Auch das noch. Leise, fast klandestin hat Prinz Al-Walid, gemäss dem US-Magazin «Forbes» achtreichster Mann der Welt, ein Stück Schweizer Wirtschaftsgeschichte eingetütet. Swissôtel, einst stolze Swissair-Tochter, gehört seit wenigen Tagen seiner Kingdom Holding mit Sitz in Riad, Saudi-Arabien.

Der neue Besitzer, Prinz Al-Walid Bin Talal Abdul Aziz Al-Saud, so sein offizieller Name, hat ein Faible für die oft kritisierte Schweizer Hotellerie. Neben den 26 Swissôtels hat er sich weitere Häuser der oberen Hubraumklasse angelacht, so das Hôtel des Bergues in Genf, das Montreux Palace in Montreux. Dazu hält er ein Drittel an der Mövenpick Hotels & Resorts, die weltweit 55 Etablissements betreibt. Mit der jüngsten Arrondierung in der Schweiz hat Al-Walid nun bei 260 Top-Hotels das Sagen.

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Der Swissôtel-Deal wurde in Genf abgewickelt. Am Quai du Général-Guisan werden all seine globalen Investments ausgeheckt, abgewickelt und bewirtschaftet. Das gibt einiges zu tun: Al-Walid hält Beteiligungen im Wert von rund 25 Milliarden Franken. Sein Vorposten bei der Citigroup in Genf, ein Family Office der Sonderklasse, wird vom Amerikaner Michael Jensen geleitet; seit 13 Jahren berät dieser den Prinzen in sämtlichen Kapitalfragen.

In Absprache mit Al-Walid liefert Jensen erstmals exklusiven Einblick in die Schatzkammer in Genf. Jensen (61) ist übermüdet. Am Vortag ist er von einem Afrika-Trip zurückgekehrt. Zusammen mit Al-Walid hat er ein stattliches Programm absolviert. 13 Länder in 6 Tagen. Unzählige Präsidentenhände hat man geschüttelt, ein paar Millionen Dollar für Wohltätiges verteilt, dazwischen Investments besichtigt.

Geht der Prinz auf Reisen, tut er dies mit einer eigenen «Air Force» (Jensen). Vorneweg fliegt der Prinz samt Hofstatt im Jumbojet, ein Airbus A340 dient als Back-up («damit Seine Hoheit keine Termine verpasst»), der Businessjet Raytheon Hawker 800A kommt auf Provinzflughäfen mit Kurzpiste zum Einsatz.

Alle reden von Asien, der Prinz und seine Investmentcrew aus Genf von Afrika. Jensen: «Seine Hoheit ist überzeugt: Der Kontinent steckt voller Opportunitäten.»

Neben dem Hotelgeschäft treibt er Start-ups voran, in Südafrika betreibt er mit HSBC eine Bank. Auch für Mövenpick Hotels & Resorts spurt er im Süden vor. Insgesamt fünf Häuser sind allein in Kenia geplant. «In Afrika gibts zu wenig Hotels», lautet die Analyse.

Investiert wird nicht nur in Immobilien, noch lieber schiebt der Prinz sein Management nach. Das «Four Seasons» in Damaskus etwa wird lokal finanziert, Al-Walid liefert Know-how und Connections. Seine Hoheit habe das Hotel-Management-Konzept neu erfunden, doziert der smarte Jensen im blauen Snap-Tab-Shirt mit Goldmanschetten und mit Jaeger-LeCoultre Reverso am Handgelenk. Mit diesen Management-Verträgen lässt sich an den grossen Bruttoerlösen verdienen und nicht an den kleinen Nettoeinkünften. Zudem ist das Risiko beschränkt.

In Genf arbeitet ein Team von sieben Spezialisten für den Prinzen. Sie beraten und bewirtschaften seine Cash-Konten, auf denen häufig mehrere Milliarden Dollar liegen. Jensen leitet das Team, zwei Analysten prüfen Anlagen, zwei betreiben Cash Management, ein Buchprüfer und ein Jurist überwachen Transaktionen und Verpflichtungen.

Jensen, der aus Los Angeles stammt, kennt das Business à fond. Er heuerte nach einem Studium an der UCLA bei der Citibank an, arbeitete in São Paulo, Manila, Seoul, Bogotá, Tokio, London, dann wechselte er nach Genf.

Die Vorgaben sind klar: «Seine Hoheit sucht nach Firmen, die einen starken Namen haben, ein exzellentes Management und einen attraktiven Preis.» Da passte Swissôtel und Mövepick Hotels & Resorts offenkundig hinein. Intern kursiert eine so genannte Inventory List, ein Tableau mit jenen Firmen, die auf dem Radarschirm des Prinzen figurieren. Darunter sind auch Schweizer Firmen, bestätigt Jensen. Nähert sich der Aktienkurs einer Firma aus der Liste dem fixierten Einstiegspreis an, wird zugeschlagen.

