Wie stark beschäftigt die Corona-Krise die Finanzmärkte?
Die Märkte haben Anfang Woche nervös auf die steigende Zahl der Corona-Fälle in Europa reagiert. Zudem lässt das Stimuluspaket der US-Regierung auf sich warten. Nach einer Beruhigung hat sich der Fokus dann auf die hochbewerteten Technologie-Aktien verschoben, bei welchen nach Enttäuschungen Verluste hingenommen werden mussten.

Philipp Grüebler

Philipp Grüebler ist Portfolio Manager und Geschäftsführer der Grüebler Vermögensverwaltung AG. Bevor er im Jahr 2000 zur Grüebler Vermögensverwaltung AG stiess, arbeitete er bei UBS und Credit Suisse. 1995 schloss er das Betriebswirtschaftsstudium mit dem Lizenziat ab und 2000 den Chartered Financial Analyst (CFA).

Quelle: ZVG
Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Die Schweizer Börse dürfte sich kurzfristig – trotz den Unsicherheiten und den hohen Bewertungen – seitwärts bewegen, da sie durch das grosse Gewicht an Pharma- und Nahrungsmittelwerten einen defensiven Charakter hat.

Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
Die Notenbanken werden die Märkte weiterhin mit viel Liquidität unterstützen und ermöglichen so hohe Bewertungen. Viel hängt weiter von der Entwicklung der Pandemie und den fiskalischen Unterstützungsprogrammen ab. Vorausgesetzt wir haben 2021 einen wirkungsvollen Impfstoff zur Verfügung und die Wirtschaft wird weiter gestützt, werden wir 11’000 Punkte in einem Jahr überschreiten.

Die Führung der UBS liebäugelt mit einer Fusion oder einer Übernahme einer anderen Grossbank – als Kandidatinnen kommen offenbar Credit Suisse, Deutsche Bank, Barclays und weitere infrage.
Wie wahrscheinlich ist ein solcher Mega-Deal der grössten Schweizer Bank?
Eine Fusion von UBS und Credit Suisse würde für die Schweiz ein grosses Klumpenrisiko darstellen, weshalb die Finma für die neue Bank mehr Eigenkapital vorschreiben dürfte. Dazu kommen noch wettbewerbspolitische Einwände. Die Deutsche Bank ist vor allem im volatilen Investment Banking tätig, welches die UBS in den letzten zehn Jahren stark abgebaut hat. Interessanter wäre ein Zusammengehen mit Barclays, welche breiter aufgestellt ist und die UBS besser ergänzen würde.

Der E-LKW-Hersteller Nikola ist an der Börse auf Abwärtskurs. Wie schlimm steht es um den als Tesla-Rivalen gehandelten US-Konzern?
Der Vorwurf, dass Nikola über keinerlei Technologie verfügt, konnte bislang nicht entkräftet werden und inzwischen ermittelt auch die SEC. Positiv ist, dass der umstrittene Präsident Trevor Milton zurücktrat und seine Stelle ein Ex-Manager von GM übernahm. Partner GM bestätigt zudem, dass sie Nikola eingehend geprüft hätten. Sollten GM und andere Partner wie Bosch jedoch das Vertrauen verlieren, wären die Aussichten für Nikola sehr schlecht.

Der Sommer ist vorbei, wir steuern auf das Jahresende zu. Wie düster ist die Zwischenbilanz nach einem halben Jahr Pandemie – wie präsentiert sich die Situation an Börsen, in Unternehmen und in der Gesamtwirtschaft?
Die Börsen wurden durch die Liquitätsschwemme der Zentralbanken beflügelt und haben sich gut erholt. Wie erwähnt ist die Wirtschaft noch auf staatliche Unterstützung angewiesen, wobei die wirtschaftliche Situation je nach Branche unterschiedlich ist: Die IT-Unternehmen haben von der Pandemie profitiert, während die Industrie nach dem tiefen Einbruch wieder an Schwung gewinnt. Die Reise- und die Event-Branche werden sich hingegen nicht so schnell erholen.

Welche Mischung sollte das Portfolio einer durchschnittlichen Anlegerin heute aufweisen – wie viel Platz räumen Sie den Aktien ein, wie würden Sie Gold, Immobilien und Obligationen gewichten?
Eine Anlegerin mit einem Anlagehorizont von sieben bis zehn Jahren sollte einen wesentlichen Anteil in Sachwerte investieren, da diese langfristig das grösste Wachstum generieren: Aktien 50 Prozent, Immobilien 5 Prozent und Gold 5 Prozent. Obligationen, früher der stabile Kern eines Portefeuilles, müssen mit 20 Prozent stark untergewichtet werden, da deren Rendite-Risiko-Verhältnis heute sehr ungünstig ist. Der Anteil an Liquidität ist daher mit 20 Prozent entsprechend hoch.

Das Interview wurde schriftlich geführt.