Die spektakulären Unternehmenszusammenbrüche der jüngeren Vergangenheit haben den Glauben der Öffentlichkeit an die Rechnungslegung, die wahrheitsgetreue Darstellung der finanziellen Lage durch die Unternehmen und den Nutzen der Wirt-schaftsprüfung beeinträchtigt. Ein gut funktionierender Kapitalmarkt bedingt einen einheitlichen, soliden Standard, ein «Fairplay» auf Seiten der Anwender, eine robuste Wirtschaftsprüfung und nicht zuletzt eine funktionstüchtige Börsenaufsicht. Auf allen Ebenen und weltweit wird derzeit mit Nachdruck daran gearbeitet, die bestehenden Schwächen des Systems auszumerzen. Die International Financial Reporting Standards (IFRS) sind die globalen Rechnungslegungsnormen der Zukunft.

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In Europa, Australien, Russland und anderen Ländern sollen börsennotierte Unternehmen ab 2005 nur noch IFRS anwenden. Die Schweizer Börse hat die hiesigen Fachempfehlungen zur Rechnungslegung (Swiss GAAP FER) vom Hauptsegment verbannt und lässt ab 2005 nur noch IFRS oder US Generally Accepted Accounting Principles (US GAAP) zu.

Wie reagiert der Standard-Setter also der International Accounting Standards Board (IASB) auf diese Entwicklungen? Der IASB wurde 2001 grundlegend erneuert, indem das alte Milizsystem, das zwischen der Gründung im Jahre 1973 und Ende 2000 41 Standards entwickelt hatte, durch einen vollamtlichen Board von 14 Mitgliedern ersetzt wurde. Diese Reorganisation erfolgte auf erheblichen Druck der amerikanischen Börsenaufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC), die eine Anerkennung der IFRS in den USA an die Bedingung knüpfte, dass der IASB nach US-Vorbild praktisch nur mit vollamtlichen Mitgliedern besetzt werde, die nicht nach ihrer geografischen Herkunft, sondern alleine nach ihren fachlichen Kompetenzen ausgewählt werden. Der grosse Vorteil dieser Neuordnung liegt darin, dass sie den Weg bereitet für einen globalen Rechnungslegungsstandard, der irgendwann an allen wichtigen Börsenplätzen der Welt zugelassen, wenn nicht gar vorgeschrieben, sein wird. Dadurch werden kostspielige und komplexe Überleitungen von IFRS auf US GAAP, wie sie beispielsweise europäische Unternehmen, die ihre Aktien in New York kotieren wollen, derzeit noch offen legen müssen, hinfällig, und die finanziellen Abschlüsse erfahren eine erhöhte Vergleichbarkeit.

Strategie

Der IASB verfolgt zurzeit drei strategische Zielrichtungen:

- Harmonisierung mit US GAAP, die vom Financial Accounting Standards Board (FASB) herausgegeben werden.

- Schaffung eines Standards für kleinere und mittlere, nicht börsenkotierte Unternehmen.

In Bezug auf die erwähnte Plattform nahm der neue IASB im Jahr 2001 unter dem Titel «Improvements Project» eine Generalrevision der bestehenden Standards in Angriff. Der Entwurf schlägt die Elimination diverser Wahlrechte vor, so zum Beispiel die Abschaffung der LIFO-(Last-in-First-out)Methode zur Bewertung von Warenvorräten, verbietet die Bezeichnung eines Aufwands oder Ertrags in der Erfolgsrechnung als «ausserordentlich» und verlangt zusätzliche Offenlegung von Ermessensspielräumen, Annahmen über zukünftige Entwicklungen und anderen Bewertungsunsicherheiten.

