Mehr Glanz und Gloria geht nicht. Tidjane Thiam holte den Titel «Banker of the Year» und der «Economist» adelte ihn mit einem mehrseitigen Porträt. «L’ingénieur», wie er dort genannt wird, dreht an den richtigen Schrauben. Es geht auch rustikaler: Am Schwing- und Älplerfest liess er sich – stilgerecht im Edelweisshemd – mit den «Büezern» Gölä und Trauffer ablichten. Der letzte Medienauftritt datiert von vergangener Woche. Da strahlte der Banker vom Titelbild der brasilianischen Wirtschaftszeitung «Valor Econômico». Und zwar nicht als Konzernchef, sondern als «Globaler Präsident der Credit Suisse».

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Thiam ist überall und vieles: Chefstratege, Turnaround-Manager, Denker, Taktgeber, Aushängeschild. Und Aspirant für einen Schweizer Pass. Ein Strategiewechsel sei die neue Medienpräsenz nicht, so die CS-Medienstelle. Zwischen 2015 und 2018 sei man mit dem Umbau der Bank beschäftigt gewesen. «Heute gehören öffentliche Auftritte wieder zu den normalen Aufgaben von Mitgliedern der Geschäftsleitung.»

Schleichende Machtverschiebung

Während der CEO wirbelt, ist der formelle Chefstratege, Präsident Urs Rohner, wenig spürbar – weder nach innen noch nach aussen. Den letzten grösseren Auftritt hatte er im Efficiency Club in Zürich, wo er über das mässig prickelnde Thema «Chancen und Risiken der digitalen Transformation im Banking» referierte.

Diese Asymetrie der Auftritte, darin sind sich Beobachter einig, symbolisiert eine schleichende Machtverschiebung – weg vom Präsidenten, hin zum Konzernchef. Das erstaunt in der Bank. Es war doch Rohner, der Thiam von der britischen Versicherung Prudential nach Zürich lockte und dafür manchenorts Prügel einsteckte.

Rohner im Schatten seines Konzernchefs

Rohner und Thiam: ein ungleiches Paar, zwei Quereinsteiger, smart, komplementär. Auch in Strategiefragen marschierten sie im Takt. Rohner hatte 2013 die Route festgeschrieben: Fokus auf die Vermögensverwaltung, Investmentbanking eindampfen, die Schweiz als eigenständige Bank profilieren, die Kapitalbasis stärken.

Anfänglich biss er mit seinem Schlachtplan im Verwaltungsrat und vor allem beim damaligen CEO Brady Dougan auf Granit. Erst als Thiam den eingefleischten Investmentbanker Dougan ersetzte, folgte die überfällige Kurskorrektur.

Thiam ergänzte Rohners Blaupause und begann mit der Umsetzung. Heute, da die Neuausrichtung Früchte trägt, steht Rohner im Schatten seines Konzernchefs.

Nach dem Sparen das Wachstum

Neuer Kurs. CS-Chef Tidjane Thiam reduzierte die Kosten massiv. Nun wird profitables Wachstum angestrebt. Als Zielmärkte gelten Asien sowie Mexiko und Brasilien. Im grössten Land Südamerikas will man vom Vermögenswachstum und von Privatisierungen profitieren.

Der Abgang. Anfang Juli trat Iqbal Khan, Chef der internationalen Vermögensverwaltung der Credit Suisse, zurück. Er handelte Vorzugskonditionen aus: drei Monate Kündigungsfrist, kein Konkurrenzverbot. Kommentar der CS: «Dies war Bestandteil der Austrittsvereinbarung, mit der wir sehr zufrieden sind.» Seine bei der CS zurückgestellte Vergütung von rund 4 Millionen Franken geht gemäss HZ-Recherchen nicht verloren. Sie wird vom neuen Arbeitgeber UBS übernommen – und im Geschäftsbericht 2019 ausgewiesen.

