Was waren das noch für Zeiten, als sich die Telekom-Anbieter ständig mit neuen Niedrigstpreisen gegenseitig unterboten! Als sie jede Woche neue, ausgeklügelte Dienstleistungen auf den Markt warfen. Als die grossen Anbieter die kleinen frassen und auf dem Markt der grosse Shake-out stattfand. Erst ein, zwei Jahre her und doch aus und vorbei. An der Preisfront herrscht Waffenstillstand, der Markt hat sich weitgehend konsolidiert. Das Geschäft mit der Telekom ist ein Business wie jedes andere geworden.

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So könnte man, etwas überspitzt, die Lage im Jahr fünf nach der Liberalisierung charakterisieren. Telekommunikation ist zu einer Commodity geworden. Immer seltener gelingt es den Anbietern, ihre Abonnenten mit langfristigen Verträgen zu binden. Die Wechselbereitschaft der Kunden steigt. Umso mehr stellt sich die Frage: Für welchen Carrier soll sich ein Unternehmen entscheiden, wenn es darum geht, Festnetzanschlüsse zu abonnieren, die Mitarbeiter mit Handys auszustatten, Datendienste zu beziehen oder den Internetzugang sicherzustellen?

Die Antwort liefert das grosse Telekom-Rating, das die BILANZ heuer zum vierten Mal durchgeführt hat. Genauer gesagt: hat durchführen lassen. Das Berner Beratungsunternehmen Ocha befragte 15 000 Informatik- und Telekom-Leiter aus den verschiedensten Schweizer Unternehmen. Ebenso wie in den letzten Jahren wollten wir wissen: Wie gut sind bei Ihrem Carrier die Qualität und das Preis-Leistungs-Verhältnis der Telekom-Dienste, wie gut der Kundenservice? Wie innovativ sind die gebotenen Leistungen, wie flexibel reagiert der Anbieter auf spezielle Kundenwünsche? Sprich: Wer ist der beste Carrier im Land?

Noch nie war die Antwort so eindeutig wie diese Jahr: The winner is … Colt! Die Schweizer Tochter des Londoner Unternehmens holte sowohl im Fixnetz wie auch als Internet-Service-Provider (ISP) die Bestnote und belegt im Bereich Corporate Networks Platz drei. «Dass wir uns von Anfang an auf Geschäftskunden und damit auf höchste Qualitätsanforderungen konzentriert haben, hat sich nun ausgezahlt», sagt der Schweizer Colt-Chef Roger Gehrig, der unter anderem Swiss, die Privatbank Vontobel oder Allianz zu seinen Kunden zählen kann.

«Viele kleinere Anbieter haben den Kampf ums Fixnetz inzwischen aufge-geben, weil es finanziell nicht mehr in-teressant ist. Jetzt können die grossen Player ihre Stärke ausspielen», analysiert Telekom-Experte Jörg Halter, der die Studie bei Ocha zusammen mit Martin Steinmann durchgeführt hat. Colt, die in der Schweiz mit 200 Mitarbeitern schätzungsweise 150 Millionen Franken Umsatz generieren dürfte, gehört definitiv zu den Big Playern: In Zürich, Basel und Genf verfügt der Carrier über eigene Städtenetze, die Londoner Muttergesellschaft betreibt zudem ein grosses paneuropäisches Glasfasernetz. Erleichtert wurde der Sieg von Colt dadurch, dass der Vorjahresgewinner Profitel (ebenso wie die damals fünftplatzierte WorldCom) mangels Nennungen heuer aus der Wertung gefallen ist. Interne Streitereien über die Strategie und der damit verbundene Abgang von Gründer Urs Käppeli haben Profitel zudem auch auf dem Markt gelähmt.

Gelähmt war letztes Jahr auch Sunrise nach der Fusion mit Diax. Inzwischen hat der zweitgrösste Telekom-Anbieter der Schweiz aber wieder Tritt gefasst, wie die Umfrageergebnisse zeigen: Die neue Organisationsstruktur mit stärkerer Ausrichtung auf KMUs führte zu markanten Verbesserungen in den Bereichen Fixnetz, Corporate Networks und Mobilfunk.

Dort, im Mobilfunk, sind die drei Anbieter Swisscom, Orange und Sunrise nahe zusammengerückt. Nach stetigem Aufwärtstrend hat heuer zum ersten Mal Orange die Führung übernommen. Auch hier zahlten sich nun die massiven Bemühungen aus, die das Unternehmen in den letzten Jahren für die Eroberung des KMU-Marktes eingesetzt hat. Doch das Feld liegt eng beieinander. «Wir dürfen uns noch keine Lorbeeren aufsetzen», sagt Orange-Chef Andreas Wetter. Und richtig glücklich sind die Kunden mit keinem der drei Anbieter: Sie alle erhalten insgesamt nur eine mittelmässige Bewertung. Zum einen wohl deswegen, weil die Kunden an die junge Mobilfunktechnologie die gleichen Anforderungen stellen wie an die über Jahrzehnte verbesserte Fixnetztelefonie. «Und wir haben mit unserer Werbung extrem hohe Erwartungen geschaffen. Daran werden wir und die Branche gemessen», sagt Wetter. Ginge es allein um Qualität und Support, hätte Vorjahressieger Swisscom die Nase vorn. Doch der Exmonopolist hinkt bei den anderen Kriterien den Herausforderern teilweise deutlich hinterher.

