Einige Mitarbeiter waren nur irritiert, als die Rund-Mail des Verwaltungsrates auf ihrem Rechner eintraf, andere ahnten bereits Schlimmes. Eine dringende Konferenz wurde angesagt, merkwürdigerweise auf nach 18 Uhr, die Teilnahme war für alle verpflichtend aufgrund einer wichtigen Angelegenheit. Drohte eine Anklage in den Vereinigten Staaten, das Wegelin-Schicksal? Ein Chefwechsel? Eine börsenrelevante Nachricht?

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An diesem 21. März war für die Zürcher Mitarbeiter der Liechtensteinischen Landesbank (LLB) bald nach Konferenzbeginn klar: Die LLB Schweiz wird auf Ende Jahr geschlossen. Ihrem Chef war schon gekündigt, er war per sofort freigestellt worden, als der Gruppenleiter aus dem Vaduzer Stammhaus und der VR-Präsident der Zürcher Tochter die Versammlung eröffneten. 70 Stellen würden abgebaut, erklärten sie, die Kunden würden künftig in Liechtenstein betreut, die Banklizenz abgegeben, und auch die Niederlassung in Lugano werde dichtgemacht, deren Geschäft mitsamt 26 Mitarbeitern an die PKB Privatbank abgegeben. «Politische Stabilität, Diskretion, Sicherheit» – die einst gelobten «idealen Rahmenbedingungen» des Finanzplatzes Schweiz –, sie zählten nicht mehr: «Wir konzentrieren unsere Kräfte im internationalen Private Banking verstärkt an anderen Standorten.»

Die LLB ist nicht allein. Seit Januar 2012 haben bei der Finma 30 Banken und Effektenhändler ihre Todesanzeige eingereicht. Davon gaben 12 wie die LLB ihre Lizenz zurück, 14 wurden von anderen Instituten übernommen, und 4 wählten den Weg der freiwilligen Liquidation. Weitere liegen bereits im Sterben.

Schwarzgeldgeschäfte

Der Sensenmann wütet unter den Auslandbanken. Seit 2010 geht das schon so, und anders als früher werden die Toten nicht durch Neulinge auf dem Finanzplatz ersetzt. Andere bereinigen ihr Portfolio mit Familiy Offices, Vermögensverwalterbüros oder Versicherungen, Wachstum wird nur noch im Verdrängungswettbewerb generiert.

Die Auslandbanken waren lange Zeit steter Wachstumstreiber der Bankenplätze in Genf, Lugano und Zürich. Doch nach den Krisenjahren ging es bergab. 2010 wurden noch 161 Auslandbanken gezählt, im Mai 2013 waren es nur noch 129 Institute mit 20 000 Beschäftigten. Davon haben 86 ihr Mutterhaus in Europa und 12 in Nordamerika. Etwa die Hälfte sind in Zürich domiziliert. Sie verwalten rund 900 Milliarden Franken Kundenvermögen.

Es ist kein Geheimnis mehr: Viele haben hier Schwarzgeldgeschäft betrieben, das inzwischen so gefragt ist wie Menus mit Steaks vom Hund und mit Hirn vom Schimpansen. Die Altlasten müssen weg, das ist für alle klar. In diesem Prozess zählt die LLB zu den Fortgeschrittenen. Ihr Beispiel demonstriert, wie der Prozess verläuft. In der Schweiz ist sie nur noch über ihre Beteiligung an der Bank Linth im Geschäft, «onshore», betont der Mediensprecher. Im Juli hat das Vaduzer Stammhaus die US-Strafuntersuchungen mit einem «Non-Prosecution Agreement» beendet – als erste Bank überhaupt. Zuvor hatte die LLB auf Basis des liechtensteinischen Amtshilfegesetzes die Daten der US-Kunden geliefert. Mit 23,8 Millionen Dollar kam die Bank dabei noch günstig davon.

