Trotz Sanktionen: Diese Schweizer Firmen machen noch Geschäfte in Russland

Ems-Chemie, Liebherr, SGS, Swiss Krono, Zepter. An genau einer Hand lassen sich die Schweizer Unternehmen abzählen, die es an die unrühmliche Spitze einer Liste der Universität Yale geschafft haben. Sie protokolliert den Exodus der Konzerne aus Russland – und zeigt, wer noch immer in Putins Land geschäftet. Die fünf Schweizer Firmen haben die Note «F» erhalten. Sie gehören zu jenen insgesamt 236 internationalen Unternehmen auf der schwarzen Liste der Yale School of Management, die in Russland trotz Forderungen nach Einstellung oder Reduzierung der Aktivitäten «einfach so weitermachen wie bisher». Die Betroffenen fühlen sich zum Teil aber zu Unrecht am Pranger. «Wir haben uns mehrfach an die Yale School of Management gewandt, um die Note F zu korrigieren, und werden dies auch weiterhin tun, haben aber noch keine Antwort erhalten», sagt etwa SGS-Sprecherin Magali Dauwalder. Der Genfer Warenprüfer, der vor dem Krieg 5800 Angestellte in Russland beschäftigte, hat im Halbjahresbericht erstmals bekannt gegeben, dass die Geschäftsentwicklung und die Investitionen eingefroren sowie das Angebot vor Ort reduziert worden seien. Liebherr verurteilt russische Aggression Ems-Chemie ist kurz angebunden. «Das Geschäft ist nach wie vor zusammengebrochen, die Belegschaft wurde reduziert», sagt Mediensprecher Marc Ehrensperger. Auf die Frage, ob man die schlechte Kategorisierung für gerechtfertigt halte, antwortete er nicht. Bis zu sechzig Mitarbeitende, die an zwei russischen Standorten Lacke und Kleber herstellen, könnten vom Produktions-Unterbruch betroffen sein. Die «Luzerner Zeitung» hatte im Juli berichtet, dass die Produktion an den beiden russischen Standorten der Ems-Chemie aufgrund der Sanktionen unmöglich geworden sei – obwohl man eigentlich am Business festhalten wollte. Firmenchefin Magdalena Martullo-Blocher hatte die Sanktionen vorab laut kritisiert und ihren Mitarbeitenden verboten, das Wort «Krieg» in der geschäftlichen Kommunikation zu verwenden.Unter Wladimir Putins Herrschaft verarmt Russland Als Putin am 24. Februar in die Ukraine einmarschierte, wollte Europa von russischem Öl so rasch wie möglich wegkommen. Auch die Schweiz, die zwischen 2016 und 2020 noch insgesamt mehr als eine Viertelmillion Tonnen Erdöl aus Russland importiert hatte, schloss sich den Massnahmen und Sanktionen an. Russlands Haupteinnahmequelle schien bald zu versiegen. Doch heute, knapp acht Monate später, steht das meistsanktionierte Land der Welt besser da als erwartet. Bei genauem Hinsehen aber ist Russlands Wirtschaft fragil. So sieht es auch der Makroökonom Stefan Legge von der Universität St. Gallen: «Die eigentliche Wirtschaft ist so schwach wie vor dem Krieg und eher noch schwächer.» Das Land profitiere zwar von den sehr hohen Rohstoffpreisen, was den öffentlichen Haushalt stärke und für eine äusserst positive Leistungsbilanz sorge. Dass der Rubel innert eines Jahres offiziell 11 Prozent gegen den US-Dollar aufgewertet hat, runde das Bild ab. «Allerdings ist der Wechselkurs aktuell stark politisch beeinflusst», sagt Legge. Ähnlich verhält es sich mit der vergleichsweise niedrigen Arbeitslosenquote. «In Zeiten von Inflation, Krieg und Teilmobilisierung ist diese mit Vorsicht zu geniessen.» Mehr lesen Sie hier. Der Baumaschinenhersteller Liebherr aus Bulle FR verurteilt die «durch nichts zu rechtfertigende russische Aggression