Die Triumph-Chefs wissen, was Frauen gerne hören, zumal bei heiklen Themen. Shapewear ist ein solches. Prosaisch gesagt: Formwäsche. Das ist Unterwäsche, die das eliminiert, was Frauen nicht sehen wollen, wenn sie in den Spiegel schauen. Neue Gewebe aus Mikrofasern sind in der Lage, Fettpolster so umzuverteilen, dass die Figur schlanker und straffer erscheint, als sie in Wirklichkeit ist. Hermann Enenkel, der österreichische Chef von Triumph Schweiz und Österreich, beschreibt die Wirkweise der Trimmtextilien mit viel Schmäh: «Shapewear hilft den Frauen, ihre Silhouette sehr gut darzustellen. Es ist eine modische Zauberformel.»

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Bereits gibt es Unterhosen, die nicht nur formen, sondern auch noch Muskeln stimulieren und damit Fett verbrennen sollen. Nach der ersten Welle mit amerikanischen Labels wie Spanx, das sich von Hollywood aus in Kürze auch in der Schweiz etabliert hat, ziehen nun die hiesigen Wäscheschneider mit umfassenden Kollektionen nach. Enenkel bezeichnet Shapewear als «das stärkste Wachstumssegment der nächsten Jahre» und kündigt für Frühling und Sommer 2011 gleich mehrere Linien an sowie eine Werbekampagne, die ganz unter dem Motto Figurbewusstsein steht.

Auch Sabina Furler ist von der Modellierwäsche angetan. Die Absolventin der Universität St.  Gallen ist seit gut zwei Jahren Geschäftsführerin des Lingerieunternehmens Beldona und erweist sich dort als temperamentvolle Macherin, die auch bei den Kollektionen das letzte Wort hat. «Von Shaping kommt der grosse Innovationsschub», sagt Furler. Die neuste Generation der hochelastischen Gewebe und Modelle sorgt für Formkraft und Komfort und erinnert von der Optik her nicht mehr an fleischfarbene Miederwaren von anno dazumal. Auch Beldona setzt für die Frühjahr-Sommer-Kollektion des nächsten Jahres auf Formwäsche.

Triumph und Beldona – die beiden traditionsreichen Schweizer Dessousunternehmen ziehen seit kurzem am selben Strick. Vor zwei Monaten hat Triumph Beldona übernommen. Hier das international aufgestellte, grösste Wäscheimperium der Welt, dort das KMU mit Schweizer Aktionsradius: Einem Umsatz von 2,3 Milliarden Franken, erwirtschaftet von 37 500 Mitarbeitenden in 47 Ländern, stehen geschätzte Verkäufe von 70 Millionen Franken und 350 Mitarbeitende in der Schweiz gegenüber. Die Firmen unternehmen alles, um nicht den Eindruck entstehen zu lassen, hier werde die kleine Beldona von der mächtigen Triumph einverleibt.

Tatsächlich war der Erhalt der Eigenständigkeit Bedingung für den Deal. Im Herbst 2009 entschied sich die frühere Beldona-Eigentümerin, die holländische Logo International, zum Verkauf der Dessousfirma und suchte einen Käufer aus der Industrie. Ein Finanzinvestor kam nicht in Frage. «Ein Käufer, der das Business kennt, hat eine viel höhere Wertschätzung», sagt Furler. Dass Triumph von den vier Unternehmen, die es bis in die Endrunde schafften, den Zuschlag bekam, liegt nicht nur an der geografischen Nähe – das Hauptquartier von Triumph International ist in Zurzach, der Beldona-Sitz in Dättwil bei Baden. Ausschlaggebend war auch die Garantie, dass Beldona eigenständig mit allen Mitarbeitenden am bisherigen Standort erhalten bleibe. Ausdruck dieses Freiraums ist die Tatsache, dass Furler direkt an Triumph-CEO Markus Spiesshofer rapportiert und nicht in die Triumph-Hierarchie eingebunden ist.

Kundin wird Tochter. Der Begriff Synergie wird tunlichst vermieden, doch natürlich werden die Beziehungen zwischen Zurzach und Dättwil vertieft. Man kennt sich schon lange. Beldona ist ein guter Triumph-Kunde. Seit die Firma Ende der neunziger Jahre ihren Produktionsbetrieb aufgegeben hat, wird das Sortiment bei Drittfirmen gefertigt – unter anderem bei Triumph. Der Konzern verfügt in zahlreichen Ländern über eigene Fabriken, deren Auslastung nun durch die neue Tochterfirma besser gewährleistet ist. Beldona kümmert sich nur noch um Entwicklung und Einkauf der Kollektionen. Die Weihnachtslinie unter dem Motto «Feel like a princess» trägt auch Furlers Handschrift; die Kundinnen sollen mit Retro-Romantik und einer Portion Kitsch aus der Reserve gelockt werden. «In jeder Frau steckt eine kleine Prinzessin», schreibt die Karrierefrau im «Beldona Magazin». An der Präsentation der Kollektion stolzierten süsse Models mit Krönchen und Spitzenunterwäsche mit viel Durchblick um streng dreinblickende Ritter
in Rüstungen.

Interessant ist Beldona für Triumph vor allem im Fachhandel, wo das Unternehmen mit 70 Filialen an guten Lagen und einem anerkannt hochklassigen Kundendienst Marktführerin ist. Kommerziell reizvoll ist vor allem die mit 400 000 Adressen bestückte Kundendatenbank, die systematisch gepflegt wird, denn nur über den Service kann sich Beldona von scheinbar übermächtigen Konkurrenten wie Migros, Coop, H&M und Zara abheben. «Unser Produkt ist erklärungsbedürftig», sagt Furler, «entsprechend wichtig ist der Service.» Die meisten Frauen tragen einen BH, der gar nicht zu ihrem Busen passt, kaum eine kann ihre Grösse im Kopf behalten. 80 C oder 90 E? Kein Problem – sofern sie sich im Laden über die Datenbank abfragen lässt. In der Lingerie wird die Bindung zwischen Kundin und Label über den persönlichen Kontakt im Laden erzeugt.

