationen ausserhalb solcher Infrastrukturen werden in der Schweiz nicht bewilligt. Aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes.

Wolle man die steigende Stromnachfrage wirklich mit inländischer Produktion stillen und gleichzeitig aus der Atomkraft aussteigen können, brauche es daher ein Umdenken, sagt Sutter. «Es geht nicht darum, gleich Alpwiesen zu bebauen. Aber man sollte zumindest da bauen können, wo es schon Infrastruktur in der Nähe hat.» Die Rahmenbedingungen für neue Anlagen müssten deutlich besser werden.

Am Beispiel des Muttsees erklärt er, weshalb es Sinn machen kann, in den Alpen Solarstrom zu produzieren. Weil es im Winter weniger Nebel habe, erreiche man mehr Sonnenstunden. Zudem werde das Sonnenlicht im Winter vom reflektierenden Schnee verstärkt. Und kühlere Temperaturen sorgen für eine höhere Leistung der Solarzellen. Insgesamt erhoffe man sich am neuen Kraftwerk daher eine 50 Prozent höhere Jahresproduktion als im Flachland. Und das Beste: Dieses Plus findet vor allem im Winter statt, wenn Strom Mangelware ist und die Schweiz traditionell zur Importeurin wird.

Kein Verlust, aber auch kein gutes Geschäft

Wirtschaftlich geht die Rechnung jedoch nicht ganz auf. Zwar schreibe man keinen Verlust damit, sagt Pascal Semlitsch von den ebenfalls am Projekt beteiligten Industriellen Werke Basel. «Aber für eine adäquate Verzinsung des Kapitals reicht es nicht.» Die Produktionskosten von «Alpine Solar» lägen rund doppelt so hoch wie bei einer vergleichbaren Anlage im Flachland, sagt Semlitsch. Rentabel bleibt das nur, weil Axpo und IWB mit der Detailhändlerin Denner einen langfristigen Abnahmevertrag schliessen konnten, ein so genanntes Power Puchase Agreement (PPA). 

Die Nachfrage nach solchen PPA-Verträgen sei gross, sagt Semlitsch. Unter anderem bei Banken und Versicherungen sei zu beobachten, dass sich diese Ökostrom direkt vom Produzenten einkauften. Die bessere Ökobilanz rechtfertigt dabei offenbar den Mehrpreis.

«Es hat sich gezeigt, dass die meisten Photovoltaik-Panels lange halten und nur wenig an Leistung verlieren.»

Claudius Bösiger, IWB-Tochter Planeco

Solarstrom ist in den letzten Jahren deutlich billiger geworden, auch wenn es in den letzten Monaten erstmals zu Preiserhöhungen bei den Panels gekommen sei, sagt Claudius Bösiger von der IWB-Tochter Planeco. Auf Freiflächen-Anlagen im Flachland könne man mittlerweile für vier bis sechs Rappen Strom produzieren. Dabei rechnet Bösiger mit einer Laufzeit von 25 Jahren. «Es hat sich gezeigt, dass die meisten Photovoltaik-Panels lange halten und nur wenig an Leistung verlieren.»

Normale Dachinstallationen seien heute für Gestehungskosten weniger als zehn Rappen pro Kilowattstunde zu haben. Das lohnt sich, sobald damit der Eigenverbrauch gedeckt und auf den Zukauf von Strom verzichtet werden kann. Die meisten dieser Anlagen würden denn auch im Umfeld von Industriebetrieben wie den Logistikzentren von Detailhändlern gebaut. Da geht die Rechnung auf.

Forderung: Gezielte Förderung von Winterstrom

Und doch fordert Axpo-Manager Sutter mehr Unterstützung vom Staat, der demnächst über die weitere Ausgestaltung der Stromgesetze beschliessen wird. Insbesondere die alpine Photovoltaik müsse subventioniert werden, wenn man das Winterproblem lösen wolle. «Es braucht ein Fördersystem, das gezielt solche Kraftwerke unterstützt.» So fördere Frankreich Projekte mit höheren Beiträgen, wenn diese konkrete Bedingungen erfüllten.

