Neue Clubs schiessen wie Pilze aus dem Boden. Jüngstes Beispiel ist das Pacha in Winterthur, ein Tanztempel für 1500 Partygänger. Doch die Sättigung ist längst erreicht.

beat schmid

Das halbe Zürcher Nachtleben brach am letzten Donnerstag Abend nach Winterthur auf, um an der Eröffnung einer neuen Disco tüchtig abzufeiern. Das ist aussergewöhnlich, denn normalerweise läuft der Partyverkehr in die umgekehrte Richtung. Okay, es ist nicht eben ein kleiner Provinzclub, der am Donnerstag seine Pforten öffnete, sondern ein Olymp der internationalen Clubszene oder zumindest eine Replika davon. Die Rede ist vom «Pacha», dem legendären Tanztempel auf der Partyinsel Ibiza, der jetzt eine Dépendance in der Eulachstadt eröffnet hat.

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Die geklonte Mittelmeerstimmung nach Winterthur geholt hat der Winterthurer Roger Diener, der mit der spanischen Pacha-Gruppe einen mehrjährigen exklusiven Franchisevertrag abgeschlossen hat. Der 43-jährige Club- und Disco-Betreiber ist ein alter Hase des Winterthurer Partylebens. Bereits vor 20 Jahren eröffnete er seine erste Disco. 1992 zog er dann an die Archstrasse beim Bahnhof, wo er mit einem Partner den Partyschuppen «Planet Maxx» eröffnete ein kommerzieller Erfolg. Im Jahr 1999 baute Diener um und eröffnete an gleicher Stelle das «Scarlett». Für rund 2 Mio Fr. liess Diener das Lokal im Sommer 2003 abermals umbauen; Palmen und landestypische Kacheln sorgen jetzt für iberisches Flair.

Diener hat genug von den schnellebigen Trends der Partyszene. Indem er nun auf den Import einer exquisiten Clubmarke setzt, hofft er sich diesen zu entziehen. Das könnte gelingen: Das Pacha gibt es seit 30 Jahren für ganze Generationen junger tanzverrückter Menschen war und ist es Teil der Sozialisierung. Gesprächsthema Nummer eins am Eröffnungsabend in Winterthur waren denn auch allerhand Ferienerinnerungen und Anekdoten über Ausschweifungen auf der Ferieninsel. Zu einem guten Stück baut der Winterthurer Clubverschnitt auf der Wiederaufbereitung dieser feucht-fröhlichen Erinnerungen auf.

Die Ausstrahlung des Brands und die Musik werden das Übrige tun. Ein entscheidender Erfolgsfaktor dürfte der verbilligte Zugriff auf ein exklusives DJ-Netzwerk sein, das das spanische Management mit den besten ihres Fachs gesponnen hat. Ohne Pacha-Mitgliedschaft käme die Verpflichtung eines Top-DJ dem Vernehmen nach auf etwa 30 000 Fr. zu stehen was sich heute ein unabhängiger Veranstalter nicht leisten könnte.

Es ist diese Mischung aus Labelkult und Kult-DJ, die den Laden in Winterthur zum Kochen bringen und Partyvolk in Massen nach Winterthur locken soll und auch muss. Denn für den rentablen Betrieb des 2500 m2 grossen und total 1500 Personen fassenden Etablissements und die Deckung der Franchisegebühren (Grund- und Umsatzbeitrag) muss das Lokal mindestens zur Hälfte gefüllt sein. Das dürfte trotz allem nicht einfach werden, denn das Angebot an Vergnügungslokalitäten für das angestrebte Zielpublikum der 20- bis 30-Jährigen im Grossraum Zürich ist gigantisch: Vor ein paar Wochen erst eröffnete das Lokal «El Divino» im Zürcher Zentrum, auch ein Ableger eines Clubs auf Ibiza, wo Promigrössen wie Jean Paul Gaultier, Naomi Campbell, Niki Lauda oder Roman Polanski ein und aus gehen sollen.

Dass es schwierig werden dürfte, der Partymetropole Zürich die Besucher abspenstig zu machen, ist auch Veranstalter Diener klar. Deshalb will der seine Gäste primär aus der Restschweiz, dem Süden Deutschlands und aus dem Vorarlberg rekrutieren. Doch das Zürcher Partypublikum will er trotzdem nicht ganz abschreiben. Für betuchte Städter hält Diener einen Shuttleservice mit Stretch-Limousinen zwischen einer Zürcher In-Bar und Winterthur bereit.

Die Zürcher Veranstalter werden es ihm verdanken. Denn eine zusätzliche Konkurrenz können sie nun wirklich nicht brauchen. Auch ohne Pacha ist das Zürcher Pflaster schon hart genug. Das konstatiert auch Arnold («Technopapst») Meyer, der wie Diener seit Urzeiten im Geschäft ist und Partys organisiert: «Seit Monaten befinden sich die Besucherfrequenzen in vielen Zürcher Tanzklubs auf Talfahrt», sagt der Mann, der den Techno in die Schweiz gebracht hat. In der Tat: Im berühmten «Kaufleuten» in der Innenstadt beispielsweise, wo früher vor dem Eingang lange Schlangen das Bild prägten, wird jetzt jeder aufgemotzte Vorstädter ohne Verzug an der Kasse vorbeigeschleust. Deutlich weniger Volk hats auch im einst wilden «Zoo»; die restriktive «Türpolitik» mit Irisscanner ist längst abgeschafft. Oder die «Säulenhalle», ein anderer Zürcher Klub, der die Gäste mittels Gratiseintritten ins Lokal locken muss.

Potenzial bei älteren Semestern

Den Grund für den Kriechgang sieht er in der Wirtschaftsflaute und in einem Überangebot in Zürich sowie im Aufholen anderer Städte und Regionen. «Eine Flurbereinigung in Zürich ist unumgänglich.» Die Schwierigkeiten mancher Klubs seien auch hausgemacht. Schuld sei häufig ein wenig innovatives Musikprogramm. In den meisten Läden rattert ein abgehalfterter DJ sein ausgeleiertes House-Plattenset lieblos rauf und runter. Die Partystimmung tendiert gegen Null. «Der Dance-Mainstream ist am Ende», lautet das harte Urteil des Szenekenners. Nur wer Klasse-DJs aufbieten könne, fülle die Tanzfläche.

Das Pacha in Winterthur mit seinem DJ-Starensemble mache es deshalb richtig. Kleine Veranstalter mit weniger Geld müssen sich dagegen nach neuen Nischen umsehen. Manche, die sich vom House-Mainstream losgesägt haben, setzen mit Erfolg auf neuere Stilrichtungen wie R'n'B oder Ragga-Dancehall, die bei einem jüngeren Publikum ankommen.

Das grösste Potenzial ortet Meyer bei den älteren Semestern ab 30. Diese bevorzugen einen Stilmix aus knalligen Hits zum Mitsingen. Partys mit Musik der 80er sind heute ein Riesenrenner bei den Mitdreissigern. «Das Überangebot führt nicht nur zu einer Ausdifferenzierung der Musikstile, sondern auch zu einer Erweiterung des Publikumspektrums», räsoniert Meyer. Die Macher des Nachtlebens müssen sich auf tanzende Mütter und Möchtegern-Junggesellen einstellen.