Andere Länder, andere Sitten. Eine Redewendung, die in keiner anderen Branche so intensiver Bestandteil des Geschäfts ist wie im Tourismus. Jürg Schmid, Direktor der Organisation Schweiz Tourismus (ST) betont: «Unsere touristischen Leistungsträger sollen die Bedürfnisse und Wünsche der Gäste kennen und entsprechende Angebote kreieren.»

Denn: Betroffene Gästegruppen aus anderen Kulturkreisen wie etwa Chinesen, Inder, Araber, Russen oder orthodoxe Juden gehören zu den wichtigsten Wachstumstreibern: Sie sorgen für zweistellige Wachstumsraten im Tourismusgeschäft und geben vor Ort gerne Geld aus. Während einheimische Gäste gemäss der Studie «Schweizer Tourismus in Zahlen» pro Tag 140 Fr. ausgeben, sind es 400 bis 500 Fr. bei Gästen aus den Golfstaaten, China und Russland und immerhin 230 Fr. bei Touristen aus Indien.

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So sorgen die Gäste-Fernmärkte für eine überproportionale Zunahme der Wertschöpfung durch ausländische Besucher. Im Jahr 2006 fielen vom Gesamtumsatz des Schweizer Tourismus von 23,4 Mrd Fr. mit 13,3 Mrd Fr. gegen 60% auf Ausländer zurück.

Kein Wunder also, dass helvetische Ferienzentren mit Vorliebe Gäste aus diesen Fernmärkten beherbergen und ihnen die Spezialwünsche von den Lippen ablesen. Der Zentralschweizer Ort Engelberg zum Beispiel lebt diese Haltung mit aller Konsequenz. Das Mittelklasshotel Terrace bleibt in den Monaten Mai bis Juli exklusiv chinesischen und indischen Gästen vorbehalten. Die Buffets sind in dieser Zeit orientalisch geprägt, Milchprodukte gibt es nicht. «Wir fahren gut mit dieser Strategie», sagt der Engelberger Tourismusdirektor Fredy Miller. Die Betten sind voll und die Kasse stimmt. 68% aller Hotellogiernächte im Dorf sowie ein touristischer Jahresumsatz von über 150 Mio Fr. stammen von Ausländern.



Koscher geführtes Hotel in Scuol

Anpassungsfähig ist Engelberg auch gegenüber der wachsenden Gästegruppe der orthodoxen Juden. So steht in den Sommermonaten extra eine kleine Synagoge zur Verfügung.

Bei dieser Gruppe sehr beliebt ist auch das Bündnerland. In Scuol hat ein jüdisches Ehepaar vor über einem Jahr den ehemaligen Robinson Club gekauft und betreibt seither an gleicher Stelle mit dem «Scuol Palace» das grösste koscher geführte Hotel Europas. Das wirkt sich, vorerst vor allem in den Sommermonaten, positiv auf den Umsatz des lokalen Gewerbes und der Bergbahnen aus. Ähnlich klingt es in Arosa, Davos und St. Moritz. «Bei uns sind die jüdischen Gäste bedeutender als die Chinesen und Inder», heisst es beim St. Moritzer Tourismusbüro. In den Sommermonaten machen rund 3000 orthodoxe Juden in der Bündner Bergmetropole Ferien, die aus Israel, den USA, England und den Benelux-Staaten anreisen.



Gastgeber bilden sich weiter

Im Umgang mit den Gästen aus anderen Kulturkreisen sind die Bündner Ferienorte bisher kaum auf Schwierigkeiten gestossen. «Unsere Gastgeber bilden sich individuell weiter, um auf Eigenheiten unserer Besucher entsprechend reagieren und das Angebot anpassen zu können», sagt der Davoser Tourismusdirektor Armin Egger. Auch in St. Moritz sind diesbezüglich bislang praktisch keine Probleme aufgetreten. Diese konnten in Scuol, nachdem sich Einheimische zunächst mit Eigenheiten jüdischer Gäste schwer taten, mittels Informations- und Diskussionsabenden ausgeräumt werden.

Etwas harziger verlief das gegenseitige Kennenlernen in Arosa. Tourismusdirektor Hans-Kaspar Schwarzenbach fragte vor Jahren die jüdische Kultusgemeinde an, gemeinsam Merkblätter zu erarbeiten, die sowohl einheimische Aroser als auch jüdische Gäste auf Regeln und Grundsätze der jeweils anderen Kultur aufmerksam machen sollten. Zwar wurde das Projekt beendet, bevor es begonnen hatte. Doch immerhin funktioniert heute das Zusammenleben von Einheimischen und Touristen. Schwarzenbach dazu: «Es gibt immer Menschen, die negativ auffallen, unabhängig von ihrer Herkunft und Religion.»