Schönheit kostet. Doch der Preis ist Nebensache. Tant mieux, schallt es aus dem Genfer Nobelvorort Bellevue. Dort residiert der Luxusgüterhersteller Richemont. Umsatz, Gewinn, Marge und Aktienkurs zeigen steil nach oben. Die Calvin-Städter schafften 2012 rund 8,3 Milliarden Franken zusätzlichen Firmenwert und katapultierten sich an die Spitze der Schweizer Top-100-Unternehmen. Ein Überraschungscoup, denn im Vorjahr war der abtretende Firmenchef Johann Rupert mit seiner Crew auf Platz 140 abgetaucht. Mit der aktuellen Performance rehabilitiert er sich bei den Aktionären, de facto also bei sich selbst – er hält mit 9 Prozent des Kapitals 50 Prozent der Stimmen – und sticht Vorjahressieger Roche und Serienchampion Nestlé aus.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Vor Jahresfrist schaffte Roche mehr als 30 Milliarden Franken zusätzlichen Firmenwert. Heuer reichen 8,1 Milliarden Franken für Rang zwei. Stabil unterwegs ist der Nahrungsmitteltanker Nestlé. Die Waadtländer erhöhten die Wertschöpfung um 6,2 Milliarden Franken. Allerdings schmolz der Wertzuwachs zum zweiten Mal in Folge. Abgestürzt ist hingegen der Pharmakonzern Novartis. Firmen-Chef Joe Jimenez führte die Basler auf Rang 161 und verbrannte dabei 2,2 Milliarden Franken an Wert. Im Vorjahr schaffte es Novartis noch auf Rang 3. Noch röter sind die Zahlen bloss bei ABB, Credit Suisse und Weatherford (siehe «Die 10 grössten Wertvernichter 2012» unter 'Downloads'). Wenig berauschend ist auch die Zehn-Jahres-Performance von Novartis. Unter der Ägide des abtretenden Daniel Vasella landet der Konzern auf dem drittletzten Rang.

Nestlé im Dauerhoch. Dass Richemont in diesem Jahr das Feld anführt, kommt unerwartet. Denn vor Jahresfrist wurde die Luft sowohl für Richemont als auch für Swatch dünner, die Margen im Luxussektor schrumpften, die Kadenz im Wachstumsmarkt Asien schwächte sich ab. «Nach einem kleinen Dämpfer im letzten Jahr erwarteten die Aktionäre wieder mehr wertschöpfendes Wachstum bei Richemont, was sich 2012 in einer überdurchschnittlichen Steigerung des Aktionärswertes zeigte», sagt Pius Zgraggen, Chef der Finanzberatung OLZ & Partners, die für BILANZ die Top-100-Rangliste bereits zum zehnten Mal erstellt hat. Es ist das umfassendste Rating dieser Art und setzt sich aus Kursbewegung, Börsenwert und Schwankung der Aktie zusammen (siehe «Überraschend hohe Rendite»).

Richemonts Ausweis war im vergangenen Jahr beschmutzt. Die Genfer verbrannten fast 430 Millionen Franken Aktionärswert. Nun ist der alte Glanz zurück. Die Zeitleiste zeigt, dass dies nicht dem Zufall geschuldet ist: Richemont schrammt im Vergleich über zehn Jahre nur um Haaresbreite am Podest vorbei. Der Agrochemiekonzern Syngenta erwirtschaftete mit 28 Milliarden Franken nur gerade 140 Millionen mehr. Gleich dahinter lauert Richemont-Konkurrent Swatch auf Rang fünf mit einer Wertschöpfung von 15 Milliarden. Die unangefochtene Nummer eins im Langfristvergleich ist aber Supertanker Nestlé. Der Konzern aus Vevey steigerte seinen Wert in der vergangenen Dekade um 90 Milliarden Franken, um zweieinhalbmal so viel wie der auf Rang zwei klassierte Industriekonzern ABB (siehe «Die grössten Wertschaffer der vergangenen zehn Jahre» unter 'Downloads').

