Vor 28 Jahren, 1979 stürzte sich der ausgebildete Maschinenbauer Pierre A. Nobs ins Abenteuer der beruflichen Selbstständigkeit, welches nach mehreren Stationen 1990 in die Gründung der Firma Ventura-Design on Time, Volketswil, mündete. Nobs blickt zurück: «Ich entdeckte die beeindruckende Architektur der Uhren aus den 1920er Jahren; meine junge Frau Yuko animierte mich, moderne Architektur in die Gestaltung von Uhren umzusetzen. Wir nennen das Mikro-Architektur. In diesem Sinne ermutige ich Designer und Architekten, meinen technischen Ideen und Funktionskonzepten eine zeitgemässe, logische Form zu verleihen. Umgekehrt stimulieren mich diese Formen.»



Zu den ersten Gestaltungspartnern gehörte der dänische Goldschmied Flemming Bo Hansen. Er kreierte die schlichte «watch», eine völlig neuartige, aber auch ungewöhnliche Synthese aus Form und Funktion mit digitalem Flüssigkristall-Display. Ihre Adelung folgte kurze Zeit später durch eine Aufnahme in die permanente Sammlung des New Yorker Museums of Modern Art.

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1994 fanden Nobs und der Zürcher Gestalter Hannes Wettstein zusammen. Nobs: «Der beeindruckte mich nicht nur durch seine Entwürfe, sondern vor allem durch eine starke Intensität und die Art, wie er Bezüge zu schaffen versuchte.» Die anschliessende Kooperation drängte das eigentliche Design in den Hintergrund. Die technologische und handwerkliche Umsetzung und damit – so Nobs – «die Visualisierung uhrmacherischer Kompetenz dominierten Zug um Zug».

Das neue Denken und Handeln fand ihren Ausdruck in der v-matic-Linie, einer für Ventura völlig neuen Gattung chronometrischer Erzeugnisse. Wettstein animierte Nobs, kostbare Uhrenmechanik aufwendig zu verpacken.

Apple so etwas wie Vorbild



«Für mich», so Nobs, «war es damals ungemein spannend, ausgereifte Mechanik modern zu gestalten. Und das haben wir dann mehr als zehn Jahre lang durchaus erfolgreich gemacht.» Was die bemerkenswerte Aufwärtsentwicklung der Marke Ventura belegt. «Aber irgendwann stellte sich dann doch eine gewisse Monotonie ein. Mir kommt immer die Marke Apple in den Sinn, die Design mit echter technischer Innovation verbindet. Das wollten wir auch tun.»

Weil einem vergleichsweise jungen und kleinen Unternehmen mit begrenztem Budget auf dem Mechaniksektor spürbare Grenzen gesetzt sind, entschied sich Pierre A. Nobs im Herbst 2005 für das Ziehen der Notbremse, ja für eine totale Umkehr.

Der Mechanikuhr Ade gesagt



Pierre A. Nobs sieht das so: «Wir bei Ventura haben mit allen Konsequenzen beschlossen, alles das über Bord zu werfen, was uns hinsichtlich Innovation und Design bislang am meisten einschränkte. Und damit meine ich die Einschalung jener tickenden Serien-Uhrwerke, die nahezu alle Uhrenmarken verwenden.» Womit nicht gesagt sein soll, dass der Maschinenbauer die mechanische Uhrmacherei kategorisch ablehnt. Im Gegenteil: Uhrmacherische Präzision und Technik üben auf Nobs eine ungemeine Faszination aus. Und den Erfolg vieler Uhrenmarken, die auf besagte Kaliber setzen, stellt er keineswegs in Abrede. Nobs: «Aber die heutige Fliessband-Herstellung steht in keinem Bezug zu den handwerklichen Spitzenleistungen zurückliegender Jahrzehnte und Jahrhunderte.»

Die Abwendung von der Mechanik wäre freilich eine nur unvollkommene, würde Ventura derartige Uhrwerke schlichtweg durch elektronische mit analoger Zeitanzeige substituieren. Nobs: «Wir konzentrieren uns künftig auf Digitaluhren, weil in diesem Bereich für uns die grössten Entwicklungsmöglichkeiten bezüglich Funktionalität und Gestaltung stecken.»

