Engagiertes Mitdenken und -handeln ist eine Eigenschaft, die gepflegt sein will. Doch in der Hektik des Berufsalltags kommt diese Pflege zunehmend zu kurz. Für Fachleute lauert in dieser Tatsache eine erhebliche Gefahr für die entscheidende intrinsische Motivation, also für den eigenen Antrieb zur Leistung und Leistungssteigerung.

So zeigt sich Werner R. Müller, Professor für Organisation, Führung und Personal am Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum der Universität Basel, besorgt darüber, «dass den Belegschaftsmitgliedern zunehmend zwei qualitativ völlig gegensätzliche und damit ausserordentlich demotivierende Botschaften vermittelt werden: Die eine wertet sie als unverzichtbare Leistungsträger auf und betont ihre Autonomie und Einzigartigkeit, die andere signalisiert ihnen eine zunehmende Abhängigkeit und Austauschbarkeit».

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Das, stellt Müller fest, «macht nicht unbedingt Lust auf Leistung und animiert kaum dazu, die Interessen des Betriebes zu den eigenen zu machen, Kunden aufgeschlossen, einfühlsam und wirklich um sie bemüht entgegenzutreten und ein Wir-Gefühl zu entwickeln, das letztlich die eigentliche Basis für engagiertes, beherztes und vor allem auch verantwortungsbereites Mitdenken und -handeln ist»!

Zerrüttete Beziehung zum Vorgesetzten

So problematisch diese Zwiespältigkeit ist, sie ist nicht das entscheidende demotivierende Element im heutigen beruflichen Alltag. Demotivation ergibt sich «noch weit mehr», wie der Zusammenarbeitsspezialist und Geschäftsführer der Unternehmensberatung Coverdale Deutschland, München, Thomas Weegen, sagt, «aus sich wiederholenden unmittelbar unguten Begegnungen, aus sich summierenden situativen Misshelligkeiten, aus einem Gefühl zwischenmenschlicher Kälte, aus einem beschädigten, nicht selten vollkommen zerrütteten Verhältnis zum Vorgesetzten».

Aus dem Wissen um diesen Zusammenhang heraus mahnt auch die Motivationspsychologin und Selbstmanagementspezialistin Maja Storch von der Universität Zürich: «Für die erfolgreiche Führung eines Unternehmens ist es unter den heutigen Arbeitsumständen mehr als je zuvor unverzichtbar, sich die Bedeutung von Gefühlen für das Funktionieren eines Unternehmens bewusst zu machen.

Um das emotionale Potenzial im Sinne der subjektiven Arbeitszufriedenheit und der Leistungsoptimierung nutzen zu können, muss endlich begriffen werden, dass Gefühle ein entscheidend wichtiger Antrieb sind, dass sie enorm viel mit Motivation und Leistungswilligkeit zu tun haben.»

Und sie fügt hinzu: «Dies setzt allerdings voraus, dass die Führungskräfte in der Lage sind, die emotionalen Signale ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter richtig zu deuten und entsprechend darauf zu reagieren!» Dazu gehört für Storch neben der unverzichtbaren Empathie, dem Einfühlungsvermögen also, unbedingt auch verstehendes Zuwenden.

Denn nur dann, sagt sie, «haben Führungskräfte die Voraussetzungen, um geeignete Strategien zu entwickeln, um die Mitarbeiter engagiert mit ins Boot zu bringen und dort auch sicher zu halten».

Neue Leadership-Qualität

Wie richtig Storch liegt, zeigt die Dissertation «Soziale Kompetenz als strategischer Erfolgsfaktor für Führungskräfte» von Christine Scheitler. Klipp und klar belegt die engagierte, erfahrene deutsche Beraterin und Trainerin darin, dass im Fokus der heutigen Unternehmenswirklichkeit eine neue Leadership-Qualität steht, die zu wesentlich höheren Anforderungen an moderne Führungskräfte führen wird, insbesondere im Bereich der sozialen und personalen, also der Umgangs- und der Selbstführungs-Kompetenzen.

Scheitler hält in ihrer Dissertation fest: «Waren noch vor ein oder zwei Jahrzehnten die fachlichen und methodischen Kompetenzen einer Führungskraft hinreichende Garantien für zukünftige Erfolge, so sind es jetzt die sozialen und personalen Kompetenzen.»