Weitere wichtige Projekte im Rahmen der zu schaffenden Plattform betreffen die Präzisierung der Bilanzierung von Finanzinstrumenten sowie die Schaffung eines ersten Standards für Versicherungsverträge. Zudem hat der Board seinen ersten Standard, bekannt als IFRS 1 First-time Adoption of IFRS, verabschiedet, der den zahlreichen Unternehmen angesichts des grossen Zeitdrucks helfen soll, mittels einiger Ausnahmeregelungen auf pragmatische und doch qualitativ genügende Weise ihre Rechnungslegung auf IFRS umzustellen. Die Umstellung hat immer auf das Anfangsdatum der Vergleichsperiode zu erfolgen, wobei der Anpassungsbedarf auf diesen Zeitpunkt erfolgsneutral dem Eigenkapital zu belasten oder gutzuschreiben ist. Die Effekte der Umstellung auf Gewinn und Eigenkapital der Vergleichsperiode sind im Detail offen zu legen.

Harmonisierung

Bezüglich der Harmonisierung mit US GAAP hat der IASB mit dem FASB eine Vereinbarung getroffen, die beide Parteien verpflichtet, ihre Standards zu durchleuchten und sich bei unterschiedlichen Normen auf die bessere Lösung zu einigen. Auf dem Arbeitsprogramm des IASB figuriert dieses Unterfangen unter anderen als «Convergence Project», das zu einer Vielzahl von (Teil-)Revisionen bestehender Standards führen wird. Im Rahmen des schon früher begonnenen Projekts «Unternehmenszusammenschlüsse» wird vorgeschlagen, in Angleichung an die amerikanische Rechnungslegung auf laufende Goodwill-Abschreibungen in Zukunft zu verzichten und stattdessen einen jährlichen Werthaltigkeits- bzw. Impairment-Test durchzuführen. Dass die sich daraus ergebenden erratischen Sonderabschreibungen die Volatilität der Ergebnisse massiv erhöhen werden, ist selbstredend.

Das «Pièce de Résistance» ist für die Amerikaner andererseits die vom IASB vorgeschlagene erfolgswirksame und verkehrswertgestützte Erfassung von aktienbezogenen Vergütungen wie Optionsprogrammen für Mitarbeitende, die in den USA bis in den Kongress auf grossen Widerstand stösst. Ein weiteres Teilprojekt betrifft die Neuregelung der Rechnungslegung für Personalvorsorgeverpflichtungen, wobei die zurzeit sowohl unter IFRS als auch unter US GAAP erlaubte verzögerte Erfassung versicherungs- und anlagebezogener Gewinne und Verluste in Leistungsprimatsplänen durch eine sofortige Verbuchung ersetzt werden soll. Dieser Vorschlag ist angesichts der jüngsten Erfahrungen unserer Pensionskassen mit Anlageverlusten besonders brisant.

Auch Nichtkotierte

Mit der Schaffung eines Regelwerks für kleinere und mittlere Unternehmen unterstreicht der IASB schliesslich seine Absicht, auch nicht kotierte Unternehmen für IFRS zu gewinnen und damit die Übernahme der IFRS in nationale Gesetzgebungen mittelfristig zu fördern. Ziel ist es, einen vereinfachten Standard zu schaffen, der grundsätzlich dieselben Erfassungs- und Bewertungskriterien verwendet, aber tendenziell weniger bzw. andere Darstellungs- und Offenlegungsnormen beinhaltet.

Fraglos begnügt sich Sir David Tweedie, Chairman des IASB, nicht mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner der vielen nationalen Rechnungslegungsnormen. Er sucht die Harmonisierung auf dem qualitativ höchsten Niveau. Der Gefahr, dem allzu detaillierten «Kochbuchansatz» der US GAAP zu verfallen, begegnet er mit der Beschränkung der einzelnen Standards auf die wesentlichen Grundsätze und der gleichzeitigen Verlagerung der Umsetzungshilfen («Accounting Guidance») in verschiedene Anhänge. Die Konzepte, mit denen uns der IASB konfrontiert, basieren zunehmend auf Verkehrswerten. Der Verkehrswertansatz erhöht einerseits die Aussagekraft der Jahresrechnungen, bringt andererseits aber nebst Volatilität grosse Ermessensspielräume und Bewertungsunsicherheiten mit sich, die nicht nur die Wirtschaftsprüfer, sondern auch die Bilanzleser herausfordern und wiederum nach detaillierter Offenlegung rufen.

