Was ist eigentlich ein Spediteur? Ist es der Leiter der Versandabteilung eines Buchladens oder eines Pharmaunternehmens? Ist es der Inhaber eines Lastwagen-Unternehmens? Ist er Staplerfahrer, Chauffeur, Kurier, Paketschnürer? Oder ist er der Organisator von Transporten? Alle Antworten sind irgendwie richtig.

Die Branche der Speditions- und Logistikunternehmen sieht sich allerdings klassischerweise als Organisator von Transporten zu Land, zu Wasser und in der Luft, als Vermittler zwischen Carrier und Verlader, sozusagen als Reisebüro für Güter. Er bündelt dabei die Warenströme, konsolidiert viele kleinere Sendungen zu kompletten Ladungen und nützt die vorhandenen Transportmittel optimal aus. Er ist im Sinne des Gesetzes Kommissionär, der im eigenen Namen, aber auf Rechnung seiner Kunden Frachtverträge und andere Dienstleistungsverträge abschliesst.

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Anforderungen haben sich gewandelt

Die Anforderungen des Marktes haben sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Das Aufsteigen neuer Wirtschaftsmächte, die Liberalisierung des Welthandels, die Konzentration der Kunden auf ihr Kerngeschäft, der Kostendruck, der Zwang zur Optimierung der Abläufe eröffneten der Speditionswirtschaft ganz neue Chancen. Der Spediteur wandelt sich zum Generalunternehmer in Logistik. Viele Kunden lagern ganz oder teilweise die Beschaffungs-, die Distributions- oder die Entsorgungslogistik aus, um sich auf ihre Kernkompetenz zu konzentrieren.

Dies bedeutet für den Spediteur/Logistikdienstleister, dass er nicht mehr nur transportbezogene Tätigkeiten ausführt, sondern eben auch transportunabhängige. Unter den Begriffen Value added Services, Value added Logistics oder Kontraktlogistik bieten Spediteure heute zahlreiche Leistungen an wie beispielsweise: Kommissionieren, Verpacken, Handling von Bekleidung, Fakturieren, Konfektionieren, Endkontrolle, Gerätemontage beim Endempfänger sowie Reparatur- und Unterhaltsservice.

Die Diversifikation geht allerdings nicht nur in Richtung der nicht transportbezogenen Dienstleistungen. Der Markt verlangt auch, dass der Spediteur nicht nur den Transport organisiert, sondern die Verantwortung für den Transport selbst übernimmt, also eine Carrierhaftung. Der Spediteur stellt sich somit gegenüber dem Kunden, wie wenn er den jeweiligen Transport selbst ausführen würde, er wird zum Contracting Carrier. Gegenüber dem ausführenden Frachtführer, dem Performing Carrier, übernimmt er oft das Auslastungsrisiko. Reeder ohne Schiff (NVOCC = Non Vessel Operating Common Carrier), Airline ohne Flugzeug oder Camionneur ohne eigenen Lastwagen sind heute täglich angetroffene Rollen der Speditions- und Logistikunternehmen.

FRACHTENVERMITTLER müssen sich öffnen

Nicht nur die Speditionsbranche hat sich gewandelt, gewandelt hat sich auch die ganze Güterverkehrswirtschaft. Die ehemaligen Carrier diversifizieren oft in Richtung Speditions- und Logistikunternehmen und entwickeln sich selbst zu Generalunternehmen in Logistik.

Auch die Branche der Lagerhäuser macht diesen Wandel mit. Sogar ihr Verband hat die Konsequenzen daraus gezogen und sich vor zwei Jahren in den Verband schweizerischer Speditions- und Logistikunternehmen heute Spedlogswiss integriert.

Die Konkurrenzierung der Spediteure findet also nicht mehr nur innerhalb der Branche statt. Konkurrenten sind heute Carrier, Lagerhäuser, Integrators und gar ausgelagerte Speditionsabteilungen grosser Verlader. Von den Tätigkeiten her sind diese Branchen kaum mehr zu unterscheiden. Allenfalls ist die Sendungsgrösse noch ein unterscheidendes Kriterium, wie etwa bei den KEP-Unternehmen (KEP = Kurier, Express, Paket).

Die Branchenherkunft kann oft auch noch an den Betriebsabläufen festgestellt werden. So zeichnen sich Integrators nicht mehr dadurch aus, dass sie alles in einer Hand haben, das haben sie nämlich längst nicht mehr, sondern dadurch, dass ihre Prozesse wesentlich schlanker sind als die der klassischen Spedition und damit die Anzahl verarbeiteter Sendungen pro Mitarbeiter höher ist. Grund dafür ist, dass sie sich auf viel enger definierte Geschäftsfelder konzentrieren, sie übernehmen z.B. nur Collis mit gewissen Maximalgewichten und Massen, kein Gefahrgut, keine Nachnahmen, nur Prepaid-Sendungen usw.

ROLLE DER FOURTH PARTY LOGISTICS PROVIDER

Was ist überhaupt ein 4PL? Ein 4PL sollte die Dienstleistung für den Verlader erbringen, die dessen Versand- oder Speditionsabteilung eigentlich erbringen müsste. Einige erfolgreiche 4PLs in Deutschland sind auch so entstanden, nämlich aus ausgelagerten Speditionsabteilungen, wie etwa Lufthansa Technik Logistik GmbH. Nach heutigem Verständnis bündelt ein Fourth Party Logistiker (4PL) Fähigkeiten, Ressourcen und Technologien aus seiner eigenen und anderen Organisationen, um umfassende Lösungen für die Supply Chain zu entwickeln und zu betreiben. Seine Stärken liegen darin, dass er keine eigenen Transporte- und Lagerkapazitäten vorhalten muss, dass er neutral ist oder sein sollte und somit beweglicher ist, wenn es darum geht, sich auf Geschäftsprozesse der Kunden einzustellen.

