Der Ölbohrkonzern Transocean kehrt der Schweizer Börse den Rücken. Die Aktien werden bald nur noch in New York gehandelt. Der Sitz des Konzerns bleibt aber in der Schweiz. Analysten sprechen «vom Fünfer und vom Weggli.»

Am Standort Zug sind die Steuern tief, an der Börse in New York die Umsätze der Aktie höher als in der Schweiz. «Mit dem Sitz in der Schweiz und der Kotierung in den USA hat Transocean nun den Fünfer und das Weggli», sagt Martin Schreiber, Analyst bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB) auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.

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In der Schweiz war die Aktie von Transocean in letzter Zeit weniger gefragt. Anleger wollten das Papier loswerden. Beim Börsengang des Unternehmens im April 2010 kostete eine Aktie etwa 100 Franken. Den Sitz verlagerte das Unternehmen bereits 2008 von den Cayman Inseln in den Kanton Zug.

Schneller Wertverlust nach Börsengang

Innert weniger Tagen nach Börsengang sackte der Preis der Aktie auf 50 Franken ab. Grund war die Explosion der Plattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko, welche Transocean gehört und von BP geleast wurde. Elf Arbeiter kamen ums Leben, 115 Menschen wurden verletzt.

Das aus einem Leck in 1500 Metern Tiefe ausströmende Öl führte zur schwersten Umweltkatastrophe dieser Art im der Geschichte. Wegen Mitschuld an der Katastrophe wurde Transocean zu einer Busse von 1,4 Milliarden Dollar verdonnert.

Der Aktienkurs erholte sich zwar nach dem Unglück kurzfristig etwas. Doch mit dem Sinken des Ölpreises geht es für Transocean weiter bergab. Am vergangenen Freitag kostete eine Aktie noch 14,26 Franken. Das sind etwa 85 Prozent weniger als bei Handelsstart im April 2010.

Tiefrote Zahlen drängen zum Sparen

Der Konzern musste in den letzten Monaten massive Abschreibungen und Wertberichtigungen vornehmen. Das letzte Jahresergebnis war mit einem Verlust von 1,91 Milliarden Dollar tief rot. Der damalige Konzernchef Steven Newman musste im vergangenen Februar gehen.

Sparen ist nun angesagt. Ob die Dekotierung von der Schweizer Börse eine der Massnahmen dazu ist, lässt der Konzern in der Mitteilung vom Montag offen. Weitere Angaben macht das Unternehmen auch auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda nicht.

Börsenkotierung kommt teuer

«Man kann nur mutmassen. Wahrscheinlich hat es mit den Kosten zu tun, die eine Kotierung an der Schweizer Börse mit sich bringt», sagt Martin Schreiber. Ist ein Unternehmen an der Börse kotiert, muss es eine Vielzahl von Vorschriften einhalten. Das bedingt spezialisierte Berater und IT-Prozesse. Diese Kosten können sich schnell auf eine Million belaufen.

In den USA fallen zwar ebenfalls Kosten an.«Doch in den USA ist das Handelsvolumen von Transocean vier Mal grösser. Die Nähe zu den Investoren ist dort grösser», sagt Schreiber. An der Schweizer Börse ist Transocean ein Exot.

Auch das Erdöl-Serviceunternehmen Weatherford hat sich im vergangenen Jahr von der Schweizer Börse dekotieren lassen. Im Unterschied zu Transocean hat dieser Konzern aber auch den Sitz von Zug nach Irland verlegt.

USA für Transocean naheliegender

Dass Konzerne ihren Sitz in der Schweiz behalten und nur die Aktien zügeln hat wohl mit Steuervorteilen zu tun, aber auch mit dem Anlegerverhalten in den USA. «In den USA ist der Markt generell grösser und liquider. Unternehmen kommen einfacher zu Mitteln, wenn sie beispielsweise Kapitalerhöhungen planen», sagt Schreiber.

Die Dekotierung von Transocean ist für das erste Quartal 2016 geplant. Noch ist an der Schweizer Börse Six kein Gesuch eingetroffen, wie ein Sprecher auf Anfrage der sda sagte.

Nach Eintreffen des Gesuchs findet die Dekotierung innert 3 bis 12 Monaten statt. Gemäss dem Sprecher könnt es im Fall von Transocean schnell gehen, denn im Vordergrund bei dem Entscheid steht jeweils der Schutz der Investoren. Diese können die Aktie weiterhin in New York handeln.

Die besten Aussichten hat Swiss Life

Nach dem Wegzug von Transocean wird ein Platz frei im Swiss Market Index (SMI), dem Aktienindex der grössten 20 Unternehmen. Sie kommen zusammen auf einen Börsenwert von rund 1,1 Billionen Franken.

Der einzelne Rang ergibt sich aus dem Wert der im Markt handelbaren Aktien (Marktkapitalisierung free float) und dem Handelsumsatz. Beides wird zur Hälfte berücksichtigt. Hinzu kommt eine Toleranzschwelle, die ein Unternehmen vom schnellen Rausfallen bewahrt.

Nach heutigem Stand der Berechnung würde der Versicherungskonzern Swiss Life für Transocean nachrücken. Bei der Kotierung 2010 hatte Transocean den Versicherer aus dem Index verdrängt. Als weitere Kandidaten nennen Experten den Pharmakonzern Galencia, den Spezialchemiekonzern Clariant, den Pharmazulieferer Lonza oder auch den Hörgerätehersteller Sonova. Die Index-Zusammensetzung wird einmal pro Jahr berechnet. Analysten spekulierten bereits zuvor, dass Transocean wegen der sinkenden Marktkapitalisierung bald aus dem SMI fallen könnte.

(sda/jfr)