Philipp Hallauer ist Partner und Leiter IFRS Advisory Services bei KPMG, Zürich.

Nachgefragt: Günter Haag, GL KPMG, Zürich

Warum braucht Europa neue Rechnungslegungsvorschriften?

Die Länder Europas und deren Aktienmärkte rücken immer näher zusammen. Es waren vor allem die Börsen, die auf international vergleichbare Rechnungslegungsvorschriften für kotierte Unternehmen gedrungen haben. Nun sollen ab 2005 die International Financial Reporting Standards (IFRS) in Europa und in einigen anderen Ländern zur Pflicht werden. Während die Schweiz schon früh mit der Einführung der Vorläufernormen International Accounting Standards (IAS) begonnen hatte bereits 1987 stellte Georg Fischer die Berichterstattung auf IAS um , gilt innerhalb der Europäischen Union noch ein Gestrüpp von nationalen Gesetzen.

Wäre es nicht einfacher gewesen, die bisherigen IAS-Vorschriften mit den US Generally Accepted Accounting Principles (US GAAP) zusammenzulegen, die ohnehin von einigen Schweizer Unternehmen befolgt werden? Eine Übernahme der US GAAP ist nie in Frage gekommen. Zwischen den beiden Standards besteht nämlich ein grosser Unterschied. Während die amerikanischen Vorschriften ausgesprochen regelbasiert sind, geht es bei den dynamischeren IFRS um Prinzipien, aus denen die zutreffenden Regeln abzuleiten sind. Die hohe Regelungsdichte der US GAAP beinhaltet eine gewisse Inflexibilität, denn es kann nicht für jeden erdenklichen Fall eine Regel geben. Das können findige Anwälte ausnutzen: So war die Enron-Geschichte zum Teil regelkonform und trotzdem irreführend. Abgesehen davon ist selbstverständlich viel von den USA übernommen worden. Als Beispiel für eine weitere Anpassung an die US GAAP dient der geplante Verzicht in den IFRS auf Goodwill-Abschreibungen.

Die IFRS-Vorschriften sind also flexibler. Birgt das aber nicht die Gefahr, sie könnten auch als Gummiartikel dienen? Nein. Für die Anwendung der in den Normen enthaltenen Grundsätze ist in Problemfällen ein so genanntes International Financial Reporting Interpretations Committee (IFRIC) des International Accounting Standards Board (IASB) zuständig.

Wie steht es mit den bisherigen Standards IAS 32 und IAS 39 für die Darstellung und Bewertung von Finanzinstrumenten? Hier laufen die Verhandlungen weiter, ohne dass bis jetzt ein Kompromiss gefunden werden konnte. Es handelt sich dabei um die anspruchsvollsten Standards überhaupt. Die Unternehmen sind stark gefordert aber auch die Wirtschaftsprüfer.

Welche Standards werden künftig die an der SWX kotierten Unternehmen einhalten müssen? Alle Schweizer Unternehmen, die am Haupttableau kotiert sind, werden ab 2005 IFRS oder US GAAP anwenden müssen. Die schweizerischen Fachempfehlungen zur Rechnungslegung (Swiss GAAP FER) werden nur für Unternehmen im Nebensegment zugelassen. Einige der kotierten FER-Anwender besonders Unternehmen mit einer grossen Auslandstätigkeit oder ausländischen Investoren haben aber schon angefangen, auf IFRS umzustellen. Demgegenüber werden vielleicht einige Firmen am Haupttableau ins Nebensegment überwechseln, um weiterhin nach FER zu berichten.

Werden die neuen Vorschriften grosse Umstellungen seitens der Wirtschaftsprüfungsbranche mit sich bringen? In der Schweiz weniger als bei unseren ausländischen Kollegen, indem wir hier über langjährige Erfahrungen verfügen. Bei KPMG bietet übrigens schon seit 2000 ein achtköpfiges Beratungsteam spezifische IFRS-Dienstleistungen an.

Interview: John Wicks