Den smarten dunkelblonden Mann könnte man sich statt im mit Mahagoni ausgekleideten Büro aus den 60er Jahren auch gut auf dem Tennisplatz vorstellen. Selbst in Hemd und Anzug versprüht Tomas Prenosil die Energie eines Sprinters am Start. Spielt im Gespräch mit der Visitenkarte der Journalistin, dreht den Untersatz des Glases mit dem Finger wie einen Propeller auf der Tischplatte. Ganz ruhig ist hingegen Staffordshire Bullterrier Antony, der friedlich unter dem Pult schläft.

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Neugier und Ungeduld gehören zu den Eigenschaften des 41-jährigen Prenosil, der als Kind gerne Entdecker geworden wäre. «Wenn man immer vorausgeht, muss man die anderen mitziehen. Unsere Familie identifiziert sich sehr stark mit dieser Unternehmung. Darauf muss man Rücksicht nehmen. Wandel und Innovation liegen mir jedoch extrem», sagt Tomas Prenosil. Die Confiserie Sprüngli und innovativ? Das behäbige Café, die klassischen Produkte? Das Geheimnis sei, Änderungen nicht im Sinne einer Revolution, sondern einer Evolution durchzuführen: «Innovationen muss man vorsichtig und fein auf den Markt abgestimmt vorantreiben. Es ist sorgfältiges Abwägen zwischen den Werten. Sonst überfordern wir die Stammkunden.»



Ungewisser Start

Überfordert wäre auch der Verwaltungsrat der 171 Jahre alten Familienfirma, der die Entscheidungen stets mitträgt. Dazu gehört der 91-jährige Richard Sprüngli, der seine beiden Neffen Mitte der 90er Jahre in Ermangelung eines Nachfolgers nachzog. Tomas Prenosil startete nach dem Jurastudium als Produktionsleiter. Sein drei Jahre älterer Bruder Milan, heute VR-Präsident, begann im Marketing. «Als wir anfingen, war es nicht sicher, ob wir das Geschäft auch übernehmen können. Wir mussten uns Respekt und Vertrauen erarbeiten», so der CEO.

Was ihm nicht liegt, ist die Rolle des Neffen, der sich ohne Anstrengung in das gemachte Nest setzt. Wohl diskutierten die Brüder bereits am Familientisch über Luxemburgerli und Eismandarinen. Mussten als Jugendliche in den Sommerferien um 4 Uhr morgens aufstehen und in der Produktion in Dietikon als Aushilfs-Confiseure antreten. Doch so einfach war es dann doch nicht. «Als Jurist nützt du mir nichts. Beweise mir, was du kannst, lerne und werde Unternehmer!», pflegte der Patron dem jungen Tomas jeweils zu sagen. «Unser Onkel fühlt sich den vorhergehenden Generationen gegenüber extrem verantwortlich. Das setzt er nicht leichtfertig aufs Spiel, nicht einmal für seine Neffen», stellt Prenosil nüchtern fest.

Bei der Frage, was er anders mache als Onkel Richard Sprüngli, wird Tomas Prenosil erst einmal still. Nach einer kurzen Pause sagt er sachte: «Ich möchte und kann mich nicht vergleichen. Er ist 50 Jahre älter als ich. Er ist ein Patron, ich bin keiner. Die Führungsprinzipien sind zwar ähnlich, aber ich setze sie anders um.»

Die Nähe zu den Mitarbeitern ist ihm ganz wichtig. Am ersten Arbeitstag als Produktionsleiter hätte Tomas Prenosil am liebsten allen 350 Mitarbeitern die Hand geschüttelt. Sein Vorgänger empfahl ihm aber aus praktischen Gründen, nur das Kader persönlich zu begrüssen.



Kontakt auf Augenhöhe

Der Umgang mit den 900 Mitarbeitern bereitet Prenosil, neben der Arbeit an Produkteneuheiten und Marketingaufgaben, bis heute am meisten Freude. Mit der Patisseriefrau im Café wechselt er ebenso gerne ein paar Worte wie mit der Verkaufsleiterin einer Filiale. Von langjährigen Mitarbeitern ist über den jungen Vorgesetzten zu hören, er «hänge nicht den Chef raus» und pflege den Kontakt auf Augenhöhe. Ausserdem habe er für Anregungen und Fragen der Angestellten stets ein offenes Ohr.

«Wir wählen unsere Leute gewissenhaft aus, nehmen uns dafür Zeit. Wenn wir uns entscheiden, bleibt es dabei. Bisher musste ich erst ganz wenigen kündigen», sagt Prenosil. Neue Mitarbeiter werden gründlich geschult: Vom Leitbild über Firmengeschichte bis zur Produktion und persönlichem Auftreten. Viele Mitarbeiter seien 20 Jahre und mehr dabei: «Die Firma, die wir übernommen haben, ist von unserem Onkel sorgfältig, seriös und gewissenhaft geführt worden. Wir haben sehr gute und charakterlich tolle Leute.»