Langwierige Käufersuche

Das Lichterlöschen bei der LLB Schweiz wird auch verständlicher, wenn man ihre Rolle beim US-Geschäft anschaut: Denn anders als das Mutterhaus hatte die Zürcher Tochter noch 2008 von US-Kunden unversteuerte Vermögen angenommen. Im Oktober verkaufte die LLB auch ihr in der Tochter Jura Trust getätigtes Treuhandgeschäft ans Management. Den gleichen Weg will die Bank mit ihrer Beteiligung Swisspartners einschlagen. Doch auch hier steht und fällt die Lösung eines Management Buyouts mit der Frage, wie die US-Staatsanwälte den Fall sehen. Denn Swisspartners soll US-Kunden mit «Insurance Wrappers» betreut haben, speziellen Versicherungsverträgen, die auch zur Steuerhinterziehung geeignet waren. Die Klärungsprozesse dauern lange: Schon 22 Monate lang sucht die Bank einen Käufer.

Das Beispiel zeigt: Die Bereinigungsprozesse gehen in die Tiefe, haben gravierende Folgen und sind noch längst nicht abgeschlossen. Und dabei sind es nicht nur Banken mit US-Geschäft, die sich zurückziehen. Vielfach hat sich abgezeichnet, dass die Reputationsprobleme des Finanzplatzes in den Heimatländern der Mutterhäuser zum Problem wurden. In Deutschland mussten Bankmanager der Commerzbank und der Deutschen Bank im Parlament erklären, was sie an Offshore-Finanzplätzen treiben. Danach verkauften die Dresdner und die Commerzbank ihre Töchter. Bankgeschäfte in der Schweiz mit staatlicher Stützung – das ging einfach nicht mehr. Zudem hatte das Missmanagement bei den deutschen Landesbanken Verkäufe von Schweizer Töchtern zur Folge.

Hierzulande präsent sind unter den grossen deutschen Instituten noch die BHF-Bank, deren Mutter seit Jahren in einem harzigen Verkaufsprozess steckt, und die Deutsche Bank mit ihren Büros im Zürcher Prime Tower. Der Frankfurter Finanzkonzern hat sich die Privatbank Sal. Oppenheim einverleibt – mitsamt der Zürcher Tochter. Doch die Integration der Kundenkonti misslang. Ganze Kundengruppen zogen mit Beratern zur fürstlichen LGT nach Liechtenstein weiter, andere zur Bank Julius Bär. Bei der Deutschen Bank Schweiz, geleitet vom Tessiner Marco Bizzozero (43), sank die Mitarbeiterzahl von 1000 auf etwa 700, seit 2009 nahm das verwaltete Vermögen um 20 Prozent ab. 2012 machte Bizzozero einen Verlust von 14 Millionen Franken.

Auszug der Niederländer

Die grosse italienische BSI, mit 130-jähriger Präsenz eine der ältesten Banken der Schweiz, ist von der Mutter Generali schon vor mehr als einem Jahr zum Verkauf parat gemacht worden. Nur kaufen will sie niemand, obwohl sie 2012 einen prächtigen Gewinn von 71 Millionen Franken erreichte. Nun wird über eine Zerstückelung spekuliert oder über das Risiko eines Börsengangs.

Die niederländischen Finanzgiganten haben sich vom Finanzplatz bereits verabschiedet. ING verkaufte an Julius Bär, ABN Amro an die UBP, und die Rabobank gab ihre Sarasin-Beteiligung an die Safra Gruppe ab. Die Mutterhäuser hatten Geldbedarf infolge der Krise, und Schwarzgeldgeschäfte waren angesichts staatlicher Hilfen schwer zu verteidigen.

Die britische Barclays ist noch da – ohne Skandale, aber auch ohne Gewinne. 2011 und 2012 meldete sie gesamthaft 46 Millionen Franken Verluste nach London. Die HSBC wiederum, in Genf eine grosse Bank mit 2556 Beschäftigen und 171 Milliarden Franken Kundenvermögen, erwirtschaftete immerhin 348 Millionen Franken. Im Innern knirscht es allerdings. Datendieb Hervé Falciani hatte Kundeninformationen an französische Behörden geliefert, welche die Daten nach Spanien, Griechenland und Deutschland weiterreichten. Zudem muss sich die Genfer HSBC auf Steueruntersuchungen in den USA vorbereiten. Die Rückstellungen und Wertberichtigungen wuchsen bereits auf 154 Millionen. Der strategische Schwenk vom Schwarz- zum Weissgeldgeschäft bedeute einen gewaltigen Kulturwandel für die Organisation, sagt ein Beobachter.

