Es gab im Jahr 2003 Abzocker, es gab Versager, es gab den Durchschnitt – und es gab Lichtgestalten. Zusammen mit SF DRS präsentiert die BILANZ drei Menschen, die das Zeug zum Manager des Jahres haben und für den Swiss Award nominiert sind: Coop-Chef Hansueli Loosli, weil er mit seinen Neustrukturierungen hohe Risiken einging und gegenüber dem Konkurrenten Boden gutmachte. Filmproduzentin Ruth Waldburger, weil sie in ihrer Branche Herausragendes leistet und dafür am Filmfestival Locarno dekoriert wurde. Und Synthes-Stratec-Chef Hansjörg Wyss, weil er sich mit seinem Unternehmen in der Medizinaltechnik weltweit an die Spitze katapultierte.

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Mit dem Swiss Award werden Persönlichkeiten ausgezeichnet, die im Jahr 2003 etwas bewegt oder etwas Wichtiges für die Schweiz getan haben. Menschen, die durch Mut, Innovation, Kreativität oder Eigenwilligkeit auf sich aufmerksam gemacht haben. Der Preis wird in den Kategorien Wirtschaft, Politik, Kultur, Gesellschaft, Sport und Showbusiness vergeben – das Schweizer Fernsehen tut dies in Zusammenarbeit mit SwissLos, «Blick», «Schweizer Illustrierten», Radio DRS 1 und – für die Kategorie Wirtschaft – der BILANZ.

Zentral im Wahlprozedere war die so genannte Academy: 100 hochkarätige Persönlichkeiten des Landes, darunter etwa Noble-Biocare-Chefin Heliane Canepa oder Stararchitekt Jacques Herzog, wählten aus einer umfangreichen Liste die drei Kandidaten für den Swiss Award. Am 3. Januar überträgt SF DRS die Siegerehrung live. Das Publikum wählt zudem den Schweizer des Jahres.

Was haben die Anwärter in der Kategorie Wirtschaft geleistet? BILANZ präsentiert die drei Persönlichkeiten und ihre Meriten.

Kandidat 1:

Hansueli Loosli, der Umbaumeister

Hansueli Loosli (48), Vorsitzender der Coop-Konzernleitung, hat mit dem Umbau der Coop-Gruppe vom extrem föderalistisch strukturierten Unternehmen zum zentral geführten Konzern sein Meisterstück abgeliefert. Als Sohn einer Volg-Filialleiterin im aargauischen Würenlos ist er sozusagen an der Verkaufsfront aufgewachsen. In der Waro-Gruppe verdiente er sich seine ersten Sporen im Management ab und wechselte 1992 als Leiter der Warenbeschaffung und Chef des sanierungsbedürftigen Konsumvereins Zürich in die Coop-Gruppe.

1997 übernahm er die Geschäftsführung der Gruppe und baute diese in eine dynamische, schlagkräftige Organisation um (BILANZ 2/1999: «Achtung, fertig, Loosli!»). Aus den beim Amtsantritt noch 15 weitgehend autonom funktionierenden Regionalgenossenschaften schmiedete er in Rekordzeit eine einzige Genossenschaft mit einer klaren Entscheidungshierarchie und einem klaren Fokus im Detailhandel. Er trennte sich von der Coop-Bank (an die Basler Kantonalbank verkauft) und von den Coop-Versicherungen (an National) und ergänzte das Detailhandels-Portefeuille durch die Warenhauskette Epa und die Waro.

Überdies verpasste er der Gruppe eine klare Markenstrategie und eine Erweiterung der Vertriebskanäle (BILANZ 7/2001: «Wehe, wenn er loosgelassen»). Heute verfügt die Gruppe unter der Dachmarke Coop über die drei Segmente Kompetenzmarken (der ökologisch und sozial verträgliche Teil des Sortiments), Markenartikel (eher hochpreisig) und Eigenmarken (im heftigen Preiskampf mit der Konkurrenz). Zu den bereits etablierten Coop-Läden, den Coop-City-Warenhäusern, den Bau+Hobby-Märkten sowie dem Mineralölkonzern fügte er mit den Coop-Pronto-Filialen (Convenience-Shops) und Coop Vitality (Gesundheitsnahrung und Pharma) zwei neue Vertriebskanäle hinzu. Als erstes Detailhandelsunternehmen ist Coop mit dem Vollsortiment im Internetgeschäft.