Fragezeichen tun sich für Richemont indes mit Blick auf das laufende Jahr auf. Die Fundamentaldaten in Asien, dem wichtigsten Absatzmarkt, sind zwar vielversprechend. China löste zuletzt die USA als weltweit grösste Handelsmacht ab, die Kaufkraft legt zu, Potenzial ist vorhanden. Ein Chinese gibt jährlich 9 Dollar für Luxusartikel aus, in den USA sind es 144 und in der Schweiz gar 400 Dollar. Doch Richemont trat jüngst auf die Euphoriebremse. Analysten bezeichneten den letzten Quartalsausweis als «unerwartet schwach». Der asiatische Markt stagnierte, Richemont exportierte im Dezember weniger IWC-Uhren, Cartier-Colliers und Piaget-Chronographen nach Fernost. Die Genfer trösteten sich damit, dass die Chinesen das für die Branche wichtige Neujahrsfest später als im Vorjahr feierten. Ergo tauchen die Bestellungen erst in den Januar-Umsätzen auf. Der Detailhandel läuft gut, auch auf dem alten Kontinent. Das Portemonnaie sitzt den chinesischen Europareisenden locker. Richemont-Patron Rupert kann sich ab April beruhigt auf den Präsidentensessel zurückziehen. Die Weichen sind gestellt, seine internen Nachfolger Bernard Fornas und Richard Lepeu werden nur feinjustieren.

Mehr zu tun erhält Roche-Chef Severin Schwan. Der Österreicher schaffte zwar am zweitmeisten Aktionärswert, erhöhte im Gegensatz zu Novartis den Umsatz und trieb den Schuldenabbau voran, doch nächstes Jahr läuft der Patentschutz zweier Blockbuster-Krebsmedikamente aus. Tempo herausnehmen dürfte Nestlé. Der Wellengang in den wachstumsstarken Schwellenländern ist etwas höher. Doch Nestlé-Chef Paul Bulcke hat mit Zukäufen seinen Schwerpunkt in Asien nochmals verlagert: Für die Babynahrungssparte von Pfizer legte er fast zwölf Milliarden Dollar hin.

Bescheidene Top 3. Die Unternehmen waren 2012 generell defensiver unterwegs. Der Abstand zwischen Gewinnern und Verlierern verkleinerte sich. Richemont auf Rang 1 und Rieter auf Platz 100 trennen bloss 8,3 Milliarden Franken – im Vorjahr waren es mehr als 30 Milliarden zwischen Rang 1 und 100. Der grösste Wertvernichter, der Ölkonzern Weatherford, verbrannte 5,2 Milliarden Franken Aktionärswert – bei der letztjährigen Schlusslaterne Credit Suisse verpuffte doppelt so viel. Die Top 3 haben 2012 mit rund 23 Milliarden Franken zwar nicht einmal halb so viel Wert geschaffen wie die ersten drei des Vorjahres (Roche, Nestlé, Novartis). Allerdings verzerrte Roches Ausreisser (plus 30,6 Milliarden) das Bild. Ab dem Viertplatzierten ist die Wertschöpfung des aktuellen Jahrgangs auf jedem Rang höher als 2011.

Den Erstrangierten ausgenommen, generierten die Top 100 rund 53 Milliarden Franken an Aktionärswert. Das sind 17 Milliarden mehr als im letzten Rating. Zudem vernichteten unter den Top 100 nur 20 Unternehmen Aktionärswert – im Vorjahr waren es 44. «2012 war für die meisten Aktionäre ein gutes Börsenjahr», sagt Zgraggen. «Das zeigt sich auch bei den vielen konjunktursensitiven Industriefirmen, die teilweise mit hervorragenden Resultaten glänzten.» Dazu zählen Holcim (Rang 7), SGS (8), OC Oerlikon (11), Schindler (13), Ems-Chemie (14), Sulzer (16) oder Dätwyler (22).

Rückkehr der Grossen. Trotz starkem Börsenjahr gingen jedoch bloss 164 Firmen in die Wertung ein, 12 weniger als 2011. Zgraggen: «Einige Firmen konnten ihre Verluste aus dem Vorjahr nicht vollständig kompensieren und erreichten die Mindestkapitalisierung für die Aufnahme ins Rating nicht.» 100 Millionen Franken Börsenwert und die Listung im SPI sind Voraussetzung. Fliesst weiter Geld in den Aktienmarkt wie seit Jahresbeginn, dürfte das kommende Rating wieder mehr Firmen enthalten.

