Liebe Leserinnen und Leser

Als unser Magazin im Januar 1989 den Finanzjongleur Martin Ebner zum ersten Mal zum Mann des Monats kürte, sahen wir uns mit einem Problem der besonderen Art konfrontiert: Brauchbare Fotos des medienscheuen Börsentycoons existierten so gut wie keine, und als unser Fotograf sich ihm an die Fersen heften wollte, musste er sich in die Büsche retten – derart ungnädig setzte sich Ebner gegen einen Schnappschuss zur Wehr. Die BILANZ publizierte in der Not zum ersten Mal in der Geschichte des Blatts einen gezeichneten Cover-Boy.

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Fünfzehn Jahre später schliesst sich der Kreis. Diesmal setzt unser Hauskarikaturist Peter Gut Martin Ebner in Szene. Mit auf dem Bild: Christoph Blocher. Auch dies entbehrt nicht einer gewissen Symbolik: Der heutige Bundesrat ermunterte seinen Freund Martin Ebner 1985 dazu, seine BZ Bank zu gründen, und er schanzte ihm damals auch gleich erste Aufträge zu. Dieser Männerbund hält bis heute: Nach dem Beinahekonkurs von Ebners BZ-Imperium gewährte Blocher Ebner ein Privatdarlehen in dreistelliger Millionenhöhe und ebnete ihm so den Weg zurück ins Geschäft. Am 27. Mai, als Blocher im Zürcher Kongresshaus vor dem Verband Schweizerischer Polizei-Beamter (VSPB) einen Vortrag hielt, konfrontierte BILANZ-Autor Jörg Becher den Magistraten mit seinen Recherchen in der Causa Ebner und erntete eine viel sagende Antwort: «Ich gebe doch keine Auskunft darüber», meinte Blocher schelmisch, «wem ich privat allenfalls Geld leihe.»

Blocher hat grundsätzlich Recht. Der Vorgang ist Privatsache. Wäre da nicht die Kleinigkeit, dass es sich bei Blocher um ein Mitglied der Landesregierung handelt. Die Frage ist legitim: Lässt Bundesrat Blocher womöglich einen substanziellen Teil seines milliardenschweren Vermögens von seinem persönlichen Schuldner verwalten? Und könnten sich dadurch Interessenkonflikte in seinem politischen Amt ergeben? Nehmen wir an, Christoph Blocher besässe ein nennenswertes Aktienpaket, sagen wir, der ABB. Der SVP-Bundesrat sollte in diesem Fall in Fragen der Exportrisikogarantie in den Ausstand treten, denn der Technologiekonzern gehört zu den grössten Nutzniessern dieser staatlichen Fördereinrichtung. Blocher müsste das – in diesem fiktiven Fall – freiwillig tun, denn für weiter gehende Schritte bestünde «keine Rechtsgrundlage», wie im Frühjahr die neu zusammengesetzte Landesregierung beschied.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) fährt in Fragen möglicher Interessenkonflikte ihres leitenden Personals einen wesentlich strengeren Kurs. Als mit dem Berner Politologen Philipp Hildebrand ein ehemaliger Hedge-Fund-Manager ins SNB-Direktorium aufstieg, gaben sich die Währungshüter ein neues restriktives Reglement – eine eigentliche Lex Hildebrand. Es stellt sich die Frage, ob auf der Ebene des Bundesrates das existierende Freiwilligkeitsprinzip noch genügt, wenn Exponenten von der wirtschaftlichen Potenz eines Christoph Blocher dort Einsitz nehmen, die als Privatpersonen legitime und vielschichtige wirtschaftliche Interessen verfolgen (siehe Artikel zum Thema «Mann des Monats Martin Ebner: Die Auferstehung»).

8. Juni: Als BILANZ-Redaktor Albert Steck den Klotener Balsberg aufsucht, die ehemalige Kommandozentrale der untergegangenen Swissair, empfängt ihn Rolf Winiger, seinerzeit Konzernleitungsmitglied der SAirGroup. Er sitzt einsam im ehemaligen Chefbüro, einem Ort voller Geschichte: Hier sass schon Walter Berchtold, der legendäre Swissair-Chef, der vor über fünf Jahrzehnten die nationale Airline mit einem beherzten Manöver vor dem drohenden Konkurs rettete. Hier sassen dessen Nachfolger Armin Baltensweiler, Robert Staubli,
Otto Loepfe. Nur einer hat um dieses Eckbüro einen weiten Bogen gemacht: Philippe Bruggisser. Sein Name steht als Synonym für das Ende der Swissair (siehe Artikel zum Thema «Swissair: Der letzte Captain»).