Die Idee scheint so trivial, dass man kaum glauben kann, dass sich so ein Produkt verkaufen lässt: Betonblöcke am Seil per Kran hochziehen – das speichert Energie – und bei Bedarf wieder herunterlassen – das setzt Energie frei. Mit einem solchen Kranzug lässt sich eine Kleinstadt zwei Stunden lang mit Strom versorgen. Keine Elon-Musk-Tesla-Akkuwunder, keine Batteriesäuren, einfach nur gepresster Bauschutt, der hochgehoben wird. Oder für Hobbyphysiker: Potenzielle Energie ist gleich Masse mal Höhe mal Erdanziehung.

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Bill Gates als Promotor

Das Jungunternehmen Energy Vault mit Sitz in Lugano hat die Formel für die Energiebranche adaptiert und ist nur ein halbes Jahr nach der Eintragung im Handelsregister schon dabei, seine Idee zu Millionen zu machen. Nach der Teilnahme an der Kentpresents-Konferenz in Connecticut im August bekommt die Schweizer Firma Anfragen aus Japan, Deutschland, Grossbritannien, Indien und Afrika. Bill Gates – zweitreichster Mann der Welt – mit fast 46 Millionen Followern war die Idee vor einer Woche einen Tweet wert: «Wind- und Solarenergie werden nicht ihr volles Potenzial entfalten, wenn wir die Speicherung von Energie nicht klar vorantreiben.» Energy-Vault-Chef Robert Piconi und sein Technikchef Andrea Pedretti können ihr Glück über die Gratiswerbung des Microsoft-Milliardärs kaum fassen. «Plötzlich inte-ressiert sich alle Welt für uns.»

Das Konzept ist denkbar einfach. Der Kunde liefert überschüssigen Strom, den er gerade nicht braucht, an Energy Vault. Mit dem Strom wird ein Kran betrieben, der Lasten hochzieht, die schwer und kostengünstig sind, wie etwa Bauschutt. Solange der Block oben bleibt, ist die dafür aufgewendete Energie gespeichert. Die Blöcke werden in beliebiger Stückzahl von über 80 Meter hohen Kränen platzsparend übereinander gestapelt. 5 bis 10 Millionen Dollar kostet ein Speicherkran. In drei Monaten ist das Teil mit einer Speicherkapazität für 20 bis 40 Megawattstunden Energie fertig installiert. Will der Kunde nun die gespeicherte Energie wieder beziehen, werden die über 35 Tonnen schweren Blöcke herabgelassen, die Energie wird wieder frei. Der Strom wird weitergeleitet. Der Kunde ist dadurch in der Lage, zu von ihm bestimmten Zeiten seinen Abnehmern die erforderliche Energie auf Abruf bereitzustellen.

So etwas leisten heute im wesentlichen nur verschleissanfällige Batterien auf -chemisch-elektrischer Basis und Pumpspeicher- sowie Wasserkraftwerke mit Staudammtechnologie. Das ist aber vergleichsweise teuer und ineffizient. Der gesamte Kostenaufwand für 1 Kilowattstunde Strom aus einer Ladestation von Tesla liegt bei 640 Dollar, aus Lithium-Ionen-Akkus bei 350 Dollar, aus einem Pumpspeicherwerk bei 270 Dollar. Energy Vault bringt es mit seiner Mechanik auf unter 250 Dollar pro Kilowattstunde an Investitionskosten.  Batterien, Akkus und Staudämme sind ausserdem nur in Ländern praktikabel, die über genügend Kapital oder Wassermengen verfügen. «Unser Konzept hin-gegen kann unabhängig von Topografie und Rohstoffvorkommen auf der ganzen Welt für vergleichsweise wenig Geld eingesetzt werden», erklärt Pedretti.

Konzernriesen als Partner

Das reicht von Kränen in der Wüste, die Sandcontainer hochziehen, bis zum Einsatz in aufstrebenden Ökonomien wie -Indien, die derweil über keine einwandfrei funktionierende, flächendeckende Stromversorgung verfügen und auf kostengünstige Stromspeicher angewiesen sind. In Indien interessiert sich bereits einer der grössten Industriekonzerne für die Speichertechnik made in Switzerland. Und mit den Energieministern von Kenia und Senegal verhandelt das Duo Piconi-Pedretti gerade über die Installation der Speicherkräne aus dem Tessin.

Im Prinzip ist jede Last dazu geeignet, hochgezogen und wieder heruntergelassen zu werden. Doch Bauschuttblöcke eignen sich am besten. Diese müssen nur etwas in Form gebracht werden. Auch dafür hat das Unternehmen eine Maschine entwickelt, ähnlich einer Autoschrottpresse – einmal mehr: mechanisch und simpel. Und nicht nur das: «Wir werden von den Baufirmen für die Entsorgung ihres Bauschutts sogar bezahlt», schwärmt Pedretti.

Innert neun Monaten schrieb der ETH-Absolvent die Steuerungssoftware für den Kranzug. Der gründungserprobte US-Investor, Firmenchef und Wahlschweizer Piconi stellte ein Startkapital von bis zu 5 Millionen Dollar auf. Jetzt ist die Firma fürs Erste komfortabel aus-finanziert. Weitere Investments werden jetzt nur noch für den Aufbau des Vertriebsnetzes benötigt.  

Konzernriesen wie ABB, Lafarge Holcim, der mexikanische Zementgigant Cemex und der italienische Kranbauer ENG sind auf das Unternehmen aufmerksam geworden. Sie interessieren sich für eine Kooperation mit den Garagentüftlern. ENG als italienische Firma nahe zum Tessin und mit besten Verbindungen ins Silicon Valley ist der erste grosse, finanzstarke Partner aus der Industrie. Mit ENG entwickelt Energy Vault einen sechsarmigen Kran, der die Klötze ohne Schwingung -bewegt.

Dafür setzt Pedretti derzeit seinen Hirnschmalz ein: «Die grösste Herausforderung für uns ist, möglichst wenig Pendel-bewegung aufgrund der Trägheit der Last im Seil zu haben, um keine Energie zu verlieren.» Dazu sind am Kran Sensoren befestigt, welche Zug und Trägheitsmoment kalibrieren und zudem wie eine kleine Wetterstation funktionieren. Witterungsverhältnisse wie zum Beispiel Wind können die Zentrierung des Gewichts am Seil stören. Mithilfe der Sensortechnik wird das automatisch korrigiert.  Pedretti holt zur Erklärung A1-grosse Papierbögen hervor, vollgekritzelt mit Zahlen und Formeln, die nicht einmal sein Geschäftspartner versteht. «Ich weiss nicht, wie er das macht, aber ich bin froh, mit ihm zusammenzuarbeiten», feixt Piconi.

Börsegang geplant

Der Energiemarkt hat die Botschaft des Startups längst verstanden. Im November stellen die Tüftler den globalen Rollout an der weltgrössten Energiespeicherkonferenz im kalifornischen Pasadena vor. Mit einer klaren Ansage: «Wir wollen an die US-Börse Nasdaq – und das nicht in allzu ferner Zukunft», sagt Piconi.

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