Die Zinsen jedenfalls bleiben vorerst tief, die Ökonomen prognostizieren vorsichtig optimistisch, und Anleger stossen ihre festverzinslichen Papiere zugunsten von Aktien ab. Bereits seit Mitte 2012 ist massig Geld in den SMI geflossen. Die Top 10 sind von Blue-Chip-Titeln besetzt. Stabil präsentierten sich Syngenta, der Rückversicherer Swiss Re und der Prüfkonzern SGS.

Ein Comeback feierten Swisscom (von Rang 163 auf 10), Swatch (166 auf 9), Holcim (173 auf 7) und UBS (175 auf 6). Die Grossbank ist zurück, obwohl sie die Aufsichtsbehörden im Libor-Skandal zu einer Rekordbusse verknurrten. Doch die Schrumpfkur der Investmentbank schaffte am Markt viel Goodwill. Die UBS generierte 3,6 Milliarden Franken Firmenwert und machte damit mehr als die Hälfte der Vorjahresbaisse wett.

Die Banken geben in corpore ein durchzogenes Bild ab. Erst auf Rang 26 erscheint die Bank Vontobel als einzige Privatbank in den Top 100. Ihr Aktienkurs brach zur Jahresmitte auf den tiefsten Stand seit drei Jahren ein. Anhaltende Übernahmegerüchte und Spekulationen um einen Spin-off der Zertifikate-Plattform sorgten aber für Kursavancen. Julius Bär hingegen stürzte auf den 160. Rang ab. Anhaltender Margendruck band die Kantonalbanken zurück. Gerade mal fünf Staatsbanken schafften es in die Top 100 – 2011 waren es zehn. Stabil blieb dagegen die CS. Stabil auf den letzten Plätzen. CEO Brady Dougan reorganisierte zaghaft, seine Amerikanisierung fällt bei Mitarbeitern und Investoren durch. Die CS landet auf dem vorletzten Platz, vernichtete aber «nur» 4,2 Milliarden Franken. Als rote Laterne schöpfte sie im Vorjahr mehr als 10 Milliarden Franken ab.

Konkurrenzlose Grossbanken. Über die Distanz haben Dougans Boys die Nase aber vor der Lokalkonkurrenz. Die CS vernichtete in den letzten zehn Jahren 33 Milliarden Franken. Das reicht für den vorletzten Platz, nur geschlagen von der UBS. Deren Geldverbrennungsmaschinerie vernichtete in den letzten zehn Jahren 76 Milliarden. Die zehn grössten Wertvernichter verbrannten in derselben Zeitspanne 175 Milliarden. Zwei Drittel davon gehen auf das Konto der beiden Grossbanken. Dem stehen 360 Milliarden Franken gegenüber, welche die Top-100-Firmen in den letzten zehn Jahren geschaffen haben.

Die Top 3:

1. Richemont
Wertschöpfung 2012: 8,3 Milliarden Franken
Anzahl Mitarbeitende: 24 700

Der Genfer Luxusgüterhersteller flog im letzten Ranking aus der Liste der Top-100-Unternehmen und verbrannte fast 430 Millionen Franken. Ein Ausrutscher: Im Zehn-Jahres-Vergleich ist Richemont unter den Top Five. Der Konzern generierte 27,9 Milliarden Franken an zusätzlichem Firmenwert. Allerdings schwächelte zuletzt der asiatische Hauptmarkt.

2. Roche
Wertschöpfung 2012: 8,1 Milliarden Franken
Anzahl Mitarbeitende: 82 000

Der Basler Pharmakonzern war noch im Vorjahr mit mehr als 30 Milliarden Franken Wertschöpfung die klare Nummer eins. Unter den Pharmagiganten hat Roche die Nase deutlich vorne. Während bei Novartis der Umsatz schrumpft – der Konzern ist aus den Top 100 gefallen –, wächst Roche schneller als der Markt. Allerdings laufen 2014 die Patente zweier wichtiger Krebsmedikamente ab.

3. Nestlé
Wertschöpfung 2012: 6,2 Milliarden Franken
Anzahl Mitarbeitende: 339 000

Der Nahrungsmittelmulti aus Vevey ist unter den Schweizer Konzernen der Supertanker schlechthin. In den vergangenen zehn Jahren hat Nestlé fast 90 Milliarden Franken an zusätzlichem Firmenwert kreiert. Die Marke ist unerreicht. Allerdings hat sich zuletzt das Tempo in den Wachstumsmärkten verlangsamt.