Alle diese einschneidenden Massnahmen, die sich sozusagen zu einer «Neuerfindung» der Coop summieren, führten bei der Nummer zwei im schweizerischen Detailhandel zu einer enormen Dynamisierung. Seit Looslis Amtsantritt verzeichnet Coop ein höheres Umsatzwachstum als die direkte Konkurrenz, holt also in Sachen Marktanteil kontinuierlich auf. Das hat Hansueli Loosli, wie er immer wieder betont, gewiss nicht im Alleingang geschafft – die treibende Kraft hinter dem Umbau vom einkaufs- zum verkaufsgesteuerten Unternehmen ist er aber ohne jeden Zweifel.

Kandidatin 2:

Ruth Waldburger, die Filmunternehmerin

Ruth Waldburger ist in einem kleinen Markt eine seltene Grösse – und sprengt gleich mehrere Grenzen. Sie arbeitet mit namhaften Regisseuren wie Alain Resnais, Theo Angelopoulos, Robert Frank und Jean-Luc Godard zusammen.

Waldburger produziert aber nicht nur deren cineastische Kunstwerke, sondern auch Schweizer Unterhaltungsware. Mit «Katzendiebe» setzte sie 1996 die Schweizer Kinokomödien-Welle in Gang, in denen sie TV-Stars wie Beat Schlatter und Patrick Frey als Zugpferde einsetzte. Es folgten mit einem Budget von 2,8 Millionen Franken «Komiker» – wieder mit Schlatter und Frey – sowie «Ernstfall in Havanna» mit Viktor Giacobbo. Der zuletzt genannte Film war mit einem Budget von 3,3 Millionen Franken für Schweizer Verhältnisse zwar überdurchschnittlich teuer, geriet aber mit über 300 000 Zuschauern auch zum bisher grössten heimischen Kinoerfolg der Produzentin.

In Ruth Waldburger vereinigt sich die Begeisterung für elitäres Filmschaffen mit der guten Nase für publikumsträchtigen Stoff. Sie ebnete Brad Pitt 1991 mit der Hauptrolle in «Johnny Suede» die Weltkarriere, hat über 40 Spielfilme koproduziert. Einige ihrer Filme wurden an den Festivals in Berlin, Cannes, Venedig und Locarno ausgezeichnet. Sie setzt mit ihrer Mitte der Achtzigerjahre gegründeten Produktionsfirma Vega in Zürich jährlich bis zu zehn Millionen Franken um. Das entspricht rund der Hälfte des eidgenössischen Filmkredits, der per annum an die gesamte Branche ausgeschüttet wird.

Wer solches im Filmbrachland Schweiz erreichen will, muss kompromisslos, zielstrebig und hartnäckig sein, aber auch gewieft lobbyieren können. Waldburger ist Mitglied der Eidgenössischen Filmkommission (Ausschuss Fernsehen) und Initiatorin des wichtigen Produzentenverbands Garp. In ihrer Branche, in der alle auf die knapp bemessenen öffentlichen Gelder angewiesen sind, trägt ihr das mitunter den Vorwurf von Machtfülle und Einflussnahme ein. Geachtet wird sie gleichwohl: Anlässlich des Filmfestivals Locarno erhielt Waldburger dieses Jahr den Premio Raimondo Rezzonico für ihre Verdienste als unabhängige Produzentin. Gegenwärtig hat sie mehrere Projekte am Laufen, darunter Jean-Luc Godards «Notre musique» und die Komödien «Undercover» mit Viktor Giacobbo und «Ferienfieber» mit Beat Schlatter.