Prinz Al-Walid bricht, nachdem er sich drei Jahre zurückhielt, mit dem Swissôtel-Zukauf zu neuen Ufern auf. Verdaut sind die geplatzten Internet-Träume, vergessen die 200 Millionen Dollar, die er auf die Pleitefirma WorldCom setzte, weggesteckt das 100-Millionen-Investment in Priceline.com.

Viel lieber verweist Jensen auf frühere Shopping-Touren des Prinzen, jene bei der Citigroup (Anteil 4 Prozent), bei Apple (5 Prozent), bei News Corporation (5 Prozent), bei Procter & Gamble (1 Prozent). Letztere war ganz nach dem Geschmack von Al-Walid. Anfang 2000 halbierte sich der Aktienkurs auf 27 Dollar – optimal für einen Einstieg. Heute ist das Paket bei Procter & Gamble zwei Milliarden wert.

Angestrebt wird eine Kapitalrendite von 20 Prozent. Gemäss Jensen hat Al-Walid diese Vorgabe mit den globalen Investments übertroffen, unter 20 Prozent liege er nur in Afrika. Überprüfbar ist diese Aussage nicht, zu viele Beteiligungen sind nicht öffentlich. Lebensstil, jüngste Akquisitionen und all die globalen Charity-Aktivitäten lassen auf einen soliden Profit schliessen.

Al-Walid, Enkel des saudischen Staatsgründers Al-Saud und Mitglied des Königshauses, ist der Poster Boy des Wüstenstaates, gut aussehend, erfolgreich, spendabel, weltoffen. «Seine Hoheit ist ein grosser Freund Amerikas», meint Jensen. Vor allem aber ist er ein Workaholic. Verbringt er wie letzten Winter ein paar Tage im Schnee von Jackson Hole, Wyoming, klappert er zwischendurch mit seiner Air Force ein paar Geschäftspartner ab: Disney-Chef Michael Eisner in Burbank, Apple-Chef Steve Jobs in Cubertino, Sun-Chef Scott McNealy in Santa Clara. Anschliessend geht es in gestrecktem Galopp nach Redmond zum Nachtessen mit Bill Gates, um schliesslich die Skiferien mit einem Trip nach Houston, Texas, abzurunden, wo er den früheren US-Präsidenten George Bush trifft. Auf den Odysseen durch alle Kontinente ist Banker Jensen stets dabei. Der Spruch ist leicht nachvollziehbar: «Bin ich mit Seiner Hoheit unterwegs, ist der Adrenalinspiegel ziemlich hoch.»

Die Action ist ganz nach seinem Gusto. In der kargen Freizeit fliegt Jensen Helikopter, oder er übt sich im Fallschirmspringen. Und was meint seine Gattin zu seinem High-Octan-Job? Gewiss, manchmal sei sie nicht ganz so begeistert wie er.

Derweil sind der Blaublütige und sein Kämmerer ein schier unzertrennliches Paar. 10- bis 15-Mal ruft der Prinz in Genf an, am Tag. 80 000 Dollar sollen seine Telefonkosten betragen, im Monat. Hantiert Al-Walid nicht grad mit dem Satellitentelefon, pflügt er durchs Internet und stöbert simultan bei CNBC und Bloomberg nach verwertbaren News. An Feierabend ist da nicht zu denken. Im Arbeitsvertrag von Jensen ist explizit festgeschrieben, dass er rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, dem Saudi zu Diensten stehen muss.

Mit zunehmendem Alter wendet sich der 51-jährige Prinz grösseren Aufgaben zu. Gemäss Medienberichten soll er jährlich 100 Millionen Dollar für Gutes spenden. Aktenkundig sind ein paar Dutzend Millionen für Tsunami-Opfer in Fernost. Letztes Jahr liess er 20 Millionen Dollar aus seinem Füllhorn auf den Louvre regnen, um einen Museumsflügel mit islamischer Kunst zu installieren.

Auch in der Heimat will er wirken. In seiner Kingdom Holding in Riad stellt er vorzugsweise Frauen an, ihr Anteil beträgt bereits 60 Prozent. Die erste Pilotin Saudi-Arabiens gehört, Ehrensache, zur Cockpitcrew seiner Airline. Dazu sponsert er Universitäten in Nahost und in den USA, um die Verständigung zwischen Orient und Okzident voranzutreiben. Seine Hoheit will Brückenbauer sein, sagt Jensen.

Der nächste Kick rückt näher. Ende November bringt Al-Walid einen Teil seiner Kingdom Holding an die Börse in Saudi-Arabien. Allein diese 30 Prozent dürften sechs bis neun Milliarden Dollar in die Kasse spülen – Frischgeld, das wohl in weitere Firmen aus der Inventory List investiert wird. Falls der Eintrittspreis stimmt. BAR