Als an einem dieser tristen Novembertage 2004 der Swiss Venture Club (SVC) vor zahlreichem Publikum den Unternehmerpreis Ostschweiz verlieh, stand Franziska Tschudi auf der Olma-Bühne in St. Gallen. Sie präsidierte die Jury, welche die Softwarefirma Abacus Research vor fünf Konkurrenten für den Spitzenplatz auserkoren hatte. Sie hatte dafür gesorgt, dass Thomas Köberl, einer der Abacus-Gründer, den Preis erhielt: eine zweiwöchige Managementweiterbildung in Stanford, USA. Tschudi gilt selber als äusserst engagierte Managerin. Sie leitet die Wicor-Gruppe in Rapperswil, eine international tätige Technologiefirma.

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Der Unternehmerpreis Ostschweiz wurde letztes Jahr zum ersten Mal verliehen. Mentor der Idee ist Hans-Ulrich Müller, Leiter Firmenkunden KMU Schweiz der Credit Suisse und Präsident des SVC. Als er Tschudi anfragte, ob sie beim SVC mitmachen wolle, habe sie spontan Ja gesagt: «Ich finde die Idee gut, herausragende Unternehmensgeschichten an die Öffentlichkeit zu bringen.» Die Botschaft des SVC liege ihr am Herzen: «Unternehmertum ist eine gute Sache, und die KMU sind solide Werte in der Schweizer Gesellschaft.»

Abacus steht für Tschudi vorbildlich für dieses innovative Unternehmertum. Die Firma wurde 1985 von drei in einer Wohngemeinschaft lebenden HSG-Absolventen gegründet. Seither ist sie ständig gewachsen und beschäftigt heute 150 Mitarbeiter. Sie bietet eine breite Palette von Softwarelösungen für mittelständische Firmen an und ist in diesem Bereich mittlerweile Schweizer Marktführer. Thomas Köberl sagt: «Wir waren sehr erfreut, dass wir in die Endrunde kamen und dann den Preis auch noch gewannen.» Den Grund sieht er in der besonderen Firmenkultur von Abacus. Die Gründer arbeiten alle weiterhin voll in der Firma mit, das Unternehmen hat eine flache Hierarchie und ist stark teamorientiert. «Wir brauchen», sagt Köberl, «selbstständig agierende Leute in unserem Betrieb.»

Die Erfolgsgeschichte der SVC-Unternehmerpreise begann indessen nicht in der Ostschweiz, sondern in Bern. Dort hatte Hans-Ulrich Müller 2003 die Idee, einen Unternehmerpreis für die Region Bern zu stiften. Müller war damals Präsident der Berne Venture Group, deren Ziel es war, Start-ups und KMU Risikokapital zur Verfügung zu stellen. «Ich habe mir gesagt, ich gehe mit gutem Beispiel voran, stifte den Preis für eine Managementausbildung in Stanford persönlich und schaue, was dabei herauskommt», erzählt Müller heute. Dazu gründete er mit Gleichgesinnten den Venture Club of Berne, der ein Jahr später in den SVC umfirmiert wurde.

«Wir haben damals aus fünfzig bis sechzig Unternehmen drei ausgewählt, gingen diese mit der Jury besuchen und bestimmten die Preisträger», sagt Müller rückblickend. Der Hauptpreis ging an die DT Swiss, heute Weltmarktführerin für Velo- und Motorradspeichen. Die Firma ist aus den Drahtwerken Biel entstanden, denen der Konkurs drohte. Müller erinnert sich an die Gründung der DT Swiss: «Drei Leute sagten, das lassen wir nicht zu.» Und versuchten einen Neustart. Für sie sei es schwierig gewesen, die erforderlichen fünf Millionen Franken aufzutreiben. Zusammen mit Banken und privaten Investoren wurde dennoch eine Lösung gefunden. «In der Schweiz», sagt Müller, «werden Firmen, die am Ende sind, zu schnell aufgegeben, statt dass durch Innovation ein Neustart versucht würde.» Dagegen möchte er antreten.

Doch Start-ups will der SVC nicht prämieren und auch nicht Firmen in einer Turnaround-Phase. «Wir zeichnen gezielt Firmen aus, die in ihrer Region nachhaltig Werte geschaffen haben und über längere Zeit unternehmerischen Durchhaltewillen und Innovationskraft bewiesen haben», sagt die Ostschweizer Jurypräsidentin Franziska Tschudi. Bislang wurden drei regionale Unternehmerpreise verliehen, in der Westschweiz, in der Ostschweiz und im Espace Mittelland. Der Letztgenannte wurde im Februar bereits zum dritten Mal verliehen, an die Firma Spirig Pharma, eine führende Firma in den Bereichen Sonnenschutz und Generika, die in Egerkingen SO domiliziert ist. Vor Jahrzehnten aus einer Apotheke entstanden, beschäftigt Spirig derzeit 206 Mitarbeiter, mit ständig steigender Tendenz.

