Die Uhrenhändler stöhnen, denn die Unlust bei den Konsumenten ist gross», erklärt Max Noichl, Sekretär des Verbands schweizerischer Uhren- und Bijouteriefachgeschäfte (VSU). 20 bis 30% haben die Umsätze allein dieses Jahr nachgelassen.

Um doch noch ihre Ware loszuwerden, greifen Fachhändler nun zu Discount-Methoden. Die Bijouterie Affolter in Willisau etwa bietet IWC-Uhren in Inseraten des Zürcher «Tages-Anzeiger» um 25% verbilligt an. Affolter ist kein Einzelfall: Im mittleren und oberen Segment gehören Rabatte bei fast allen Renommiermarken inzwischen zum guten Ton. Erstaunlich ist aber, dass ein lokaler Fachhändler aus dem Luzerner Hinterland inzwischen in der Grossstadt auf Kundenpirsch geht.

Margen von 45% sorgen für den nötigen Spielraum fürs Dumping. Die Hersteller haben daran allerdings keine Freude, wie die Auseinandersetzung im Fall Affolter zeigt. Der Händler Stephan Affolter beteuert, dass es sich dabei um neue Uhren handle, die er direkt beim Hersteller IWC in Schaffhausen beziehe. Georg Kern, CEO der IWC, dementiert. Nach seiner Version handelt es sich bei den angebotenen IWC-Uhren um einen alten Restbestand. Er ist auch nicht gewillt, solche Praktiken zu dulden, und stellt klar: «Affolter haben wir bereits gekündigt, er wird von uns nicht mehr beliefert.» Das wiederum deckt sich nicht mit Affolters Verständnis der aktuellen Geschäftsbeziehung: Er versichert: «Ich bin weiterhin offizieller Vertreter von IWC-Uhren».

Auch wenn sich nicht genau eruieren lässt, wo die Wahrheit in diesem Fall liegt: Tatsache ist, dass Produzenten sehr wohl um die Discount-Methoden der Händler wissen, diese offiziell zwar verurteilen, insgeheim aber tolerieren. Anders ist kaum zu erklären, dass immer mehr neue und teurere Uhren vom Fachhandel verbilligt angeboten werden. Keine Freude an dieser Praxis hat Verbandssekretär André Hirschi. Er hofft, dass das Beispiel Affolter kaum Schule machen wird. Discount-Methoden, welche das Preisniveau und damit die Marge vermasselten, könne sich die Branche nicht leisten.

Hirschi könnte sich täuschen. Einer kartellrechtlichen Beurteilung hielten die Preisbindungen zudem kaum mehr stand, sagt Affolter. Sicher ist aber: Selbst mit findigen Verkaufsmethoden kann die Branche den Umsatzeinbruch von durchschnittlich 20%, mit dem bis Ende Jahr gerechnet werden muss, nicht mehr wettmachen. Das dürfte Opfer fordern. Von einer Pleitewelle könne zwar nicht die Rede sein, spielt Hirschi die Dramatik herunter. Aber beide Branchenverbände verlieren laufend Mitglieder.

*Die Grossen triffts*

Bluten müssen nicht nur die kleinen Fachhändler, sondern auch die Grossen. Bei Bucherer wurde am Hauptsitz und in der Filiale in Luzern Ende Mai auf Kurzarbeit umgestellt, die seit Oktober jetzt wieder schrittweise aufgehoben wird. Marketingleiter Paul Herzog rechnet in diesem Jahr noch mit einem Umsatz von rund 360 Mio Fr. Im Spitzenjahr 2000 hatte Bucherer noch für 518 Mio Fr. Uhren und Schmuck verkauft. Bei Gübelin sucht Direktor Philipp Roten krampfhaft nach den Lichtblicken. In den Touristenmetropolen Luzern und St. Moritz registriert er ein Minus von 30%. Entsprechend harzig lief der Absatz im mittleren Preissegment, während die teuren Uhren weiterhin gefragt waren. Dafür gibt es offensichtlich eine Kategorie von Käufern, die selbst in schlechteren Zeiten den Gürtel kaum enger schnallen muss. Einen Silberstreifen sieht Roten am Horizont: «Seit September sind Chinesen, Japaner und Thailänder wieder viel präsenter, der touristische Absatz hat im Oktober sogar markant angezogen.» Allerdings werden vier gute Monate kaum mehr reichen, um acht schlechte wieder wettzumachen.

Christ Uhren und Schmuck, mit 80 Filialen in der ganzen Schweiz präsent, hinkt den Umsätzen des letzten Jahres ebenfalls hinterher. «Die grosse Frage ist jetzt, was uns Weihnachten noch bringt», erklärt Geschäftsleiter Pierre Hauser und hofft auf Schadensbegrenzung. «Vielleicht können wir den Rückgang knapp unter eine zweistellige Zahl drücken.» Der Umsatz jedenfalls wird beim Uhrenverkäufer mit dem dichtesten Verkaufsnetz unter 100 Mio Fr. sinken. Vor drei Jahren waren es noch 126 Mio Fr. Wenig optimistisch mit Blick auf Weihnachten äussert sich Herzog: «Die Konsumenten sind nach wie vor zurückhaltend.»

*Hersteller leiden mit*

Das lahme Geschehen an der Verkaufsfront, wo in diesem Jahr in der Schweiz die Milliardengrenze deutlich verfehlt werden dürfte, schlägt auch auf die Hersteller zurück. Die Uhrenindustrie exportiert zwar 95% ihrer Produktion, aber die Kaufunlust ist international. Und sie trifft die vergleichsweise teuren Schweizer Uhren ganz besonders. Die Uhrenindustrie erlitt deshalb in den ersten neun Monaten ein Umsatzminus von 5,4%, und sie verkaufte (in Stückzahlen gemessen) 10,5% weniger Uhren. Einzelne Hersteller wie etwa die LVMH-Gruppe beklagen für diesen Zeitraum gar einen Einbruch von 13%.

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