Der elektronische Austausch von Daten ist nun wahrlich nichts Neues, EDI ist schon seit vielen Jahren ein Thema. So gesehen ist es ein Armutszeugnis, dass Sie jetzt eine eigentliche Umsetzungsinitiative lancieren müssen, um den Karren anzuschieben.

Valentin K. Wepfer: Einerseits haben Sie Recht, EDI ist nichts Neues. Neu sind aber drei Elemente. Zuerst einmal die Kooperation: Die Umsetzungsinitiative beruht auf ECR-Prinzipien und somit auf kooperativen Ansätzen. Es ist nicht die Initiative eines einzelnen Unternehmens, sondern eines ganzen Wirtschaftssektors. Neu sind auch einige Aktivitäten im Hintergrund. Zum ersten Mal in der Geschichte des Detailhandels einigen sich fast alle wichtigen Handelspartner, eine Gruppe von Industrieunternehmen sowie als komplettes Novum auch die EDI-Dienstleister auf ein gemeinsames Vorgehen.

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Zweitens die Einstellung: EDI wurde lange als ein IT-Problem betrachtet. Seitdem das Potenzial aus betriebswirtschaftlicher und organisatorischer Sicht erkannt wurde, hat sich die Situation schlagartig verändert. EDI wird nun als logisches und notwendiges Element betrachtet und entsprechend prioritär behandelt. Als drittes Element erwähne ich ECR-Prozesse und -Systeme: Unternehmen, die auf ECR-Prozesse umstellen, sind nur schon wegen der starken Erhöhung von Geschäftsmeldungen auf den elektronischen Datenaustausch angewiesen. Seit kurzem stehen günstigere und bessere Technologien zur Verfügung, die sich auch für KMU eignen. Die Umstellung auf moderne Warenwirtschaftssysteme bei vielen Handelsunternehmen ermöglicht einen effizienten Umgang mit Daten.

Immerhin thematisiert ECR Europe für die Europa-Konferenz von Ende Mai mit «Shared Learning. Better Shopping» stark die Implementierung von ECR, derweil Sie sich in der Schweiz noch mit Basistechnologien herumschlagen. Haben die Schweizer ECR-Mitglieder den Anschluss verpasst?

Wepfer: In ganz Europa steht EDI ganz oben auf der Agenda. Allerdings stimmt es, dass gewisse Märkte eine höhere Integration erreicht haben als wir in der Schweiz. Doch sind andere Märkte wesentlich stärker fragmentiert und daher komplexer in der Supply Chain. Was die Implementierung angeht, so waren wir in der Schweiz die Initianten und in ganz Europa die Ersten, die gemeinsam mit ECR Deutschland und Österreich mit dem «Zertifizierten Category Manager» eine dezidierte ECR-Schulung entwickelt haben. Andere Länder haben bereits früher mit Umsetzungsinitiativen angefangen. Das hat verschiedene Gründe. Entscheidend ist, dass wir jetzt unsere Umsetzungsinitiative haben, mit der wir 3000 Unternehmen über EDI vernetzen wollen.

ECR Schweiz wollte innert zwei Jahren nach der Gründung mindestens fünf EDI-Messages und die Electronic Database Edb einführen. Warum hat das nicht geklappt?

Wepfer: Einige Unternehmen sind wesentlich weiter gekommen als das, andere weniger weit. Hauptursache ist jedoch die Technik. Viele Systeme waren nicht in der Lage, zu vertretbaren Kosten mit EDI zu arbeiten. Es ist auch so, dass wir vor fünf Jahren relativ naiv gestartet sind. Heute hingegen wissen eigentlich alle genau, wovon wir sprechen.

So haben sich vor einem Monat Gruppen aus Handel, Industrie und Dienstleistern an einem ECR-Meeting zum Thema EDI getroffen. Was ist dabei herausgekommen?

Wepfer: Wir haben über die Umsetzungsinitiative im Detail informiert. In Workshops haben wir weitere Ideen gesammelt und Schwächen identifiziert, um unser Konzept zu verbessern. Bisher hat sich auch im Nachgang niemand negativ über die Umsetzungsinitiative geäussert. Hingegen haben einige Skeptiker die Meinung geändert und stehen nun vollumfänglich hinter dem Vorhaben.