Die Fachwelt rätselt auch darüber, wie sich amerikanische Banken am Programm des US-Justizministeriums beteiligen werden. Sollte eine US-Bank nennenswerte Volumen von heimischen Kunden mit unversteuerten Geldern offenlegen müssen, dann würde ihr zu Hause wohl eine Diskussion über Reputationsfragen blühen.

Dramatisch steigende Kosten

Goldman Sachs, ein erfolgsverwöhntes Haus, lieferte in der Schweiz im vergangenen Jahr einen Verlust. Und ein amerikanisches Institut wurde bereits weitergereicht: Die einst prächtige Tochter des krisengeschüttelten Finanzkonzerns AIG wurde an die Investmentgesellschaft Aabar in Abu Dhabi verkauft, das AIG-Fondsgeschäft im Dezember 2012 eingestellt. Die Schweizer AIG firmiert heute unter Falcon Private Bank und meldete für 2012 einen «soliden Gewinn» nach Steuern von 52,1 Millionen Franken. Freilich hat dieses Ergebnis einen spendablen Verursacher: Mit einer Gabe von rund 59 Millionen stützte der arabische Investor das Geldhaus, denn das operative Geschäft schloss mit Verlusten.

Derzeit befinden sich 13 Institute im Prozess der Aufgabe ihrer Geschäftstätigkeit, darunter die skandalgeschüttelte italienische Bipielle in Lugano, die saudische Faisal Private Bureau, die russische Rosbank und die skandinavische Sydbank. Die Ursachen sind vielfältig, der Grund simpel: Es lohnt sich nicht mehr. Wie die Kosten aus dem Ruder laufen, demonstriert eine Studie der Universität Zürich, die das Aufwand-Ertrags-Verhältnis von 77 Schweizer Banken erfasst hat, darunter von vielen Auslandbanken.

Dabei lag mehr als ein Drittel über der kritischen Quote von 80 Prozent, zehn Institute lagen sogar zwischen 90 und 100 Prozent, was auf operative Verluste hindeutet. Erhebungen der Nationalbank zeigen, dass die ausländisch beherrschten Institute und die Filialen ausländischer Banken seit 2008 rund 30 Prozent ihrer Reingewinne eingebüsst haben. Mehr als 130 Institute zusammen verdienten 2012 nur noch 1,9 Milliarden Franken. Dieses Ergebnis konnten sie nur durch Einsparungen erreichen.

Pi mal Daumen

Der Margendruck wird noch zunehmen, weil die stillen Einnahmen von Retrozessionen untersagt wurden: heimliche Kommissionen beim Vermitteln von Fremdprodukten fallen künftig weg und damit grosse Einnahmequellen. Zudem verlangen Kunden Rückerstattungen.

Mehr als 30 Institute gelten als Übernahme- oder Todeskandidaten. Im letzten Jahr traten viele auf den Heiratsmarkt. Doch die Bräute waren nicht begehrt. «Käufer und Verkäufer finden wegen der Unsicherheit über die unversteuerten Vermögen den Preis nicht», sagt Martin Maurer, Generalsekretär der Auslandbanken-Vereinigung.

Griffige Bewertungsmethoden für die risikobelasteten Unternehmen fehlten (siehe «Pi mal Daumen»). Die Käufer warten ab, bis eindeutig geklärt ist, wer wie viele nichtdeklarierte Kunden hat. Denn Schwarzgeld bedeutet Kosten, nicht Gewinne. Das trifft sogar Kunden aus Brasilien und Indien, die dem Beispiel der USA folgen wollen.

Gewiss, es gibt noch Verdiener unter den Auslandbanken. Der US-Gigant J.P. Morgan ist gleich mit drei Instituten vertreten und verdiente 2012 rund 64 Millionen Franken. Neben der HSBC stehen die französische BNP Paribas, der spanische Banco Santander, die GE Money Bank, die Crédit Agricole und die Coutts Bank im Spitzenfeld jener Häuser, die 2012 mehr als 100 Millionen verdienten. Geld machen einige in Nischen, wie die BNP Paribas im Finanzierungsmanagement für Rohstoffhändler.