Swiss Award
Millionen-Gala


SF DRS überträgt am Samstag, 3. Januar, ab 20.15 Uhr die Swiss-Award-Millionen-Gala mit der Moderatorin Sandra Studer. Dabei kann das Fernsehpublikum unter den Nominierten der verschiedenen Kategorien per Telefon den Schweizer oder die Schweizerin des Jahres wählen. Als symbolischer Preis wird der Name des oder der Gekürten im Zentrum der Schweiz auf einem Fels verewigt – ganz präzis am geografischen Mittelpunkt auf der Aelggi-Alp in den Obwaldner Voralpen. Auch wer als Zuschauer an der Telefonwahl mitmacht, kann einen Preis gewinnen: Unter den Anrufenden wird ein VW Golf 2,0 TDI verlost. Zudem präsentiert Beni Turnheer die Ziehung von sechs Millionären unter den Besitzern eines Millionenloses.

Ruth Waldburger stammt aus Herisau, war einst Sekretärin bei Roger Schawinskis «Kassensturz», ist Mutter einer Siebenjährigen und legendäre Köchin sowie Gastgeberin. Legendär sind auch ihre Unlust, fotografiert zu werden, und ihre Wutausbrüche, wenn der Bund wieder mal eines ihrer Filmprojekte nicht fördern will.

Kandidat 3:

Hansjörg Wyss, das Phantom

Manchmal erscheint der 68-jährige Hansjörg Wyss an einer Bilanzpressekonferenz seines Unternehmens Synthes-Stratec – er ist jedoch garantiert schon über alle Berge, bevor sich anwesende Journalisten erste Fragen überlegen können. Der fünftreichste Mann der Schweiz scheut die Öffentlichkeit.

Dabei hat der Mann, der aus einfachen Verhältnissen stammt, eine Traumkarriere auf Weltniveau vorzuweisen. Eigenwillig, forsch und ohne je ein öffentliches Statement abzugeben, steuerte er sein Unternehmen auf Erfolgskurs: Seine Synthes-Stratec weist heute einen Börsenwert von 13 Milliarden Franken auf, die Gewinne steigen Jahr für Jahr stärker als die Umsätze, und seit kurzem zählt der Medtech-Konzern auch noch zu den wenigen global tätigen Unternehmen der Schweiz (BILANZ 11/2003: «Viel Fleisch am Knochen»).

Dabei hatte alles ganz klein begonnen – vor 29 Jahren in den USA. Dort wollte eine Gruppe von Schweizer Chirurgen mit ihrem neuen System zur Behandlung von Knochenbrüchen Fuss fassen. Europaweit hatte sich das Verfahren bereits durchgesetzt, das Platten und Schrauben zur Fixierung des Knochens verwendet. Doch in den USA schien es weit schwieriger zu sein, die Chirurgen vom modernen Verfahren zu überzeugen. Der Übersee-Ableger stand drei Jahre nach seiner Gründung vor der Pleite. Erst als Wyss 1977 auf die Kommandobrücke stieg, kam das «Knochengeschäft» in die Gänge. Und zwar so massiv, dass Synthes 1999 die im gleichen Sektor tätige Schweizer Stratec (vormals Straumann) übernehmen konnte, obwohl diese schon viel länger den europäischen Markt beackert hatte. Letzten Sommer setzte Wyss seine Einkaufstour fort und schnappte sich das im asiatischen Markt tätige Medtech-Unternehmen Mathys aus Bettlach. Damit ist Synthes-Stratec unangefochten die Nummer eins im Weltmarkt.

Wyss selbst dachte nie an Ausverkauf, auch wenn er sich schon mal von amerikanischen Medtech-Multis hofieren lässt. 1989 hat Wyss die Synthes den Chirurgen zu einem Spottpreis abgekauft. Und bestimmt bis heute uneingeschränkt die Geschicke des Unternehmens: als Mehrheitsaktionär, CEO und Verwaltungsratspräsident. Die Schaltzentrale des Unternehmens liegt nach wie vor in den USA, wo der gebürtige Berner auch die meiste Zeit verbringt. Wenn er einem nicht gerade in heimischen Gefilden inkognito über den Weg läuft – bevorzugterweise an Skirennen im Berner Oberland, dem Engadiner Langlaufmarathon oder auf dem Tennisplatz gleich um die Ecke.