gegen die Ukraine». Das Unternehmen stehe hinter den Sanktionen gegen Russland. «Die Methodik und die sich daraus ergebenden Klassifizierungen können und wollen wir nicht kommentieren», sagt Mediensprecher Marc Wiedenmann. Das Unternehmen sei von Yale nicht kontaktiert worden. Indirekt widerspricht Wiedenmann dem schlechten Rating: «Liebherr hat das Neukundengeschäft in den Bereichen Aerospace, Verkehrstechnik und Mining in Russland bis auf weiteres vollständig eingestellt, das Servicegeschäft im Land massgeblich eingeschränkt und liefert keine Geräte und Ersatzteile an sanktionierte Unternehmen oder Unternehmen, die von sanktionierten Einzelpersonen beherrscht werden.» Über die Sanktionen hinaus habe Liebherr weitere restriktive Massnahmen ergriffen und seine Russland-Aktivitäten weiter reduziert. «Wir verzichten auf Werbemassnahmen für den russischen Markt und haben sämtliche Investitionen in Russland gestoppt.» Holz in Russland Das Unternehmen gibt keine Antwort auf die Frage, ob Mitarbeitende entlassen werden mussten. Landesweit beschäftigte Liebherr rund 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Importverbote aus Russland in die Europäische Union hätten dazu geführt, dass die Produktion wegen fehlender Zulieferteile von Stahlbau-Zulieferteilen an Liebherr-Schwesterwerke in West- und Mitteleuropa «massiv reduziert und zwischenzeitlich fast vollständig eingestellt» habe werden müssen. Swiss Krono antwortete nicht auf eine Anfrage der «Handelszeitung». Der Weltmarktführer in der Herstellung von Holzwerkstoffen beschäftigt in der Stadt Scharja östlich von Moskau rund 1000 Menschen. In früheren Medienberichten begründete die Firmengruppe ihre Geschäftstätigkeit unter anderem mit «Verantwortung» für die Menschen, «die seit vielen Jahren für uns arbeiten und Teil der Swiss-Krono-Familie sind». In einem Artikel von «Zentralplus» von Mai heisst es, der Ausbau des Werks sei gestoppt worden. Auch der Konsumgüterhersteller Zepter aus Wollerau SZ reagierte nicht auf Fragen der «Handelszeitung». Das Unternehmen stellt unter anderem Wasser- und Luftreinigungssysteme sowie Kochutensilien her und bewirbt und verkauft diese offenbar nach wie vor in Russland.Hoffnung auf Rückkehr Fünf Schweizer Unternehmen fallen bei der Yale-Liste durch. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Schweizer Firmen auf der Liste, die im Graubereich operieren: Sie schieben etwa geplante Investitionen auf, setzen aber ihr Kerngeschäft vor Ort fort. Zu dieser von Yale definierten Kategorie D gehören besonders Pharmahersteller wie Novartis und Roche. Finanzunternehmen und Banken wie die Credit Suisse, Julius Bär und die UBS fallen überwiegend in die Kategorie C: Sie haben zwar einige bedeutende Geschäftstätigkeiten zurückgefahren, führen andere aber unbeirrt weiter. Eine Rückkehroption (Kategorie B und aufwärts) halten sich vor allem Hersteller von Nicht-Basiskonsumgütern offen, wie zum Beispiel Triumph. Aber auch NGO und Forschungseinrichtungen wie das Cern. Auch die Fifa, die russische Athletinnen und Athleten vom Wettkampf ausschliesst, gehört zu dieser Kategorie B. Einen «Clean Break» haben andere Nichtregierungsorganisationen – darunter viele Sportverbände wie der Internationale Eishockeyverband –, aber auch der Zementhersteller Holcim oder die Zürich Versicherungsgruppe gemacht. Sie haben ihr Russland-Engagement offenbar komplett eingestellt beziehungsweise Russland vollständig verlassen.