Mit der Entschlossenheit von Hauptaktionär Nobs war es in diesem Zusammenhang freilich nicht getan. Ohne die Bereitschaft weitsichtiger Investoren, reichlich Kapital in etwas völlig Neues und daher auch Unerprobtes zu investieren, hätte er auf verlorenem Posten gestanden. «Aber es war erstaunlich einfach, risikofreudige Geldgeber für eine neuartige Elektronik-Manufaktur zu finden. In diesem Sinne entwickeln wir als einzige Schweizer Uhrenmarke die Software für unsere Erzeugnisse. Wir gestalten die grafische Benutzeroberfläche, konstruieren und bauen die Werke. Und das alles unter einem Dach in Volketswil.»

Anderseits lehnt Nobs eine Rückkehr zu den Wurzeln, sprich zu dem, was 1990 als Ventura «watch» für Gesprächsstoff sorgte, gleichfalls kategorisch ab. Normale Batterieuhren, namentlich solche ohne bewegliche Teile, würden den hohen Manufaktur-Ansprüchen gleichfalls nicht gerecht.

Aber glücklicherweise gibt es etwas dazwischen, was sich mit als gelungene Synthese zwischen traditioneller Mechanik und zukunftsweisender Elektronik bezeichnen lässt. Die ETA Autoquarz debütierte 1996; sie besitzt eine Schwungmasse wie Automatikwerke auch, nur treibt diese hier einen winzigen Generator an, der seinerseits Strom für das elektronische Uhrwerk erzeugt.

Auf diesem Uhrwerk basierte die Digitaluhr Sparc fx, welche Hannes Wettstein 1999 für Ventura gestaltete. Die Besonderheit und Exklusivität des futuristisch anmutenden Zeitmessers bestand in einem selbst entwickelten digitalen Display, welches das prinzipiell analoge Autoquarz-Kaliber ansteuerte. Das machte den Batteriewechsel überflüssig. Nur an Funktionen haperte es dem durchgestylten Eyecatcher fürs Handgelenk. Zeit und Datum, das wars.

Scrollen wie bei der PC-Maus



Einen bemerkenswerten Schritt in die künftige Richtung tat Ventura 2003 mit einem Multifunktions-Instrument namens v-tec Alpha. Ihr neuartiges Bedienelement bestand in einer ergonomisch positionierten Walze zum Scrollen sämtlicher Funktionen. Ganz so, wie bei einer PC-Maus. Dementsprechend taufte Ventura das patentierte System auch Easy-Scroll. Das 12-stellige, beleuchtbare LC-Display verfügt über zwei Zahlenreihen: Die obere indiziert die Zeit (HH, MM, SS). Die untere bleibt Datum, Alarm, zweiter Zonenzeit, Chronograph und Countdown vorbehalten. Das Handling war und ist denkbar einfach: Die gewünschte Funktion durch Drehen anwählen und dann per Axialdruck bestätigen.

Nobs: «Was uns schon damals faszinierte, war die hohe Gestaltungsfreiheit infolge fehlender Standards bei den Werken. Und die Fertigung erfolgte bereits bei uns in Volketswil.» Damit waren diese Digitaluhren voll und ganz «Swiss made».

Gehärtete und daher kratzfeste Oberflächen bei ansonsten gleichen Funktionen kennzeichneten die nächste Generation namens v-tec Gamma aus dem Jahr 2004.

ETA setzte andere Prioritäten



Auf diesem Wege hätte es auch wunderbar weitergehen können, wäre da nicht die Entscheidung der ETA-Verantwortlichen gewesen, das Kaliber Autoquarz still und leise vom Markt zu nehmen. Seit seiner Lancierung hatte es stets nur eine untergeordnete Rolle gespielt, was einem Grossserienhersteller auf Dauer nicht genügen kann. Deshalb war guter Rat für Pierre A. Nobs teuer. In Gesprächen konnte er sich mit der ETA zwar auf einen Modus vivendi verständigen. Die Einstellung des für Ventura immens wichtigen Uhrwerks war jedoch irreversibel. Also blieb letztlich nur die Wahl zwischen vollständigem Verzicht, Orientierung an fernöstlichen Alternativen oder jenem Selbermachen in Form einer eigenen Elektronik-Manufaktur.

