Das zweite Halbjahr läuft nicht gut», klagt Mark Meier, Präsident des Schweizerischen Versandhandels. In den vergangenen Wochen häufen sich negative Schlagzeilen wie «Umsatzeinbruch», «zweistelliger Millionenverlust», «Aus für Veillon». Dabei liess sich das erste Semester 2004 so gut an: Die 68 im Verband zusammengeschlossenen Versandhäuser erzielten 3,75% mehr Umsatz als im Vorjahr und übertrafen damit gar das Wachstum des Detailhandels von 2,5% (siehe Tabelle). Die Verbandsmitglieder decken 80% des Umsatzes im Versandhandel ab. Im Jahr setzt die Branche laut Verband insgesamt 2,18 Mrd Fr. um.

Besonders hart geschüttelt wird gegenwärtig der traditionelle Versandhandel. Spengler verkaufte seinen Versandhandelszweig nach happigen Verlusten auf Februar 2005 an Quelle Schweiz. Diese übernimmt nur die Marke und den Kundenstamm, nicht aber die 200 Mitarbeitenden von Spengler. Und bei Veillon in Bussigny verlieren 115 Angestellte ihren Job. Der Umsatz ist dieses Jahr dort um 25% eingebrochen. Corneliu Sfintesco, Veillon-Verwaltungsratspräsident und Chef von Ackermann, rechnet mit einem zweistelligen Millionenverlust. Die Fusion von Veillon mit Ackermann in die Regula-Holding hat das Versandhaus nicht retten können. Mitte 2005 kommt für Veillon das Aus.

*Ackermann schreibt rosarot*

Für das verbleibende Versandhaus Ackermann prognostiziert Sfintesco dieses Jahr eine Umsatzstagnation. «Das Budget werden wir aber nicht erreichen.» Letztes Jahr schrieb das Unternehmen «rosarote Zahlen», und dieses Jahr wird es nicht besser werden. «Das 3. Quartal war sehr schwierig», erklärt Sfintesco. Bereits mit Veillon war sein Entlebucher Logistikzentrum nicht ausgelastet. Nun verschärft sich die Situation. Sfintesco sucht deshalb weitere Auftraggeber.

Weit besser geht es einer anderen Versandhandelstochter, die Sfintesco ebenfalls betreibt: Die Versandhandelstochter Laetitia wirft Profit ab. Hier werden nicht Weihnachtskugeln, sondern Neon-Liebeskugeln in Blau oder Rot mit rotierendem Vibroball-Innenleben angeboten. Verkaufsschlager ist die DVD «18 year old Fresh meat».

*Sex, Drugs und Sicherheit*

Neben dem Versandhandel mit Sexartikeln floriert auch der Apotheker-Versandhandel. Beide Zweige profitieren von der Anonymität des Kaufes. HIV-Patienten kaufen ihre Medikamente nicht gerne in der Dorfapotheke ein, wo sie jeder kennt, heisst es etwa in der Versandhandelsapotheke «Zur Rose» in Frauenfeld. Die Versandapotheke MediService in Zuchwil wächst dieses Jahr sogar zwischen 10 und 20%, wie Geschäftsführer Manfred Kammerer erzählt. Sein Handel mit Medikamenten wird einen Umsatz von 70 Mio Fr. erreichen.

Auch der Hartwarenbereich konnte zulegen. Conrad Electronic steigerte den Umsatz dieses Jahr um 5%. «Das erste Semester lief speziell gut, das zweite schlechter», sagt Urs Mettier von Conrad Electronic. Speziell Alarmanlagen wurden verlangt: «Das Sicherheitsbedürfnis ist enorm gewachsen.»

Rund ein Drittel des Branchenumsatzes entfällt auf Vollsortimenter, die ein ähnliches Sortiment wie die Warenhäuser anbieten und stark auf Textilien setzen. Sie stehen auf der Verliererseite und büssen Marktanteile ein. Ist die Zeit solcher traditionellen Versandhäuser abgelaufen? «Vielleicht», antwortet Ackermann-Chef Sfintesco, «jeder versucht sein Glück.»

Die textillastigen Vollsortimenter werden von den Ausländern bedrängt, die sich im schrumpfenden Bekleidungsmarkt breit machen. Im stationären Handel sind es klingende Namen wie Zara oder Mango. Mit deren schnell wechselnden Kollektionen können die traditionellen Versandhändler nicht mithalten. Während früher die Textil-Versandhändler die Ware preiswerter anbieten konnten, weil der stationäre Handel sich an den Schlussausverkauf halten musste, sind heute diese Schranken weggefallen. Aktionen werden das ganze Jahr angeboten. Mit Margen, die beim Versandhandel im Vergleich zu den Läden weit tiefer liegen, können Allrounder kaum mehr Gewinn erzielen.

Daneben jagen immer mehr ausländische Mode-Versandhändler wie Quelle oder La Redoute, eine Tochtergesellschaft der Pinault-Printemps-Gruppe, den Schweizer Versandhändlern Kundinnen ab. Dank ihrer Einkaufsmacht können solche internationalen Firmen die Ware günstiger beziehen, müssen keine riesige Warenlager halten und sparen auch Kosten, indem sie die Kataloge ihrer Mutterhäuser nur helvetisieren müssen. «Wir schreiben schwarze Zahlen», sagt Patrick Kessler vom Schweizer Quelle- und Neckermannversand.

Allerdings wirft das angeschlagene deutsche Mutterhaus Karstadt Quelle, das in Deutschland zahlreiche Filialen schliesst und Mitarbeitende entlässt, auch Schatten auf die Schweizer Töchter. «Die Situation ist angespannt», sagt Kessler, «wenn das Mutterhaus sein Konzept ändert, sind auch wir betroffen.» Trotzdem wolle Quelle nächstes Jahr einen Spengler-Katalog herausgeben, der ein für die Schweiz noch nicht bekanntes Sortiment anbieten werde.

*Neue Konzepte*

Trotz der jüngsten Rückschläge hat der Versandhandel eine Zukunft. Davon ist Verbandspräsident Meier überzeugt: «Aber der Versandhandel der Zukunft sieht anders aus.» Die Absatzkanäle verwischen sich. Immer mehr Einzelhändler bieten ihre Waren auch per Internet an oder nutzen Plattformen wie eBay und Ricardo und werden so zum Versandhändler. Bereits kommen rund 15% der Bestellungen im Versandhandel über das Internet.

Statt mit schweren und teuren Mega-Katalogen wird die Zukunft bei kleinen, mehrmals pro Jahr verschickten Katalogen liegen. «Wir müssen das Shop-in-Shop-Konzept der Warenhäuser für den Versandhandel übersetzen», meint Ackermann-Chef Sfintesco. Solch neue Konzepte sind gefordert, wenn der Versandhandel überleben will.

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