Auf der Suche nach einer Finanzierung für eine eigene Unternehmung vergessen junge Unternehmer oft, dass die Schweiz nicht das Zentrum der Welt ist. Experten empfehlen Firmengründern, sich auch im Ausland nach Investoren umzusehen, etwa über partizipative Finanzierung wie Crowdfunding oder bei Risikokapitalgebern.

Startup-Gründer in der Schweiz hätten häufig wenig internationale Ambitionen, sagt Harald Nieder, Partner bei der Zürcher Risikokapitalgesellschaft Redalpine Venture Partners, am 7. Innovationstag der Universität von Neuenburg. Der Unterschied etwa zu Israel, wo zahlreiche Firmen an der amerikanischen Technologiebörse Nasdaq kotiert sind, sei frappant.

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Wenig Mut zu Risikofinanzierung

In der Schweiz ist das Niveau an Finanzierung über den Risikokapitalmarkt weiterhin tief – auch wenn sich diese Art der Finanzierung innerhalb von drei Jahren verdoppelt hat. Von Wagnis- oder Risikokapital spricht man, wenn Beteiligungskapital jungen Unternehmen mit einem naturgemäss hohen Risiko, aber auch entsprechenden Wachstumschancen zur Verfügung gestellt werden.

2015 belief sich die Finanzierung mittels Risikokapital auf 676 Millionen Franken. Das ist wenig verglichen mit den 77 Milliarden Franken, die in den USA investiert werden, sagt Ruud Riem-Vis, Gründer der Neuenburger Firma Kizy Tracking, die sich auf die Lokalisierung und Rückverfolgung von Objekten spezialisiert hat. Durchschnittlich sammelt ein Unternehmen über diesen Weg in der Schweiz 5 Millionen Franken ein, verglichen mit 9 Millionen Franken in den USA.

Finanzierung im «Todestal» ist Knackpunkt

Das meiste Wagniskapital in der Schweiz konnten sich bisher Firmen in der Life-Sciences-Branche sichern. Das sind Geschäfte rund um Gesundheit, Pflanzenschutz, Lebensmittel und Saatgut sowie Biotechnologie. In diese Branche flossen im vergangenen Jahr 484 Millionen Franken an Risikokapital. Dazu kommen 130 Millionen Franken für Unternehmen, die in der Informations- und Kommunikationstechnologien tätig sind.

Die grösste Schwierigkeit besteht in der Schweiz darin, an Investitionen im sogenannten «Todestal» zu bekommen, wobei es sich um Summen zwischen 2 und 10 Millionen Franken handelt. Die Startfinanzierung sei meist einfacher zu bekommen, aber wenn man in die Produktions- und Entwicklungsphase eintreten wolle, sei es weit schwieriger, sagt Riem-Vis. Nach diesem Stadium seien die Investoren wieder interessierter.

Private Geldgeber als Alternative

Deshalb lassen sich viele Firmen in der Schweiz mit Potential aufkaufen, ergänzt der Neuenburger Unternehmen. Beispiele dafür sind etwa die Entwicklerfirma Bitspin, die ihre Wecker-App an Google verkaufte oder das Start-up Faceshift, das sich auf visuelle Effekte für Kinofilme und Computerspiele spezialisiert hat und von Apple übernommen wurde.

Die Finanzierung durch Risikokapital ist aber nicht die einzige Möglichkeit. Viele Unternehmen ziehen es vor, auf traditionellere Investoren zu setzen und damit langfristig die Kontrolle über ihr Unternehmen behalten zu können. Das ist etwa der Fall in bei der Firma Geosatis in Noirmont im Jura, die eine hochsichere elektronische Fussfessel mit GPS-Ortung entwickelt hat. Die Firma hat sich über private Investoren finanziert.

Mit kleinen Beträgen zum grossen Geld

«Viele Jungunternehmer machen vielleicht den Fehler, nach zu hohen Beiträgen zu suchen», sagte Mitgründer Urs Hunkeler. Geosatis habe deshalb auf Beiträge verschiedener Investoren von je 100'000 bis 200'000 Franken gesetzt. Es gebe einen gewissen Patriotismus in der Schweiz, weshalb viele Private ihr Geld gerne in Unternehmen anlegten, die Arbeitsplätze in der Region generieren.

Eine weitere Möglichkeit, um eine Anschubfinanzierung für das eigene Unternehmen zu erhalten, ist Crowdfunding. Crowfunding bezeichnet die Möglichkeit, im Internet für ein Projekt in einem bestimmten Zeitrahmen aus Einzelbeiträgen Geld zu sammeln. Diesen Weg ging etwa Thomas Steinemann, der übers Internet zu Beiträgen an die Neulancierung der Uhrenmarke Philippe DuBois aufrief, eine der ältesten Schweizer Uhrenmarken. Das Finanzierungsziel wurde erreicht und die Marke zählt aktuell über 800 Aktionäre aus aller Welt.

Crowdfunding nach am Anfang

Viele Kleinanleger seien unzufrieden mit ihren Investitionen an der Börse und zögen deshalb andere Investitionen vor, sagt Steinemann. Die Emotionen rund um ein Projekt, die Transparenz eines Unternehmens und die Nachhaltigkeit könne sie verführen.

Aber auch das Crowdfunding ist in der Schweiz noch auf tiefem Niveau mit etwa 15,8 Millionen Franken an gesammelten Geldern, wie eine Studie der Hochschule Luzern ergab. Weltweit stieg die Summe im vergangenen Jahr auf 3,4 Milliarden Dollar. In der Schweiz seien die über Crowdfunding investierten Summen gering verglichen mit denjenigen im Ausland, sagt Biba Homsy, Anwältin und Ex-Leiterin des Bereichs internationale Kooperation bei der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma.

Rechtliche Lage teilweise unklar

In Grossbritannien etwa würden viele Informationen zu diesem Thema bereitgestellt und die Aufsicht kommuniziere regelmässig, was das Vertrauen fördere. International gibt es keine einheitlichen gesetzlichen Regelungen dazu. In der Schweiz benötigen Crowdfunding-Plattformen und Projektentwickler unter bestimmten Bedingungen eine Bewilligung der Finma.

Die Finma diskutiert laut Homsy derzeit die Einführung einer neuen Bewilligungskategorie für Crowdfunding mit einer vereinfachten Zulassung. Auch im Parlament sind die Finanzierungsformen immer wieder ein Thema. So hat die Wirtschaftskommission des Nationalrats im November 2015 ein Postulat verabschiedet, welches den Bundesrat beauftragen soll zu prüfen, durch welche Massnahmen die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes im Bereich neuer Finanztechnologien gestärkt und verbessert werden kann, und den für die Umsetzung notwendigen Handlungsbedarf aufzuzeigen.

(sda/jfr/me)