Nächstes Jahr will der SVC sieben regionale Unternehmerpreise verleihen, für jede Wirtschaftsregion einen. Jeder Unternehmerpreis verfügt über ein Organisationskomitee und eine Jury mit Exponenten aus der regionalen Wirtschaft, Politik und Kultur. Im Espace Mittelland etwa sitzen FDP-Nationalrat Johann N. Schneider-Ammann und Ypsomed-Chef Willi Michel in der Jury, in der Westschweiz Nestlé-Managerin Nelly Wenger, ehemalige Expo.02-Chefin. Gottlieb Keller, Geschäftsleitungsmitglied von Roche, hat sich der Jury für den Unternehmerpreis Nordschweiz angeschlossen, der im Oktober verliehen wird. Für alle Preise besteht ein einheitliches Ausleseverfahren. Die Jury erstellt eine so genannte Longlist mit ungefähr hundert Unternehmen. Darauf teilt die Unternehmensberatungsfirma McKinsey die Kandidaten anhand eines Kriterienkatalogs in verschiedene Kategorien ein. Von jedem Kandidaten wird ein zweiseitiges Factsheet verfasst. «Dies alles», sagt Hans-Ulrich Müller, «geschieht unentgeltlich, niemand wird bezahlt.» Aus diesen Unterlagen entsteht eine Shortlist von 25 Firmen, mit denen Telefoninterviews geführt werden. Danach werden die sechs Firmen nominiert, welche in die Endrunde kommen. «Nach ausführlichen Firmenbesuchen bestimmt die Jury die endgültige Rangliste.»

Christian Pflugshaupt, Chef von Spirig Pharma, hat die Nomination seiner Firma als Wechselbad der Gefühle erlebt: «Wir waren im Moment sehr überrascht, dass wir in die engere Wahl gekommen sind», sagt er. Und eines Tages ist dann eine illustre Schar mit dem Bus angereist, die den Spirig-Chef mit ihrem Interesse ziemlich forderte. Er musste erklären, wie sich die Pharmafirma von anderen ähnlichen Unternehmen unterscheidet, was aus dem Stegreif nicht gerade einfach war. Die Crew war genau eine Stunde da. 20 Minuten lang musste Pflugshaupt die Firma präsentieren, während 20 Minuten wurde der Betrieb besichtigt, und 20 Minuten lang war das Management «einem Kreuzverhör unterworfen».

Sozialkompetenz, Nachhaltigkeit, Innovation: Dies sind wichtige Kriterien für den Unternehmerpreis des Swiss Venture Club. Dass subjektive Momente eine Rolle spielen können, streitet SVC-Präsident Müller nicht ab. «Wir bewerten einen Mix von harten und weichen Faktoren», sagt er. Aber die verschiedenen Jurys hätten einen gewissen Ermessensspielraum, der emotionale Motive nicht ausschliesse. «Absolute Gerechtigkeit», so Müller, «gibts nicht, jeder der sechs Endnominierten könnte Sieger sein.»

Den SVC auf den Unternehmerpreis zu reduzieren, wäre indessen falsch. Er will auch Netzwerk und öffentlichkeitswirksamer Resonanzraum für die KMU sein. Über die ganze Palette von KMU hinweg soll er als Plattform zur gegenseitigen Information dienen. Die Vision Müllers ist, dass die Mitglieder gemeinsam unternehmerische Ideen generieren und Erfolgsgeschichten anderer in eigene ummünzen. Dazu dient in erster Linie das SVC-Forum, dessen Ziel es ist, mit Partnern regionale Informationsveranstaltungen durchzuführen – zum Beispiel zum Thema Nachfolgeregelung.

Ein weiteres Tätigkeitsfeld des SVC sind die Finanzierungen. Die Idee dahinter ist es, den KMU den Zugang zu alternativen Geldquellen zu erleichtern. Drei Projekte sind in der Pipeline. In der Rechnung 04/05 des SVC sind dafür 125 000 Franken zurückgestellt. Das Projekt «Mezzanine» bezweckt, Firmen mit zu dünner Eigenkapitaldecke nachrangige Darlehen zu vermitteln. Das Projekt «Mikrofonds» will Kleinunternehmen ohne Kapital den Start ins Geschäftsleben ermöglichen. Vorgesehen sind Beträge von 25 000 bis maximal 150 000 Franken. Die Investorenanlässe, die dritte Finanzierungssäule, sind mittlerweile aus dem Projektstadium herausgewachsen. Müller lud im vergangenen Oktober 70 SVC-Mitglieder in den Berner Technopark ein und liess zwei Start-ups ihre Geschäftsidee präsentieren. Die Cellntec, ein Spin-off der Uni Bern, stellt künstliche Gewebe her, die Tierversuche ersetzen sollen. Sie suchte für ihren Start eine Million. 900 000 Franken kamen an diesem Abend zusammen, 100 000 konnte Müller anderweitig beschaffen. «Das Start-up hat gute Chancen weiterzukommen», sagt Müller. Und Swiss Luggage SL hat einen Kohlefaserkoffer der Luxusklasse entwickelt, der die Hälfte eines herkömmlichen Koffers wiegt. «Beide Firmen», so Müllers Fazit, «profitierten von diesem Anlass.» Der SVC hat sich in einem weiteren Feld bewährt.