Einer der wichtigsten Punkte sei für ihn gewesen, in einer traditionellen, eher straff geführten Firma etwas zu verändern und weiterzuentwickeln. Nicht immer mit der Zustimmung des Onkels, «aber er hat es akzeptiert und sah, dass wir Erfolg haben». Vor 13 Jahren neu aufgezogen wurde etwa der Traiteurbereich mit frischen Salaten und Sandwiches. Auch vom neuen Schachteldesign und der dunklen Grand-Cru-Linie musste der Verwaltungsrat erst überzeugt werden.

«Ich musste lernen, mehr Geduld zu haben. Manchmal überfordere ich die Leute, weil ich die Lösung schon sehe, bevor die anderen das Problem erkennen», erklärt Tomas Prenosil ohne falsche Bescheidenheit. Von ihm vorangetrieben wurde die Lancierung der Schokolade mit hochprozentigem Kakaoanteil. Vor fünf Jahren, als noch kein Mensch so dunkle Schokolade ass, brachte Sprüngli die hochprozentige Grand-Cru-Linie auf den Markt. «Das war ein grosses Risiko, aber zwei, drei Kadermitglieder und ich glaubten daran.»



Intensives Teamwork

Anfang Jahr reiste Tomas Prenosil nach Bolivien, um mit eigenen Augen zu sehen, wie die wildwachsenden Kakaobohnen für die «Cru-Sauvage»-Truffes von Hand gepflückt werden. Auch exklusive Kunden im arabischen Raum betreut er gerne persönlich, «um den Markt zu spüren» und die Kunden kennen zu lernen. Auf Auslandsreisen kann er kaum an einer Confiserie vorbeigehen, ohne «tütenweise Schokolade einzukaufen». Dass ihm das Spass macht, glaubt man ihm aufs Wort.

Freude bereitet Tomas Prenosil auch die Arbeit in interdisziplinären Innovationsarbeitsgruppen, die er ins Leben gerufen hat. Beim Erzählen, wie in intensivem Teamwork ein neues Produkt entwickelt wird, gerät er beinahe so ins Schwärmen wie beim Verkosten seines Lieblingsprodukts Truffe du Jour. Davon genehmigt er sich jeweils ein, zwei, drei Stück, um einen Hungerast zu überwinden. Wer wie er eine Stunde täglich Sport treibt, kann das figurmässig locker wegstecken.

Trotz aller Lust an der Innovation: Kurzlebige Marketinggags seien nicht das Ziel. «Das Ziel ist, die Balance zwischen Tradition, Wandel und Innovation sicherzustellen. Und ich erwarte Treffer», sagt er mit einer Schärfe in der Stimme, die den ehemaligen Panzergrenadier und Oberleutnant glaubhaft macht. «Wir identifizieren uns mit Langfristigkeit. Das ist der rote Faden unserer Familienunternehmung. Wenn wir unsere Zahlen und unsere Positionierung ansehen, machen wir es gar nicht so schlecht», schiebt er mit wiedergefundener Demut nach.



Frauen an der Front

Innovation und Tradition werden auch in Zukunft eine Gratwanderung bleiben. An die 60 neue Produkte lanciert die Confiserie Sprüngli pro Jahr, oft ohne Aufsehen. Im Umbruch befindet sich auch das Erdgeschoss des Stammhauses am Paradeplatz in Zürich. Mitte September werden Laden und Cafébar neu eröffnet. «Es wird neuzeitlich modern mit nostalgischem Flair», verrät Prenosil. Möglicherweise werden mit neu angestellten Baristi an der Espressomaschine auch erstmals Männer die Kunden bedienen. Im ersten Stock bleibt es beim Credo «Nur Frauen an der Front». «Unsere feinen Produkte gehören in Frauenhände. Es mag altmodisch klingen, doch das ist Tradition und ein Merkmal der Confiserie Sprüngli.»

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Zur Person

Steckbrief

Name: Tomas Prenosil

Funktion: CEO Confiserie Sprüngli AG, Zürich

Geboren: 1965

Wohnort: Zürich-Enge

Familie: Ledig

Ausbildung: Abschluss des Jurastudiums (1993), Uni Zürich

Karriere

1985–1993: Erste Erfahrungen durch Aushilfsjobs in der Produktion im Betrieb

1994: VR-Mitglied, Produktionsleiter und im Halbjahres-Rhythmus Interims-Geschäftsleiter

2002: Vorsitzender der Geschäftsleitung und Marketingleiter der Confiserie Sprüngli AG

Führungsprinzipien

1. Kader und Mitarbeitern Vertrauen geben, Freiräume lassen.

2. Andersdenkende mit neuen Perspektiven miteinbeziehen.

3. Offenheit, Respekt, saubere Kommunikation.

4. Querschläger zurückbinden.

5. Erfolge gemeinsam geniessen.

Firma

Confiserie Sprüngli AG 1836: gegründet, einer der traditionsreichsten Familienbetriebe der Schweiz; erzielt 95 Mio Fr. Umsatz, beschäftigt 900 Mitarbeitende und betreibt neben dem Stammhaus am Paradeplatz 15 Geschäfte im Kanton Zürich sowie je eines in Zug und in Basel.