Der Aufwand für die Bewerbung eines Dienstleisters um ein Kontraktlogistikgeschäft kann aufgrund der Komplexität dieses Vorhabens sehr rasch mehrere Mannjahre erreichen. Selbst überschaubare Vorhaben kosten bis zur Phase der Vertragsverhandlungen bis zu 60000 Fr. und mehr. Kommen Vertragsverhandlungen hinzu, werden 0,1 Mio Fr. schnell überschritten. Die effiziente Durchführung und der erfolgreiche Abschluss des Vergabeverfahrens (Tenderprozess) stellt daher eine Herausforderung für Dienstleister und Auftraggeber dar. Dieser Prozess legt ferner die Grundlagen für eine langjährige erfolgreiche Geschäftsbeziehung oder aber auch für einen «Dauerstreit» und im schlimmsten Fall ein Scheitern des Outsourcing. Markterhebungen gehen davon aus, dass etwa 50% aller Outsourcing-Projekte im Logistikbereich im ersten Anlauf scheitern.
Vier wesentliche Erfolgsfaktoren
Der folgende Beitrag identifiziert die vier wesentlichen Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche und effiziente Bewerbung eines Dienstleisters um Kontraktlogistikgeschäfte. Eine Analyse der Beweggründe des zukünftigen potenziellen Geschäftspartners des Dienstleisters für die Vergabe ist unabdingbar. Diese schafft Klarheit bezüglich der Erwartungshaltung auf der anderen Seite und lässt resultierende Risiken auf beiden Seiten frühzeitig erkennen. Einer der am häufigsten vorgebrachten Gründe für ein Outsourcing ist die Konzentration auf die Kernkompetenzen. Eine längere Ausgrenzung der Logistik aus dem Bereich der «gefühlten» Kernkompetenzen seitens des Managements kann unbewusst auch zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung als Resultat längerer Vernachlässigung führen. Im Hintergrund eines dann angestossenen Outsourcing-Verfahrens steht dabei oft die betroffene Logistikabteilung mit der symbolisch «geballten Faust im Sack», die dem Ansinnen des eigenen Managements distanziert bis destruktiv gegenübersteht.
Viele Unternehmen sehen im Outsourcing einen Trend. Der potenzielle Vertragspartner hat dabei die Erkenntnisphase noch nicht abgeschlossen und wird sich erst während des laufenden Verfahrens eine definierte Meinung bilden. Abgegebene Angebote werden hier oft nur als Benchmarks zur ersten Orientierung genutzt. Einer der wesentlichen Gründe für ein Outsourcing ist die Nutzung von Lohntarifvorteilen zwischen der Branche des Auftraggebers und des Logistikdienstleisters. Hier ist aber sorgfältig zu differenzieren: Während die Unterschiede in den Lohnkosten zwischen der metallverarbeitenden Industrie und Logistikdienstleistern je nach Region zwischen 30 und 40% liegen können, kann die Differenz im Vergleich zum Handel schon deutlich geringer sein.
Ein weiterer Treiber für Outsourcing kann sein, dass in der Logistik keine Synergien erzielt werden können. Hier muss der potenzielle Dienstleister prüfen, ob er diese Synergien erzielen kann. Grösse und Standort des Vorhabens können hier entscheidende Rollen spielen. Die Errichtung eines neuen Standortes und spezialisierte Abläufe (als Spiegelbild der um das Überleben kämpfenden Logistikabteilung) lassen oft diese Synergien nicht zu. Sind diese potenziellen Synergien Bestandteil der Kalkulation, besteht ein erhebliches wirtschaftliches Risiko.
Einer der häufigsten Treiber für Outsourcing ist ferner die mangelnde Investitionsbereitschaft von Unternehmen in die Logistik, zum Beispiel aufgrund von verhältnismässig langen Amortisationszeiten für Logistikimmobilien. Übersehen wird dabei oft, dass sich auch der Logistikdienstleister selbst wieder refinanzieren muss, was Sicherheiten, wie beispielsweise den Abschluss eine 10-Jahres-Vertrages, erfordert. Insofern wird eine vergleichsweise gut zu kalkulierende Investition durch eine schlecht abzuschätzende langfristige vertragliche Abhängigkeit ersetzt.
