Die Mitarbeitenden nennen ihn den Rittersaal. An der Wand hängen Bilder der eigenen Flugzeuge, um den Tisch stehen solide Lederstühle. Im grossen Sitzungsraum der Zentrale in Stans treffen sich die Verwaltungsräte der Flugzeugwerke Pilatus jeweils, wenn es etwas zu diskutieren gibt.

Das wird in den nächsten Wochen oft der Fall sein. Am 1. März ist der vor zehn Jahren abgeschlossene Aktionärsbindungsvertrag zwischen den Eigentümern ausgelaufen. Das bestätigt Pilatus-Chef Oscar J. Schwenk. Der bisherige Vertrag hatte verhindert, dass Aktionäre ihre Anteile ohne Absprache an irgendeinen Investor verkaufen konnten. Ein neues Abkommen wurde bisher nicht unterzeichnet.

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Mit der Ruhe im Aktionariat ist es vorderhand vorbei. «Zwischen den Parteien herrschen beträchtliche Spannungen. Es geht um die Frage, wie es weitergehen soll», berichtet ein Investmentbanker. «Es wollen nicht alle dasselbe. Und jetzt ist der Zeitpunkt, die Ansprüche anzumelden.» Die einen möchten verkaufen oder aufstocken, die andern keine Macht abgeben. Alles deute auf Konfrontation hin, berichtet der Banker. Die ersten Gespräche hätten stattgefunden.

Zehn Jahre lang bewegte sich im Aktionariat praktisch nichts. Hauptaktionär ist bis heute der Innerschweizer Investor und ehemalige CS-Banker Jörg F. Burkart mit 41 Prozent. Die zweitgrösste Position hält die Ihag Holding der Familie Anda-Bührle mit 31 Prozent. Zusammen kontrollieren sie das Unternehmen. An ihnen sowie Pilatus-Chef und Verwaltungsratspräsident Oscar J. Schwenk führt kein Weg vorbei. Der 66-Jährige ist der starke Mann in Stans. Er will den Flugzeugbauer als international ausgerichtetes, aber schweizerisches Unternehmen erhalten. «Dafür werde ich auch als Verwaltungsratspräsident sorgen», sagte Schwenk der «SonntagsZeitung» vor einem Jahr.

Schwer verkaufbare Investments

Kaum etwas zu sagen haben die Minderheitsaktionäre. Der Industriekonzern Oerlikon hält 14 Prozent der Aktien, die britische Beteiligungsgesellschaft 3i kontrolliert 10 Prozent. Sie sind in ihren Engagements gefangen. Pilatus hat zwar Gewinn und Umsatz unter Schwenks Ägide in den letzten Jahren deutlich steigern können. Seit 2005 haben die Verkäufe um über 30 Prozent auf 620 Millionen Franken zugenommen, und der Gewinn wurde auf 78 Millionen mehr als verdoppelt. Auch 2010 soll ein erfolgreiches Jahr gewesen sein. Und die Aussichten scheinen gut: Eben vermeldete Stans, dass das indische Militär 75 neue Trainingsflugzeuge anschaffen wolle. Da sei man unter den letzten drei verbleibenden Bewerbern.

Doch vorderhand nützen gute Zahlen den Minderheitsaktionären wenig: Sie können ihre Papiere kaum abstossen. «Um ein Aktienpaket verkaufen zu können, müsste man zuerst einmal wissen, was es wert ist», sagt ein Branchenkenner. Das ist im Fall von Pilatus gegenwärtig kaum möglich. Offenbar stehen den Minderheitsaktionären und damit auch potenziellen Investoren die Bücher des privaten Flugzeugherstellers nur bedingt offen. Für eine genaue Buchprüfung wäre die Zustimmung des Verwaltungsrates und damit der Grossaktionäre nötig.

Schweizer Lösung

Das führt zu absurden Verhandlungssituationen. Als einmal über den Verkauf eines Pakets gesprochen wurde, zeigten sich Bewertungsunterschiede von einer halben Milliarde Franken. Je nach Standpunkt sind das gegen 50 Prozent des Unternehmenswertes. Die Intransparenz thematisiert auch der Geschäftsbericht von Oerlikon: Man habe «nur Zugang zu den öffentlich zugänglichen Finanzinformationen, was nicht ausreicht, um den fairen Wert der Investition zu bestimmen». Aus dem Verwaltungsrat von Pilatus sowie dem Aktionariat will sich niemand zur aktuellen Situation und den eigenen Plänen äussern, solange die Gespräche unter den Parteien andauern.

Noch scheinen die Fronten auch nicht komplett verhärtet. Es hänge viel von den Grossaktionären Jörg F. Burkart und der Ihag ab, erzählt einer, der dem Unternehmen nahesteht. «Die kleinen Aktionäre werden einem neuen Aktionärsbindungsvertrag nur zustimmen, wenn sie mehr Einfluss erhalten und sich der Minoritätenschutz verbessert.» Ein gewichtiges Wort mitreden dürfte dabei die Beteiligungsgesellschaft Renova des russischen Investors Viktor Vekselberg. Sie hält knapp 50 Prozent an Oerlikon, und ein Insider sagt: «Das Dossier Pilatus liegt bei Renova auf dem Tisch.»

In den Fokus rückte Renova bereits letztes Jahr, als in Moskau durchsickerte, man möchte Pilatus-Trainingsmaschinen des Typs PC-9 und PC-21 in Russland produzieren lassen. Ein Grossprojekt, bloss wusste davon in Stans niemand etwas. Bis heute ist daraus nichts geworden.

In der Branche werden nun neue Investoren ins Spiel gebracht, welche die Situation bei Pilatus durch die Übernahme eines Aktienpakets deblockieren könnten. So soll es schon Gespräche mit Unternehmer Peter Spuhler gegeben haben. Er würde ins Schema passen: Vollblutunternehmer, der Schweiz verpflichtet, und seine Stadler Rail hat er bisher von der Börse ferngehalten. Der Thurgauer Nationalrat sagt, er sei bisher von niemandem kontaktiert worden. Er sagt aber auch: «Pilatus ist ein tolles Unternehmen. Wenn jemand etwas von mir will, dann soll er mich anrufen.»

Für jeden neuen Investor stellte sich allerdings das gleiche Problem. Selbst mit beiden Aktienpaketen von Oerlikon und 3i zusammen käme er nur auf 25 Prozent der Anteile und bliebe Junior-Partner der beiden anderen Grossaktionäre. Mehr Bewegung durch einen Börsengang ist auch nicht in Sicht. Schwenk sieht in der Kotierung weiterhin mehr Gefahren für das Unternehmen als Chancen.

Die nächste Generalversammlung von Pilatus Flugzeugwerke wird vermutlich im April oder Mai stattfinden. Beobachter rechnen damit, dass im Rittersaal bis dahin eine Entscheidung fällt, wer sich künftig dort versammeln wird.