Wie so vieles kommt dieser Ansatz aus den USA, was gemäss kritisch eingestellten Fachleuten eher einen neuen Steuerungsaufwand bedeutet und damit erhebliche Zusatzkosten hervorruft. Obwohl der wirkliche Unterschied zum 3PL, nämlich dem Spediteur, der integrierte Logistikdienstleistungen erbringt, klein ist, wird die Bedeutung dieser 4PLs, aber auch der Logistics Consultants wohl zunehmen. Grund dafür ist sicher der ungebrochene Trend der Verlader zum Auslagern und das Fehlen von Speditions- und Logistikfachleuten im mittleren Management bei diesen Verladern. Bei vielen so genannten 4PLs und den Logistics Consultants sind kein operatives Know-how und kein Detailwissen in den einzelnen Bereichen vorhanden. Somit können der 4PL und der Consultant lediglich «den Markt abklopfen» und versuchen, für Teilsegmente den jeweils günstigsten Anbieter, sei es in der physischen Güterlogistik, in der EDV oder welchen Gebieten auch immer, herauszufiltern. All dies stellt keine echte Neuigkeit dar, sondern beschränkt sich auf den Bereich des reinen Einkaufs.

unterteilt in zwei Kategorien

Viel wichtiger als die Zugehörigkeit zu einer Branche ist die Unterscheidung in die Kategorien Global Player und KMU-Spediteur. Global Player unterhalten in der Regel weltweite Netzwerke. Sie müssen diese füllen. Nicht zuletzt deshalb streben sie nach Kostenführerschaft im Transport. Daraus folgt fast zwingend eine Standardisierung ihrer Transportprodukte. Im Bereich Kontraktlogistik treten sie als Partner der verladenden Multis auf und können dank ihrer Finanzkraft und ihres informationstechnologischen Know-hows dieses Kundensegment wohl auch in Zukunft bestimmen.

Kleine und mittlere Speditions- und Logistikunternehmen haben zwar keine eigenen Netzwerke, aber oft starke bilaterale Verkehre. Mit massgeschneiderter Dienstleistung, welche auch die Kostenkomponente mit einschliesst, können sie mit den Grossen mithalten. Viele haben sich neben der Spezialisierung auf bestimmte geografische Destinationen auf die Herstellung von Nischenprodukten verlegt. Als Beispiele solcher Nischenprodukte können gelten: Projekttransporte, Schwerguttransporte, Textillogistik, Weinlogistik, teilweise gar Handel, sowie Pflanzen- und Blumentransporte oder Papierlogistik. Kleine und mittlere Speditionsunternehmen werden weiterhin Kunden an sich binden, die das Netzwerk eines Global Players nicht benötigen und die der persönlichen Kunden/Lieferantenbeziehung einen hohen Stellenwert beimessen.

Neutrale 4PLs, deren Mission es ist, für ihre Kunden den Best-in-class-Dienstleister zu finden, werden eben deshalb vermehrt auch auf mittelgrosse Anbieter zurückgreifen. Denkbar ist auch, dass KMU-Spediteure die Netzwerke der Grossen mitbenutzen, aber auch, dass Global Players KMU-Spediteure als Unterbeauftragte einsetzen, um vor Ort dem Kunden einen Tallor-made-Service zu bieten.

Insgesamt betrachten wir die Zukunftsaussichten der KMU wie auch der grossen Unternehmen der Speditions- und Logistikbranche als sehr gut.

Paul Kurrus, FDP-Nationalrat, Präsident Spedlogswiss, Verband schweizerischer Speditions- und Logistikunternehmen, Basel. Gekürzte Fassung des Referates an den von Euroforum/«HandelsZeitung» organisierten Internationalen Transport-Tagen 2002 in Basel.

CHANCEn der GLOBALISIERUNG

Spediteure bleiben gefragt

Eine Chance für die Speditions- und Logistikbranche ist die irreversible und weiter fortschreitende Globalisierung. Die Kommunikation ist in den letzten Jahren dank der Informatisierung und Vernetzung ständig schneller und in den meisten Fällen effizienter geworden. Die physische Güterbewegung droht aber nach einer Beschleunigungsphase in den letzten 30 Jahren (Luftfracht, schnellere und bessere Strasseninfrastruktur usw.) bereits wieder langsamer zu werden und somit die Diskrepanz zwischen Information und Güterbewegung wieder zu vergrössern. Solange Güter noch nicht gebeamt werden können, ist der internationale Speditionslogistiker mehr denn je gefragt. Ebenfalls als ungebrochenen Trend sieht die Branche die Tatsache, dass sich der Handel und die Industrie auf ihre Kernkompetenz zurückziehen, um damit Kapitalbindung und Bindung von Management-Ressourcen reduzieren. Dies macht sehr oft auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht Sinn, denn Synergien sind beim Speditionslogistiker in diesem Bereich regelmässig besser realisierbar als beim Verlader. Dazu kommen dann noch die Know-how-Vorteile in Bezug auf Logistik, so dass der Entscheid von Handel und Industrie, ob «make or buy», auch künftig vermehrt bei «buy» liegen wird.