Sutter macht sich zudem für Marktprämien als Förderinstrument stark. Diese erhöhen die Erträge am Markt um einen festen Betrag – und das nur dann, wenn die Marktpreise unter einem gewissen Niveau liegen. Das Konzept dieser Marktprämien steht in Konkurrenz zu festen Fördergeldern pro Projekt.

«Das wird das Jahrzehnt der Solarenergie. Die Schweiz ist da im Vergleich langsam unterwegs.»

Christoph Sutter, Leiter Erneuerbare Energien, Axpo

Für den Zubau sieht er fast nur Solar als Option. Für Windkraftwerke sei die Schweiz weniger geeignet als andere Länder. Und dort, wo sie es wäre – etwa im Jura – blockieren die Einspracheverfahren den Bau. Im Frühjahr erst habe das Bundesgericht über eine Windkraft-Bewilligung entschieden. Nach vollen 20 Jahren. Sutter verweist auf Frankreich, wo inzwischen eine Gerichtsebene aus den Bewilligungsverfahren entfernt wurde, um diese zu beschleunigen. Solche Überlegungen müsse man sich auch in der Schweiz machen, fordert der Axpo-Manager.

Jahrzehnt der Solarenergie

Global dagegen sei Solarstrom längst das dominierende Thema. Die Internationale Energieagentur gehe davon aus, dass bis in fünf bis zehn Jahren Solar die meiste neu installierte Leistung bringen werde. Die Welt befinde sich in einem unglaublichen Umbruch. «Das wird das Jahrzehnt der Solarenergie. Die Schweiz ist da im Vergleich langsam unterwegs.»

Wie gross das Potenzial in Europa ist, zeigt der Vergleich mit Deutschland. Dort stammte 2020 rund ein Fünftel des produzierten Stroms aus Solaranlagen. In der Schweiz dagegen befindet sich deren Anteil im tiefen einstelligen Bereich. Hier dominiert die Wasserkraft mit mehr als 60 Prozent.

Und daran wird Solarstrom-Manager Sutter auch in den Glarner Alpen erinnert. Denn blickt er auf der Staumauer nicht nach Süden zu seinen Panels, sondern nach Norden in den Stausee, schaut er auch dorthin, wo die Axpo derzeit wirklich Geld verdient. Dabei hatte es vor ein paar Jahren noch nicht danach ausgesehen.

Pumpspeicher: Geld verdienen, Strom vernichten

Mehr als zwei Milliarden Franken hat der Ausbau des Wasserkraftwerks am Limmernsee zu einem modernen Pumpspeicherkraftwerk gekostet. Seither kann das Wasser flexibel – je nach Bedarf – von dort in den neuen, höher gelegenen Muttsee hochgepumpt oder durch die Turbinen wieder runtergelassen werden.

Das Kraftwerk ist hochpotent. Lässt es seine Turbinen mit Volllast laufen, produziert es so viel Strom wie ein modernes Atomkraftwerk: rund 1 Gigawatt. Zusammen mit den weiter unten im Tal liegenden Turbinen kommt das Kraftwerk Linth-Limmern sogar auf 1,5 Gigawatt.

Wirklich interessant ist der Pump-Betrieb. Der Muttsee oben am Berg funktioniert wie eine Batterie. Sind die Strompreise tief, wird Wasser hochgepumpt und dort gespeichert. Bei hohen Preisen fliesst es wieder runter. Gut ein Fünftel beträgt der Energieverlust durch das Pumpen. Oder anders gesagt: Liegen die Preise mehr als das auseinander, verdienen Axpo und der Kanton Glarus als Juniorpartner Geld.

Derzeit ist das klar der Fall. Zeitweise werden am Strommarkt zweistellige Rappenbeträge pro Kilowattstunden bezahlt. Unter und über Null (siehe Beitrag dazu hier). Und so verdient die Axpo mit dem Pumpen und Turbinieren derzeit viel Geld. Nur Strom produziert das Pumpspeicherkraftwerk unter dem Strich keinen. Im Gegensatz zu den Solarpanels an der Staumauer.