Tesla ist im S&P 500 angekommen – im Dezember wird das Unternehmen in den Börsenindex aufgenommen. Rechnen Sie mit einer Fortsetzung des Steigflugs des E-Auto-Konzerns an der Wall Street?
Die Investorenerwartungen an Tesla sind mittlerweile so hoch, dass diese schwierig zu erfüllen sind. Tesla ist derzeit der Technologieführer und kann mit einem breitflächigen, hauseigenen Elektro-Tankstellennetz punkten, unter anderem auch mit Schnellladestationen.

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«Die Möglichkeiten von Tesla im E-Automobilbereich sind nicht unbegrenzt.»

Dies ist ein kompetitiver Vorteil, denn Lademöglichkeiten und die Dauer von Ladevorgängen werden entscheidend sein, ob und wie schnell sich Elektroautos in der Masse durchsetzen.

Meines Erachtens ist es jedoch eine Frage der Zeit, bis andere Anbieter sich etablieren und Tesla im Wettbewerb herausfordern. Die Möglichkeiten von Tesla im E-Automobilbereich sind nicht unbegrenzt. Ebenso wenig wird es der Aktienkurs sein.

Investorenlegende Warren Buffett hat sich mit seiner Gesellschaft Berkshire bei Pfizer und weiteren US-Pharmakonzernen engagiert. Können Sie diese Investments nachvollziehen?
Warren Buffet ist ein Investor mit langfristiger Optik. Er setzt auf stabile und geprüfte Geschäftsmodelle. Zudem verfügt Warren Buffett bei Berkshire Hathaway über enorme Liquidität, welche er dann einsetzt, wenn sich Opportunitäten bieten. Dies beispielsweise, wenn andere Investoren in Panik geraten.

Die jüngsten Pharma-Beteiligungen von Berkshire sollte man aber nicht überbewerten. Bei Pfizer hält Warren Buffet beispielsweise lediglich 0.1 Prozent der Firma, was zurzeit etwas über 130 Millionen Dollar entspricht. In Anbetracht des Multi-Milliarden-Portfolios von Berkshire ist dies ein Nebenengagement.

Christof Strässle

Christof Strässle ist Gründungs- und Managing Partner der Strässle Schumacher AG in Luzern. Strässle Schumacher ist spezialisiert auf unabhängige Vermögensberatung und strategische Finanzplanung.

Quelle: ZVG

Und was halten Sie vom US-Zimmervermittler Airbnb, der für Dezember seinen IPO an der Wall Street plant?
Der Börsengang von Airbnb war bereits früher schon einmal ein Thema. Wirklich profitabel ist das Geschäft trotz jüngstem Quartalsgewinn jedoch nicht.

Die Corona-Krise hat das Geschäft zeitweise vollständig lahmgelegt und beim Unternehmen zu einem drastischen Personalabbau geführt. Bei Firmen mit fehlender Profitabilität bin ich grundsätzlich zurückhaltend mit Investitionen.  

Schweizer Immobilienfonds haben sich dieses Jahr stärker entwickelt als Schweizer Immobilienaktien. Sehen Sie dennoch Einzeltitel aus dem Immobiliensektor, die Ihnen gefallen – und wie dürften sich die Anlagekategorie im 2021 entwickeln?
Die unterschiedliche Entwicklung hat in erster Linie mit dem jeweiligen Liegenschaftsportfolio zu tun. Immobilienaktien weisen in der Tendenz eine stärkere Ausrichtung auf Kommerzobjekte und Entwicklungsprojekte auf. Immobilienfonds haben den Fokus vielfach beim Wohnungsbau.

Je nachdem, wie stark sich Home-Office und Online-Handel durchsetzen, ist mit mehr Leerständen und einem Rückgang der Mietpreisniveaus bei Büro- und Verkaufsflächen zu rechnen. Einiges davon ist bereits in den heutigen Preisen abgebildet. Bei den Wohnbau-Fonds muss man sich zudem fragen, ob Agios von gegen 50 Prozent im Einzelfall wirklich eine faire Bewertung wiedergeben.

Wenden wir uns zum allgemeinen Börsengeschehen: Wie stark beschäftigt die Corona-Krise die Finanzmärkte?
Die jüngsten Erfolgsmeldungen betreffend Impfstoffe mit Wirksamkeiten von über 90 Prozent haben zu erheblichen Bewegungen an den Märkten geführt. Ein Gros der Marktteilnehmer ortet vor diesem Hintergrund offenbar bereits ein absehbares Ende der Pandemie.

Dies, gekoppelt mit der Aussicht auf eine verlässlichere Geopolitik der USA unter dem neuen Präsidenten Joe Biden, lässt auf ein besseres wirtschaftliches Umfeld schliessen. Die verbesserten Erwartungen wurden von den Finanzmärkten umgehend aufgenommen.

Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Ich gehe davon aus, dass das optimistische Marktumfeld noch etwas anhalten wird. Im Nachgang zu den positiven Impfstoffmeldungen konnten die zuvor von der COVID-Krise besonders gebeutelten Unternehmen bereits entsprechende Kurssprünge machen.

Dies begrenzt allerdings das weitere Anstiegspotential. Zudem müssen wir uns vor Augen halten, dass eine breitflächige Impfung der Bevölkerung erst im Verlaufe des Jahres 2021 realistisch ist.

Somit kann COVID-19 in den bevorstehenden Wintermonaten noch viel Schaden anrichten. Auch Lockdowns, wie wir derzeit in Österreich sehen, sind denkbar. An der Schweizer Börse werden die Pandemie bedingten Hoffnungen und Rückschläge nicht spurlos vorbeigehen.

Und die obligate Prognose zum Schluss: Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
Die Schwergewichte im SMI entstammen der Pharmabranche (Novartis und Roche) und der Konsumgüterindustrie (Nestlé). Beide Branchen wurden von der COVID-19-Situation deutlich weniger in Mitleidenschaft gezogen als andere. Somit werden sie von einer sukzessiven Verbesserung der COVID-19-Situation auch nur beschränkt profitieren.

Das Bewertungsniveau im SMI ist zudem im historischen Kontext hoch. Solange die Zinsen tief bleiben, wird sich das nicht fundamental ändern. Eine Änderung der Zinspolitik der Schweizerischen Notenbank ist vorläufig nicht ersichtlich. Ein positiveres Zukunftsbild könnte dennoch zu höheren Zinserwartungen führen und somit Bewertungskorrekturen auslösen.

Das Interview wurde schriftlich geführt.