«Uns schmerzt vor allem, dass wir kaum noch Neuzugänge sehen», sagt Maurer. «Stagnation ist Rückschritt», kommentiert er die Halbjahreszahlen seines Sektors und warnt: «Das Ansehen von Finanzplätzen wie Luxemburg, Shanghai oder Katar hat stark zugenommen.» In Vorträgen macht er seine Branche auf die neuen EU-Regulierungspakete aufmerksam, die viele verunsichern: Muss die Bank nur eine Filiale in einem EU-Staat unterhalten, wenn sie weiterhin EU-Kunden betreuen will? Oder muss die komplette Kontoführung in der EU stattfinden, mit den Buchungen und den Prozessen im Backoffice? Werden die Konkurrenten an den EU-Finanzplätzen die Schweizer über die Drittstaatenregeln aus dem Geschäft hinausdrängen?

Jedenfalls stehen viele Arbeitsplätze auf dem Spiel, wenn die Kundenbeziehungen in der EU gebucht werden müssen. Für Bankkonzerne ist dies nur eine Organisationsfrage, sie platzieren die Arbeitsplätze kurzerhand in ihrem Netzwerk um. Kleinere Banken wie das deutsche Traditionshaus Berenberg fahren bereits zweigleisig – mit einer Londoner Tochter haben sie vorgesorgt.

Betreuung durch Deutschland

Unterdessen hat ein Verdrängungswettbewerb eingesetzt. Daten der Nationalbank zeigen, dass die Auslandbanken ihren – zwar noch geringen – Marktanteil mit Schweizer Kunden verdoppelt haben. «Das ist klar», sagt ein zukaufender Auslandbanker, «Wachstum gibt es nur noch, wenn man anderen etwas wegnimmt.» Neue Geschäftsmodelle fordert Bankenprofessor Beat Bernet. Über das Was und Wie stellt er aber «weitgehend Ratlosigkeit» fest. Die Marke Swiss Banking sei zunehmend blutleer geworden.

Innovative Ausländer. Während Schweizer Banken um den Zugang in die EU bangen, erblicken EU-Banken wiederum neue Geschäftsfelder in der Schweiz, die von den heimischen Instituten nicht genutzt werden. So vernachlässigen die Schweizer die Bedürfnisse der Einwanderer und Grenzgänger. Diese Kundengruppe hat oft in der Heimat wie in der Schweiz Immobilien und somit Hypotheken, doch über die Grenze hinweg finanzieren Schweizer Banken nur selten. Die Kompetenz ist leicht zu erlernen, wie es die Crédit Agricole vormacht. Sie betreibt das Hypothekargeschäft grenzüberschreitend in der Schweiz und in Frankreich – und zählt zu den erfolgreichen unter den Auslandbanken.

In Frankfurt bastelt die Commerzbank an einem neuen Cross-Border-Konzept für Firmenkunden: «Strategische Steuerung durch den Betreuer in Deutschland». Die Kunden werden mit Länderspezialisten am «International Desk» in Frankfurt betreut – es gibt ja Telefone und E-Mails. Auch Quilvest, eine kleine Vermögensverwalterbank lateinamerikanischer Eigner rund um die Bierbrauer-Familie Bemberg, geht neue Wege: Sie bietet ihren Kunden ein Kommunikations- und Gesprächsnetzwerk an. Die Privatbank wird für ihre Kunden zur Plattform für den Austausch über Geschäftliches, zum Beispiel über Private-Equity-Deals. Sie parlieren nun ungezwungen miteinander, und alle wissen voneinander, dass sie ihr Konto in Zürich haben.

Hingegen fällt traditionsbehafteten Schweizer Bankern das Umdenken auf eine Welt des deklarierten Geldes schwer. Sie müssen lernen: Diskretion ist nun überflüssig, über das Schweizer Konto darf wieder geredet werden.