Der 11. September 2001 hat dem Airline-Geschäft einen harten Schlag versetzt. Für ein paar Tage war die Destination USA aus den Flugplänen gestrichen, die Kundschaft stornierte aus Angst vor weiteren Terroranschlägen bereits getätigte Buchungen. Und am gravierendsten: Die auf den September-Anschlag folgenden verschärften Sicherheitsmassnahmen machten die Fliegerei für die Kundschaft zum mühsamen Geschäft; sie verteuerten das Fliegen, und sie sorgten für noch längere Wartezeiten am Boden. Für einige Airlines, darunter als prominentestes Beispiel die Swissair, bedeutete der 11. September das endgültige Aus.

Nur eine Sparte der Fliegerei bekam durch die Katastrophe von New York einen zusätzlichen Kick: das Privatchartergeschäft, die so genannte Business-Aviation. Sie bietet im schwieriger gewordenen Umfeld genau das, was eine zahlungskräftige, viel fliegende Kundschaft wünscht: Effizienz, gepflegten Service und Sicherheit. «Der September 2001 war unser bester Monat», sagt Dave Kinson, Vizepräsident von PrivatAir, einer exklusiven Privatflugzeuggesellschaft mit Sitz in Genf.

Der gestresste Manager schätzt es ungemein, das Check-in am Flughafen in zehn Minuten hinter sich zu bringen sowie in einem gepflegten Ambiente und technisch nicht weniger sicher als in einem Linienflugzeug zu reisen – und vor allem genau dort zu landen, wo er hin will, ohne Umsteigen oder grosse Transfers.

Die Business-Aviation boomt, nicht erst seit dem 11. September, aber seither ganz besonders. Allein im Jahre 2001, so vermeldet der «Air Charter Guide», nahmen die Umsätze der Privatflugunternehmen um satte 26 Prozent zu, und 30 Prozent aller Buchungen stammten von neuen Kunden.

Damit verlieren die herkömmlichen Airlines genau in jenem Kundensegment, das auch für sie am lukrativsten wäre: bei den Topkadern aus der Wirtschaft, die sich Effizienz und Flexibilität gerne auch etwas kosten lassen und es ausserdem schätzen, «ihre» Maschine als fliegendes Büro nutzen zu können, ohne lästige Mithörer und potenziell bedrohliche Mitpassagiere.

Doch es war nicht nur der 11. September, der zum beschleunigten Aufschwung der Branche beigetragen hat. Nicht minder wirksam ist die sich in jüngerer Zeit ausbreitende Empörung vieler Kleinaktionäre über die «Abzocker» in der Chefetage. Firmeneigene Flugzeuge, so genannte Corporate Jets, werden von den Aktionären heute kaum mehr goutiert. Wer wie Ex-«Zürich»-Chef Rolf Hüppi, Credit-Suisse-Boss Lukas Mühlemann oder dessen Starbanker John Mack im eigenen Flugzeug auf Firmenkosten herumfliegt, gerät schnell in den Verdacht, das nicht nur aus geschäftlich gebotenem Anlass zu tun, sondern den eigenen Jet zum Privatvergnügen zu missbrauchen. Wenn die Firma jedoch ein Privatflugzeug bei einer Gesellschaft chartert, geht dieser Posten unter «Reisespesen» in die Kostenrechnung ein, und das schert weder Aktionäre noch Öffentlichkeit.

Nun ist auch in der Privatfliegerei nicht alles Gold, was glänzt. Obwohl der Markt explodiert, werden auch in diesem Bereich immer mehr Anbieter gegroundet. Dies liegt an verschärften Sicherheitsbestimmungen, die sich in strengeren Regeln für Qualitätsmanagement, Pilotenausbildung und Flugzeugunterhalt niederschlagen. Für die grossen Unternehmen mit gut ausgebildeten Crews und einer Flotte auf dem neuesten Stand stellt dies kein Problem dar. Schwieriger wird es für die ganz Kleinen. Für sie sind die Kosten, die sich aus der Umstellung im Management und aus der Aufrüstung der Flotte ergeben, teilweise prohibitiv. Das bestätigt Nik Grob, Präsident der Zürcher Private X-Press, die im letzten September den Start ins Business-Aviation-Geschäft gewagt hat: «Die One-Man-Shows werden verschwinden. Pilot, Mechaniker und Manager in einer Person – das ist auf Grund der strenger gewordenen Regulierungen nicht mehr möglich.»

Ein paar kleine Gesellschaften haben im Zuge dieser Umstellungen schon das Handtuch geworfen. Die 1997 gegründete Genfer Ben Aviation ist eine davon. Sie fliegt einen Flugzeugtyp namens Twin Otter, der den neuen europäischen Luftfahrtsbestimmungen nicht genügt. Die für eine Zertifizierung erforderlichen Kosten für die Umstellung der Flugzeuge und die Ausbildung der Crew waren für Ben Aviation zu hoch. Deshalb hat sie das Europageschäft aufgegeben.

Daniel Solon, Berater bei Avmark International, einem Aviatik-Beratungsunternehmen in London, bestätigt den Trend: «Zwar bedient die Business-Aviation ein sehr wohlhabendes Kundensegment; es ist aber gerade für die kleinen Unternehmen kaum möglich, die gestiegenen Kosten durch Versicherung und Managementausbau tel quel auf die Kundschaft abzuwälzen», sagt er.

«Erfolg haben jene Unternehmen, die konsequent auf Service setzen», ergänzt Wilfried F. Rimensberger, Verlagsleiter der Branchenzeitschrift «Deutsche Horizonte». Seiner Einschätzung nach wird der Markt von amerikanischen Unternehmen aufgerollt. Ein Beispiel für ein solches Unternehmen ist die TAG Aviation in Zürich. Mit ihrer amerikanischen «Service first»-Strategie ist TAG eines der erfolgreichsten Geschäftsfliegerei-Unternehmen auf dem schweizerischen Markt. Wenn der Kunde einmal bei einem Flugunternehmen gebucht hat, gilt es, unter allen Umständen zu verhindern, dass er plötzlich zur Konkurrenz wechselt. Der Dienst am Kunden ist demzufolge das oberste Gebot – und hat keine Grenzen.

Was das bedeuten kann, zeigt folgende Anekdote, die sich vor kurzem in Zürich abgespielt hat: Ein hochkarätiger, verheirateter Geschäftsmann flog mit einem gecharterten Privatflugzeug von einer Konferenz in Cannes zurück nach Zürich, zusammen mit seiner Geliebten. Leider kam genau an diesem Tag seine Ehefrau auf die Idee, ihn am Business-Terminal in Zürich abzuholen, und erkundigte sich am Schalter, wann das Flugzeug lande. Die Fluggesellschaft erkannte sofort die sich anbahnende Kollision und benachrichtigte den Piloten. Der rollte nach der Landung aus dem Blickfeld des Business-Terminals hinaus, wo ein von der Fluggesellschaft georderter Bus die Geliebte abholte. Erst dann rollte das Flugzeug zum Terminal, und der Ehemann wurde von seiner ahnungslosen Frau in Empfang genommen.

Der Geschäftsmann gab vor, etwas vergessen zu haben, lief zur Crew zurück und zückte seine Brieftasche. Dem für die diskrete Aktion verantwortlichen Crew-Mitglied drückte er zwei Tausender in die Hand: «Ich danke Ihnen, eine Scheidung wäre mich teurer zu stehen gekommen.»
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