Beldona-Know-How. Von diesem Know-how will Triumph profitieren. Das Unternehmen erzielt hierzulande nur ein Viertel des Umsatzes mit eigenen Filialen. Achtzehn Läden sind es, in denen die Eigenmarken Triumph, Sloggi, Valisère und Hom verkauft werden. An wichtigen Stellen, wo die Marke noch untervertreten ist, will Triumph mit eigenen Flächen wachsen, etwa im Glattzentrum, wo man nur als Zulieferer von Globus agiert. «Das ist unzureichend ausgeschöpft», sagt Hermann Enenkel. Drei Viertel der Verkäufe erzielt Triumph im Grosshandel mit den Hauptkunden Manor, Coop City und Globus, wo das Unternehmen an 120 Orten präsent und mit einem Marktanteil von 18 Prozent mit Abstand die Nummer eins ist. Allein, die Konkurrenz schläft nicht: Migros, Coop, Manor und Globus bauten in den letzten Jahren ihr Eigensortiment stark aus, ebenso H&M und Zara. Kürzlich ist auch noch Vögele mit einer eigenen Dessouslinie ins Geschäft eingestiegen.

Als Antwort auf die wachsende Konkurrenz setzen Industrie und Handel vermehrt auf Flächenpartnerschaften. «Hier besteht Nachholbedarf», sagt Oliver Frielingsdorf, Marketing- und Verkaufschef von Triumph für Westeuropa und neuer Beldona-Verwaltungsrat. Von der Informatik über die Inneneinrichtung bis zum Personal wird die Anbindung vertieft. Triumph bietet etwa den Warenhäusern ein Modell an, bei dem in Spitzenzeiten zusätzliche Verkäuferinnen zur Verfügung gestellt werden. Dieses Problem hat Beldona nicht: Sämtliche Verkäuferinnen – auch die, die in Warenhäusern bei Beldona arbeiten – stehen im Dienst des Unternehmens und werden von diesem auch geschult.

Umgekehrt könnte Triumph Beldona im Ausland dienlich sein, zumal sie den Schweizer Markt mit den 70 Filialen räumlich genügend abdeckt. «Längerfristig können wir uns vorstellen, mit Beldona ins Ausland zu gehen», sagt Oliver Frielingsdorf, «aber wir müssen zuerst abklären, ob und wie weit das Businessmodell von Beldona im Ausland tragbar ist.» Die Zurückhaltung entspricht Sabina Furler. Kurz nach ihrem Amtsantritt stoppte sie die von ihrem Vorgänger eingeleitete Expansion nach Österreich, weil sie in ihren Augen zu wenig durchdacht war. «Es ist schwierig, im Detailhandel in einem neuen Markt eine dort noch unbekannte Marke aufzubauen», sagt Furler. Man müsse sich gut überlegen, ob man ein eigenes Filialnetz aufbauen oder einfach die Beldona-Kollektion exportieren wolle.

Beide Unternehmen haben einen Tenuewechsel hinter sich. Furler frischte seit ihrem Amtsantritt das Logo auf, verjüngte die Kollektion, lancierte ein Kundenmagazin, veranstaltete Modeschauen, die sie selber präsentiert, und liess den Hauptsitz in Dättwil umbauen. Als Nächstes soll die Renovation der Filialen forciert werden. Die Filiale an der Zürcher Strehlgasse wird noch vor Weihnachten komplett umgebaut. Auch Triumph hat in den letzten Jahren am Imagewandel gearbeitet. Jünger, zeitgeistiger und moderner will man werden, getragen wird der Vorgang von einem neuen Design des Logos. Um die Marke zu stärken, sollen im kommenden Jahr die Marketingausgaben «massiv» um 25 Prozent erhöht werden.

Zugeknöpft. Der traditionsreiche Wäschekonzern, der nächstes Jahr sein 125-Jahr-Jubiläum feiert, ist noch immer vollständig im Besitz der Gründerfamilien Spiesshofer und Braun. Die Firma wurde 1886 im süddeutschen Heubach gegründet, 1933 dislozierten die Besitzer nach Zurzach, wo die internationale Vertriebsgesellschaft bis heute ansässig ist. Im Gegensatz zu ihren Models auf den Laufstegen geben sich die Teilhaber zugeknöpft. Auch die Vertreter der fünften Generation, die Brüder Markus und Oliver Spiesshofer, die in jüngster Zeit die operative Führung übernommen haben, scheuen das Rampenlicht. Firmenchef Markus Spiesshofer lässt sich mit den Worten zitieren, der Erwerb von Beldona sei «eine Investition in die Zukunft der beiden Unternehmen».

Nach mehreren Krisenjahren verströmen die Wäscheschneider wieder zaghaft Aufbruchstimmung. Der Markt stagniert seit Jahren, 2010 war er sogar rückläufig. Angesichts immer neuer Anbieter und Labels herrscht ein Verdrängungswettbewerb, in dem weder Triumph noch Beldona grosse Sprünge machen. Mit Shapewear haben die Wäscheschneider nun endlich wieder einen Lichtblick. Beldona-Chefin Sabina Furler beobachtet den Trend genau. Ihre Nachforschungen zeigen, dass es nicht in erster Linie XL-Frauen sind, die sich so eine zweite Haut zulegen, sondern solche mit Grösse Small oder X-Small. So klein der Bauch auch ist – Hauptsache, man muss ihn nicht mehr einziehen.