Das Resultat intensiver Bemühungen ist bekannt. Es macht aus Pierre A. Nobs einen zufriedenen Kommandanten, der die vor ihm liegenden Klippen durchaus sieht: «Wir müssen bei Ventura alle umdenken und die von uns erkorene Nische bestmöglich ausfüllen.» Bei dieser Gelegenheit legt er grossen Wert auf die Beseitigung des Vorurteils, dass Autoquarz-Werke mit digitaler Zeitanzeige weit weniger anspruchsvoll seien als Automatikkaliber. Das Gegenteil sei der Fall.

Ventura hat die Herausforderung angenommen und das Wagnis fürs Erste gemeistert. Die aktuelle Kollektion kennzeichnen charaktervolle, naturgemäss hochpreisige Armbanduhren, bei denen der gestalterische Anspruch und die Fertigungsqualität einen hohen Stellenwert geniessen. Für die Kreation der v-tec-Sigma-Linie heuerten die Zürcher den Schweizer Industriedesigner Paolo Fancelli an, dessen Formensprache die Grenzen des traditionellen Uhrendesigns überwindet. Nobs: «Ich bat ihn, unser VEN-99-Kaliber, das einzige digitale Automatikwerk der Welt, in seine Gestaltungsideen einzubeziehen; wohl wissend, dass es auf Grund der Abmessungen und Proportionen höchste Ansprüche an den Designer stellt.»

Wie frühere Autofahrer-Uhren



Fancelli fand mit der Sparc rx eine funktionale Gestaltungslösung. Seine Konzeption der v-tec Sigma knüpft an frühere Autofahrer-Armbanduhren an, welche an der inneren Wölbung des Handgelenks getragen wurden. Das gestattet direktes Entnehmen der Informationen. Geblieben ist das gleichermassen bewährte und erfolgreiche Easy-Scroll-Innenleben. Klar, dass sich sein digitales Flüssigkristall-Display bei Dunkelheit eindrucksvoll illuminieren lässt. Dies und anderes dürfte Nicolas Cage beeindruckt haben. Deshalb spielt diese Armbanduhr in «Bangkok dangerous», dem nächsten Streifen des Oscar-Preiträgers, eine wichtige Nebenrolle.

Mit der Miss V gelang dem Designer zudem eine feminine Verkleinerung der v-tec. Sie ist als Präzisionsuhr identifizierbar, verkörpert aber gleichzeitig ein skulpturales Accessoire, das sich durch simples Wechseln des Armbands jedem Anlass perfekt anpasst. Ventura bestückt dieses Instrument mit dem Werk VEN-05, das Uhrzeit und Datum darstellt und völlig unkompliziert handhabbar ist.

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Premieren 2007: Jetzt kommen Zeta und Kappa, später die MGS



Neue Modelle Im Laufe des Jahres 2007 wird Ventura seine v-tec-Linie durch die Modelle v-tec Zeta (unten) von Paolo Fancelli und v-tec Kappa (ganz unten) aus der Feder von Hannes Wettstein ergänzen. Beiden gemeinsam sind das aus dem Rahmen des Üblichen fallende Design, die besondere Funktionalität und das «Swiss made» in eigener Electronic-Manufaktur. Auch der Unterschied zu den billigen fernöstlichen LCD-Zeitmessern sticht sofort ins Auge. Die Wertigkeit unterstreichen gehärtete Hightech-Materialien wie Durinox und Titanox, welche Kratzfestigkeit gewährleisten.

Noch ein klein wenig Zukunftsmusik ist die v-tec MGS. Ihre grundsätzlichen Fähigkeiten gleichen denen der v-tec Sigma. Die Energieversorgung steht hingegen im Zeichen grundlegender Optimierung. An die Stelle einer langlebigen Lithiumbatterie tritt ein besonders umweltfreundlicher Energiespeicher. Geblieben ist das Prinzip der selbst-generierenden elektrischen Energie. Nur wanderte der unverzichtbare Rotor auf die Gehäuse-Oberseite, wo er seine Drehungen hinter einem Sichtfenster deutlich wahrnehmbar vollzieht. Uhrenliebhaber sind nun einmal auch Augenmenschen. Dessen ist sich Pierre A. Nobs trotz seinem Hang zu neuen Technologien bewusst.