Häufig entscheiden in kritischen Fahrsituationen lediglich Bruchteile von Sekunden, ob es zu einem Verkehrsunfall kommt oder nicht. So haben Studien ergeben, dass rund 60% der Auffahrunfälle und fast ein Drittel der Frontalzusammenstösse gar nicht passieren würden, wenn der Fahrer nur eine halbe Sekunde früher reagieren könnte. Mehr als ein Drittel aller Unfälle wird durch Spurwechsel und durch unbeabsichtigtes Verlassen der Fahrspur ausgelöst. Etwa ein weiteres Drittel der Unfälle wird durch Auffahren und durch Frontalzusammenstösse verursacht.

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Mehr als zwei Drittel aller Auffahrunfälle entstehen durch Unachtsamkeit. In weiteren 11% kommt zur Unaufmerksamkeit noch zu dichtes Auffahren hinzu, in 9% aller Auffahrunfälle ist zu dichtes Auffahren der alleinige Grund. Insgesamt könnten nach Einschätzung von Bosch Fahrerassistenz-Systeme dazu beitragen, annähernd 90% der Auffahrunfälle zu verhindern oder zumindest in ihrer Schwere deutlich zu mindern. Bosch arbeitet intensiv am «sensitiven Auto». Es verfügt über Sensoren und elektronische Systeme, welche die Fahrzeugumgebung wahrnehmen und interpretieren, gefährliche Situationen frühzeitig erkennen und den Fahrer bei seinen Fahrmanövern unterstützen können. Durch die elektronische Erfassung des Fahrzeugumfelds lassen sich zahlreiche neuartige Fahrerassistenz-Systeme realisieren. Sie sollen die Aufmerksamkeit des Fahrers schärfen, ihn vor gefährlichen Situationen warnen und im Notfall sogar selbsttätig in Fahrmanöver eingreifen.

Bosch geht von einer stufenweisen Markteinführung der Systeme aus. Ausgangspunkt für Fahrerassistenz-Systeme sind für Bosch zwei heute schon vorhandene Komfortsysteme: Einerseits die Einparkhilfe mit Ultraschallsensoren zur Erfassung des Fahrzeug-Nahfelds, andererseits die zunehmend Verbreitung findende automatische Abstandsregelung (Adaptive Cruise Control, ACC) mit Fernbereichs-Radarsensor, welcher die Situation im Fernbereich vor dem Fahrzeug erfasst.

In Verbindung mit weiteren Systemen, zum Beispiel Insassenschutzsystem (Airbag-Steuergerät und Sensorik) oder Elektronisches Stabilitäts-Programm (ESP), optional aber auch einem innovativen Videosystem, baut Bosch diese Komfortsysteme zunächst in Richtung einer erweiterten Unterstützung des Fahrers aus. Im zweiten Schritt werden dann - aufbauend auf den gleichen Systemkomponenten - zusätzliche Funktionen zur Minderung der Unfallschwere implementiert. Aufbauend auf den damit gewonnenen Erfahrungen werden diese Funktionen in weiterer Zukunft dann konsequent zu unfallvermeidenden Systemen weiterentwickelt.

Video- und Radarsensoren unterstützen den Fahrer

Videosensoren spielen für Fahrerassistenz-Systeme eine zentrale Rolle, da sie die Interpretation visueller Informationen (Objektklassifikation) gezielt unterstützen. In naher Zukunft wird Bosch sie für den Einsatz in Fahrzeugen anbieten können und eine Vielzahl neuer Funktionen erschliessen. Im Heckbereich kann die Videosensorik in der einfachsten Variante die ultraschallbasierte Einparkhilfe bei Einpark- und Rangiervorgängen unterstützen. Eine Frontkamera ist für weitere Assistenzfunktionen einsetzbar. Beispielsweise entwickelt Bosch auf dieser Basis derzeit Systeme für die «Fahrspurerkennung». Bei der Fahrspurerkennung werden die Fahrbahnbegrenzungen und der Verlauf der Fahrspur detektiert. Droht das Fahrzeug unbeabsichtigt die Spur zu verlassen, warnt das System den Fahrer. In einer späteren Ausbaustufe ist geplant, die Spurerkennung zum Spurhalteassistenten zu erweitern, der das Fahrzeug durch automatisches Lenken in der Fahrspur hält. Zusammen mit ACC ist dies das ideale System zur Entlastung des Fahrers im Stop-and-Go-Verkehr. Damit die Assistenzfunktionen robust gegenüber Störungen sind und gleichzeitig mehrere Objekte detektiert und klassifiziert werden können, müssen die Signale mehrerer Sensoren kombiniert und ausgewertet werden. Durch die Sensordatenfusion können sich die Systeme ein realitätsnahes und gesamtheitliches Bild von der Fahrzeugumgebung machen. Sie erhalten wesentlich zuverlässigere Informationen über das Fahrzeugumfeld, als dies mit einzelnen Sensoren möglich wäre.

Koordinierte Kontrolle

Künftige Assistenzfunktionen erfordern eine enge Vernetzung der aktiven und passiven Sicherheitssysteme mit den vorausschauenden Fahrerassistenz-Systemen, die Bosch mit dem Programm CAPS (Combined Active and Passive Safety Systems) vorantreibt. Bereits auf Basis der Verbindung von ESP, Bremsassistent und Airbag-Steuergerät können Funktionen zur Verbesserung der Sicherheit realisiert werden. In vielen Fällen kündigen sich unfallträchtige Situationen durch starkes Über- oder Untersteuern oder durch den Beginn einer Notbremsung an. ESP beziehungsweise Bremsassistent erkennen diesen fahrdynamisch kritischen Zustand und aktivieren passive Sicherheitssysteme.

Dr. Rainer Kallenbach, Mitglied des Bereichsvorstands, Geschäftsbereich Automobilelektronik, Robert Bosch GmbH, Stuttgart.