Was bringt EDI eigentlich den KMU? Haben die eine ehrliche Chance, mitzuhalten?

Wepfer: Ja, haben sie. Die heutigen Systeme sind derart flexibel KMU-freundlich, dass es auch in finanzieller Hinsicht keine Argumente gegen eine EDI-Einführung gibt. Es gibt verschiedenste Modelle im Markt, die sich bewährt haben. Wenn ein KMU EDI kann, ist eine Voraussetzung für künftige Partnerschaften erfüllt. Nur schon dieser Faktor reicht eigentlich als Argument.

Was müssen kleinere und mittelgrosse Unternehmen konkret vorkehren, um den Anschluss nicht zu verpassen?

Wepfer: Sie können sich bei ihren grossen Partnern nach geeigneten EDI-Dienstleistern und den erhältlichen Modellen erkundigen. Ab April wird auch die spezielle Website zur Verfügung stehen, wo das genaue Vorgehen dokumentiert ist, abrufbar auf www.ecr-schweiz.ch oder www.ean.ch. Eine Liste von EDI-Dienstleistern, welche bereits operativ mit mindestens zwei ECR-Handelsunternehmen, also ECR-Mitgliedern arbeiten, wird ebenfalls erhältlich sein. Inzwischen kann sich bereits jetzt jedes Unternehmen bei der offiziellen EAN Schweiz erkundigen.

Das Grundproblem ist doch, dass KMU den Aufwand scheuen, sich mit elektronischem Datenaustausch zu befassen und auch keine Spezialisten im Hause haben, um Massnahmen einzuleiten...

Wepfer: ... Dafür gibt es genügend Dienstleister, die für überschaubare Budgets innert kürzester Frist ein Unternehmen auf EDI aufschalten können.

Wo liegen sonst noch Hindernisse für die Ausbreitung von EDI?

Wepfer: Die wichtigsten Hindernisse konnten aus dem Weg geräumt werden. Die wirksamsten Barrieren sind diejenigen in den Köpfen der Menschen. Diese Barrieren muss jeder selbst abbauen.

Und was für Unterstützungen können Organisationen wie ECR oder EAN bieten?

Wepfer: ECR bietet das Netzwerk und die Plattform, damit sich die grossen Unternehmen, Handel, Industrie und Dienstleister auf der obersten Stufe und die Dienstleister auf eine gemeinsame Vorgehensweise einigen. EAN bietet die Standards sowie Beratung für alle EAN-Mitglieder. Weitere Verbände sind willkommen, die Initiative ebenfalls mitzutragen, damit sich diese Dynamik möglichst rasch ausbreitet.

Wie geht es jetzt konkret weiter?

Wepfer: Der nächste Schritt ist das offizielle Kick-off der Umsetzungsinitiative: Der «Big Bang EDI» am 31. März 2004 in Regensdorf. Natürlich hoffen wir auf möglichst viele Unternehmen, welche die EDI-Erklärung unterzeichnen. Viele der wichtigsten Unternehmen haben bereits unterzeichnet, aber es fehlen noch viele. Das gibt uns den Rückhalt im Markt. Wir werden auch an zahlreichen weiteren Veranstaltungen über die EDI-Umsetzungsinitiative informieren. Zudem werden die Handels- und Industrieunternehmen sowie die ECR-Dienstleister im Markt aktiv. Sie haben alle ein gemeinsames Ziel: Die Vernetzung von 3000 Unternehmen.



Profil: Steckbrief

Name: Valentin K. Wepfer

Funktion: Managing Director ECR Schweiz

Alter: 38

Wohnort: Prêles beim Chasseral

Familie: Zwei Töchter (7, 11) ein Sohn (9); die Familie ist bilingue.

Karriere:

Schulen in Zürich, Bern und Stockholm; Ausbildung als Architekt; verschiedene Tätigkeiten im Bereich Marketing; in der Bekleidungsbranche in Deutschland und bei Promarca lernte Wepfer den Konsumgüter-Sektor kennen; seit der Gründung von ECR Schweiz ist er Geschäftsführer und daher massgeblich am Aufbau von ECR Schweiz beteiligt.