Iqbal Khan auf der Überholspur

Wenig erfreut dürfte Rohner auch über die Causa Iqbal Khan sein. Er hat den Jungbanker vor sechs Jahren von der Beratungsfirma EY zur Bank geholt. Als Finanzchef der vernachlässigten Internationalen Vermögensverwaltung (IWM) sollte er erste Sporen als Banker abverdienen. Schliesslich beförderte Thiam den Jungspund – nach seinem Stellenantritt im Jahr 2015 – gleich zum Chef der Vermögensverwaltung.

Ein Risiko für Thiam, eine Chance für Khan, damals gerade mal 39-jährig. Er setzte zum Spurt an, holte Verbündete, baute Strukturen, hobelte an den Kosten und saugte Kundengelder vorab aus Nahost und Asien an. Die Kosten-Ertrags-Relation senkte er auf 62 Prozent. Die Masszahl zur Effizienz hob sich immer stärker von jener der UBS ab. Thiam und Khan, die beiden ambitionierten Banker, galten als Dream-Team.

Mit der Zahl von Khans Erfolgen sank die Temperatur. Und seine Präsenz in den Medien tendierte gegen null – nicht ganz freiwillig, wie es heisst. In den letzten Monaten sollen die Spannungen weiter angestiegen sein. Es ist die Rede von Machtkampf und Misstrauen, von angeblicher Illoyalität und lauten Worten.

Fingerzeig von oben

Ende März dann kolportierte die Nachrichtenagentur Reuters, dass Khan auf der Kandidatenliste für den Chefposten bei der Bank Bär sei. Die Story schloss mit dem Hinweis, im Fall von Khans Abgang würde «eine Handvoll Kandidaten» als Nachfolger bereitstehen. Eine Namensliste mit vier möglichen Papabili, die intern kursierte, hatte den Weg in die Medien gefunden.

Urs Rohner muss 2021 zurücktreten. Seine Amtszeit ist beschränkt.

Es war wohl ein Fingerzeig von oben, wonach man einem Abgang ziemlich entspannt hinnehmen würde. Schliesslich wurde intern eine angemessene Reaktion auf die Reuters-Story diskutiert. Khan sollte das Bär-Gerüchte öffentlich dementieren. So lautete der innige Wunsch, aber dafür war Khan offenbar nicht zu haben. Doch mittlerweile hatte jeder in der Finanzbranche die Botschaft begriffen: Khan ist auf dem Markt. Am 1. Juli gab die Credit Suisse – wenig überraschend – seinen Abgang bekannt.

Dass der Haussegen beim Nachbarn am Zürcher Paradeplatz schief hing, konnte auch Sergio Ermotti nicht entgangen sein. Der UBS-Chef, aber auch sein Finanzchef und diverse Verwaltungsräte kennen und schätzen Khan seit Jahren, und zwar aus seiner Zeit bei der Beratungsfirma EY, wo er als externer Chefrevisor der UBS fungierte. Die UBS-Granden hatten insgeheim nur darauf gewartet, ihrem früheren Berater ein Jobangebot unterbreiten zu dürfen.

Schon lange im Visier der UBS

Khan ist ein Big Catch für Ermotti, zumal dessen Talentpool nach diversen Abgängen ausgetrocknet war. Und ein Big Deal obendrein: Dank kurzer Kündigungsfrist darf Ermottis Wunschkandidat bereits am 1. Oktober bei der UBS-Vermögensverwaltung anheuern.

Der schnelle Seitenwechsel dürfte eine Person bei der CS besonders grämen: Urs Rohner. Dieser soll Khan oben auf seiner Kandidatenliste für eine Thiam-Nachfolge geführt haben, falls dieser einen Chefposten beim Währungsfonds oder bei der Weltbank übernähme. Zudem hätte er seine Amtszeit, die offiziell 2021 endet, elegant verlängern können. Bei Vorliegen besonderer Umstände, heisst es in den Statuten, kann eine Amtszeitlimite aufgehoben werden. Mit dem Abgang seines Kronfavoriten ist diese Option wohl vom Tisch.

Statt in eine Verlängerung anzustreben, muss Rohner schon bald die Suche nach dem eigenen Nachfolger aufstarten. Eine heiss diskutierte Frage ist, ob sich Thiam – nach der Neuausrichtung der Bank – für einen Wechsel auf den Chairman-Thron interessiert. Das Rennen ist eröffnet.