Das «Ohr am Markt»
In der Grafik links ist der klassische Ablauf eines Auswahlverfahrens im Kontraktlogistikbereich dargestellt. Aufgrund der oft sehr knappen Fristen zwischen Angebotsaufforderung und Abgabezeitpunkt ist es für den Dienstleister von Bedeutung, bereits im Vorfeld wichtige Punkte zu klären. Insbesondere ist dies die grundsätzliche und bewusste Entscheidung für oder gegen eine Angebotsabgabe. Bewerbungen, denen es an der notwendigen Nachhaltigkeit fehlt, sind üblicherweise nicht erfolgreich und aus Sicht des Auftraggebers negativer zu bewerten als ein Verzicht auf die Abgabe eines Angebots.
Unter folgenden Aspekten sollte geprüft werden, ob eine Angebotsabgabe ratsam ist:
• Ist der Auftraggeber aus unternehmensstrategischer Sicht der richtige Kunde?
• Passen die ausgeschriebenen Leistungen zu unserer Kompetenz (heute und zukünftig)?
• Kann die professionelle Migration der Logistikleistung vom Auftraggeber zum Dienstleister gewährleistet werden?
• Ist der Vertrag auch in schwierigen Phasen nachhaltig erfüllbar?
• Kann eine wirtschaftliche und wettbewerbsfähige Angebotskalkulation erfolgen?
Nach positiver Prüfung sollte die Planung der Angebotserarbeitung unter den selbstverständlichen Ansprüchen an ein Projektmanagement erfolgen.
Vertrauensbildung im Angebot
Auch wenn in der Ausschreibung nicht explizit gefordert, wird empfohlen, auf folgende Punkte im Angebot näher einzugehen und somit die Vertrauensbasis zum potentiellen Kunden weiter auszubauen.
Personalübergang Das Gros der Auftraggeber ist sich der besonderen Verantwortung für die von einem Personalübergang betroffenen Mitarbeitern bewusst. Der Darlegung der entsprechenden Kompetenz und dem guten Ruf des Dienstleisters in diesen Fragen kommt bei der Vermittlung des notwendigen Vertrauens besondere Bedeutung zu.
Leistungsversprechen Wichtig ist der Nachweis eines umfassenden Verständnisses des Ausschreibungsinhaltes sowie die klare Darstellung und Bepreisung der Haupt- und Nebenleistungen. Vertrauen schafft auch die Information über die Kosten üblicher Zusatzleistungen, die eventuell in der Ausschreibung nicht erwähnt wurden.
IT-Kompetenz
Der Aufbau und die Integration von IT-Systemen können aufwendige und konfliktbehaftete Themen der Implementierung werden. Die Darlegung eines überzeugenden Konzeptes sowie der entsprechenden Fachkompetenz schafft Vertrauen in die Leistungsfähigkeit.
Vertragslaufzeit
Insbesondere bei notwendigen Investitionen vermeidet eine frühzeitige Klärung erwünschter bzw. realisierbarer Vertragslaufzeiten spätere Konflikte. Hilfreich kann auch die Darlegung der Auswirkungen verschiedener Laufzeiten auf die Preisbildung sein.
Preisanpassung
Auch hier schaffen klare Modalitäten der Preisanpassung mehr Vertrauen. Der Hinweis auf ein Gutachterverfahren zur Ermittlung einer gerechtfertigten Preisanpassung kann bei grösseren Vorhaben Bedenken beseitigen.
Controlling
Viele Projekte werden erstmals zum Zeitpunkt der Vertragsverlängerung überprüft, dies ist eindeutig zu spät, eine langfristige, erfolgreiche Partnerschaft erfordert ein kontinuierliches Controlling. Entsprechende Erfahrungen und Ansätze sollten im Angebot spezifiziert werden.
Professionelle Verhandlungen
Vertragsverhandlungen von Kontraktlogistikgeschäften finden heute regelmässig unter Wettbewerbsdruck statt, oft wird mit mehreren Anbietern gleichzeitig verhandelt. Entscheidungen müssen dabei systematisch und auch schnell erfolgen. Von besonderer Bedeutung sind daher eine intensive inhaltliche Vorbereitung der Verhandlungen und die Aufstellung eines verhandlungsfähigen Teams. Bei der Einbindung von Anwälten sollte nicht nur auf deren fachlichen Hintergrund, sondern auch auf die Vertriebskompetenz geachtet werden. Eine sorgfältige Strukturierung des Vertragswerkes kann den Verhandlungsablauf wesentlich beschleunigen, da eine fachliche Fokussierung der üblicherweise grossen Zahl der Beteiligten auch im Hinblick auf die jeweilige Expertise erfolgen kann.
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Thomas C. Becker, Senior Manager, BearingPoint GmbH, Bereich Supply Chain Management, Düsseldorf; Sven Martin, Manager,
Bereich Supply Chain Management, BearingPoint, Zürich.