Das heisst nicht, dass die fachlichen und methodischen Kompetenzen nun eine Randexistenz führen. Sie sind weiterhin die Grundvoraussetzung für eine umfassende Handlungskompetenz. Doch darüber hinaus, das zeigt Scheitler in ihrer Doktorarbeit, stellen die sozialen und personalen Kompetenzen heute einen ausserordentlich wichtigen strategischen Erfolgsfaktor dar.

Vor allem auch, um den gesellschaftlichen, ökonomischen und technologischen Wandel zu erkennen, zu verkraften und im Miteinander zukunftsweisende Massnahmen umzusetzen, die nicht nur das Überleben, sondern vor allem die Wandlungs- und Veränderungsfähigkeit eines Unternehmens und damit der beteiligten Menschen sichern.

Unreflektierte Druckverteilung

Doch mit diesen so notwendigen zwischenmenschlichen und menschlichen Kompetenzen ist es im betrieblichen Alltagsgeschehen noch nicht so weit her. Der enorme Druck, der von aussen auf die Betriebe einwirkt, wird in der Mehrzahl der Fälle unreflektiert nach innen weitergegeben. Und die Knappheit an Arbeitsplätzen bewirkt ein Übriges in Sachen «rauer Betriebsalltag».

So kommt denn auch Othmar Hill, Inhaber von Hill International, The Human Resources Partner, Wien, einem international arbeitenden österreichischen Personalberatungsunternehmen, zum Schluss: «Die meisten Manager unternehmen rein gar nichts, um ein förderliches Klima herzustellen.»

Dieses Verhalten sei Folge der «Minderschätzung humaner Ressourcen, Unwissenheit über die Möglichkeiten psychohygienischer Interaktion und des täglichen Drucks operativer Ansprüche».

Deshalb «ersticken manche Betriebe sozusagen im selbst produzierten Psycho-Müll»! Wodurch für ihn viele Unternehmen ihre «wertvollsten Humanressourcen opfern und damit ihre betriebliche Zukunftsfähigkeit beträchtlich schwächen».

Literatur zum Thema

Christine Scheitler: «Soziale Kompetenz als strategischer Erfolgsfaktor für Führungskräfte». Die Dissertation erscheint dieser Tage - in der Reihe «Europäische Hochschulschriften» im Peter Lang Verlag, Frankfurt. 330 Seiten, Euro 56,50.

Michael Kastner: Erfolgreich mit sozialer Kompetenz Das Programm für Menschen, die Verantwortung haben. Herder Verlag, Freiburg 2001, 320 Seiten, Fr. 21.90.

Barbara Langmaack: Soziale Kompetenz Verhalten steuert Erfolg. Beltz Verlag, Weinheim 2004, 256 Seiten, Fr. 36.

Rüdiger Hinsch/Simone Wittmann: Soziale Kompetenz kann man lernen. Beltz Verlag, Weinheim 2003, 180 Seiten, Fr. 36.

Friedemann Schulz von Thun: Miteinander reden - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Rowohlt Verlag, Reinbek, 40. Auflage 2004, 268 Seiten, Fr. 16.50

Albert Thiele: Argumentieren unter Stress wie man unfaire Angriffe erfolgreich abwehrt. Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt 2004, 279 Seiten, Fr. 44.

Roger Fisher/William Ury/Bruce Patton: Das Harvard-Konzept. Der Klassiker der Verhandlungstechnik. Campus Verlag, Frankfurt/ Main, 22., durchgesehene Auflage 2004, 268 Seiten, Fr. 43.70.

Robert B. Cialdini: Die Psychologie des Überzeugens - Ein Lehrbuch für alle, die ihren Mitmenschen und sich selbst auf die Schliche kommen wollen. Verlag Hans Huber, Bern, 3. Auflage 2004, 367 Seiten, Fr. 44.80.

Veranstaltungshinweis

Am 22. Juni findet das HR-Forum 2005 statt. Informationen über und Anmeldungsmöglichkeiten für diese «HandelsZeitung»-Tagung im Gottlieb-Duttweiler-Institut finden Sie unter www.euroforum.ch.

So lassen sich Erfolgspotenziale erschliessen

Sozialkompetentes Verhalten: Keine romantische Schwärmerei, sondern ökonomische Notwendigkeit: «Intelligenz, Bildung und Wissen, Fleiss, Disziplin, Beharrlichkeit und Leistungsmotivation reichen keinesfalls aus, um Erfolg zu haben.», sagt der Arzt und Psychologe Michael Kastner, Professor für Organisationspsychologie an der Universität Dortmund und Leiter des Instituts für Arbeitsmedizin und Arbeitspsychologie in Herdecke.