In letzter Zeit besonders umkämpft ist der Bereich Corporate Networks, der Markt für Datendienste. «Der Markt ist dort, wo die Fixnetztelefonie vor drei Jahren stand», sagt Halter. Viele zum Teil kleine Anbieter haben den Wachstumsmarkt entdeckt und versuchen, über günstige Preise Fuss zu fassen. Den besten Job macht da nach Meinung der Firmenkunden die Infonet Schweiz, eine 92-prozentige Tochter der Swisscom. «Der eigene Auftritt unter dem Label Infonet ist wichtig, damit man als globaler Carrier gesehen und anerkannt wird», sagt Joseph Nançoz, Chef von Infonet Schweiz, der hauptsächlich multinationale Grosskonzerne zu seinen Kunden zählt.

Der steile Aufstieg von Infonet (letztes Jahr auf Platz sieben) erklärt sich auch durch die Schwäche der Konkurrenten: Vorjahressieger Equant kämpft noch mit den Nachwehen der Fusion mit Global One. T-Systems hatte nicht genug Nennungen, um eine statistisch aussagekräftige Bewertung zu erlauben. Cablecom kämpft mit Qualitätsproblemen im Netz, die vermutlich durch die Einführung der Telefoniedienste bedingt sind. Und Commcare, die letztes Jahr Bestnoten erhielt, befindet sich in Nachlassstundung. Einen Grossteil ihrer Kunden und des Teams erbte übrigens Sunrise – mit ein Grund für den Aufstieg des Carriers im Bereich Datendienstleistungen.

Deutlich nach unten ging es mit Sunrise dafür im Bereich Internet-Service-Providing (ISP). Zwar wurde die Umfrage schon vor der grossen E-Mail-Panne durchgeführt, bei der Sunrise die Mails von 550 000 Usern verlor. Doch sie bestätigt, dass der Carrier im Bereich ISP Qualitätsprobleme hat. Auch sonst herrscht in diesem Markt eine hohe Dynamik. Vorjahressieger IP-Plus kam heuer auf nicht genügend Nennungen und musste deswegen aus der Wertung genommen werden; den Spitzenplatz erbte Colt, die letztes Jahr aus gleichem Grund nicht dabei war. Auf den Plätzen zwei bis vier folgen mit Cybernet, Green und Via Networks drei kleinere Player, die aus den vom Markt verschwundenen Sunweb, Cable & Wireless beziehungsweise KPNQwest hervorgegangen sind. Eine Absurdität: Zahlreiche Bewertungen erhielt die Swisscom, obwohl sie gar nicht unter ihrem Namen als Internet-Service-Provider auftritt, sondern mit den Brands IP-Plus und Bluewin. Offensichtlich hat der Exmonopolist mit seinen Marken ein massives Wahrnehmungsproblem.

Im Jahr fünf nach der Telekom-Liberalisierung haben sich die Bedürfnisse der Firmenkunden gewandelt. Entscheidend ist zwar nach wie vor die Qualität der gebotenen Dienste. Doch der Preis spielt für die Wahl des Anbieters – ausser im Bereich Corporate Networks – eine immer geringere Rolle. Dafür steigen die Ansprüche an den Support: «Die Service-Level-Agreements sind immer wichtiger bei der Kundengewinnung», sagt Ocha-Experte Halter. Doch der Support, auch das zeigt die Umfrage, wird den Anforderungen der Firmenkunden nur in den seltensten Fällen gerecht. Auch deswegen machen sich manche Unternehmen gar nicht erst die Mühe, im Problemfall die Hotline anzurufen. Neue Dienste sind weniger gefragt – möglicherweise haben die Anbieter in den letzten Jahren die Kunden mit zu vielen Innovationen überfordert. «Die Branche muss sich überlegen, ob es Sinn macht, ständig neue, nicht immer ausgereifte Produkte auf den Markt zu werfen», gibt sich Orange-Chef Wetter selbstkritisch.

Vermutlich hat er Recht. Denn die Spitzennote, fünf Sterne, vergaben die Befragten des BILANZ-Telekom-Ratings nur an einen Anbieter: Colt. Alle anderen haben also Verbesserungspotenzial. In den letzten Jahren war die Gesamtzufriedenheit der Kunden ähnlich gering. Das ist die Konstante in dem Markt, der jedes Jahr anders aussieht.