Doch wo oder wie sind unsere Mitmenschen im Allgemeinen und Interessenten, Kunden, Mitarbeiter im Speziellen «zu packen»? Wie lassen wir freundliches Geneigtsein im beruflichen wie privaten Leben entstehen? Wie bewahren wir es uns auf Dauer? Wie vermeiden wir, dass die «Gepackten» hinterher nicht das ungute Gefühl beschleicht, nur für die eigenen Absichten instrumentalisiert oder sonst übervorteilt worden zu sein?

Auch hier weiss Kastner Rat. «Indem man sich sozialkompetent verhält», sagt er und meint damit, privat, beruflich oder im gesamtgesellschaftlichen Kontext selbstständig, umsichtig und nutzbringend zu handeln. Was bedeutet das:

- Umsichtiges Handeln: Umsichtig handelt, wer in sein Denken, Handeln und Trachten mehr als einen Aspekt oder eine Sichtweise einbezieht. Kurz, wer auch unter Druck und in Eile stets darauf achtet, etwas differenzierter und über den Tellerrand des Augenblicks hinauszudenken. Denn das stiftet aller Erfahrung nach Nutzen!

- Nutzbringendes Handeln: Nutzbringend handelt, wer nicht nur die eigenen Vorstellungen, Absichten und Interessen zum Mass aller Dinge, Ziel allen Trachtens und Leitline seines Handelns macht, sondern den eigenen Nutzen im gemeinsamen Nutzen sucht. Fachleute nennen dieses Vorgehen Win-win-Strategie. Ihr Kennzeichen ist, dass sie nicht stets einen triumphierenden Gewinner und einen frustrierten Verlierer schafft, sondern darauf abzielt, dass beide Seiten gleichermassen zufrieden gestellt werden.

Deshalb ist auch nur höchst selten der beinharte Macher, der knallharte Durchsetzer oder der Typ, der über Leichen geht, um seine Ziele zu erreichen oder seine Interessen durchzusetzen, der Prototyp des oder der Erfolgreichen schlechthin. Einen Betrieb ansprechend, solvent und auf der Höhe der Zeit zu halten, ist heute ein hartes Geschäft. Aber es erfordert nicht zwangsläufig die sich ausbreitenden harten Verhaltensweisen.

Der Aggressionsfachmann Jens Weidner, Professor für Kriminologie und Erziehungswissenschaften an der Fachhochschule Hamburg, bezeichnet denn auch «einen Unternehmer oder Manager ohne menschliches und situatives Einfühlungsvermögen» als «fehl an seinem Platz»! Und mehr noch. Er ist für ihn «nicht nur eine beachtliche Störgrösse, sondern ein potenzieller Gefahrenherd für sein Unternehmen».

Für den Organisationspsychologen Michael Kastner ist deshalb «Sozialkompetenz» keine sozialromantische Schwärmerei, sondern aus zwei wesentlichen Gründen unabdingbar und ökonomisch nützlich:

1. Was uns krank macht, ist nicht viel zu arbeiten, sondern das menschliche Miteinander in Form von Neid, Missgunst, Ungerechtigkeit, ärgerli-cher Kommunikation usw. In einer sozialkompetenten Umgebung sind nachweisbar die Menschen gesünder, leistungsfähiger und motivierter.

Die meisten Konflikte, übrigens auch missratene Ehen und Erziehungen, entwickeln sich kaum auf der Basis unterschiedlicher Vorstellungen über Inhalte (Inhaltsaspekt der Kommunikation), sondern über den Beziehungsaspekt, die Art des Umgangs miteinander. So gesehen rechnet sich Sozialkompetenz auch ökonomisch.

2. Die zunehmende Dynamik und Komplexität (Dynaxität) der Produkte, Dienstleistungen und Prozesse bringen es mit sich, dass kaum einer die Probleme allein lösen kann. Wir brauchen Personen mit verschiedenem Wissen, die dieses in den gemeinsamen Problemlösetopf einbringen und anschliessend am selben Strang, am selben Ende, in dieselbe Richtung ziehen, die übrigens auch noch die richtige sein muss.