Von Tempo null auf 60: Zwei Deals künden an, dass sich nach überstandener Rezession die Versicherungsbranche weiter konsolidiert. Der weltweit zweitgrösste Lebensversicherer, die französische Axa, übernimmt für 1,5 Mrd Dollar die amerikanische Gesellschaft Mony. Und: John Hancock (USA) soll an den kanadischen Lebensversicherer Manulife verkauft werden, für rund 10,4 Mrd Dollar.

Die Schweiz wird sich diesem Trend nicht entziehen können. Offiziell zum Verkauf steht zwar nur die La Suisse. Doch auch um die Bâloise, die zu 27% der Zurich gehört, ranken sich wieder vermehrt Gerüchte. Als Übernahmekandidat in aller Munde hingegen ist die Winterthur. Denn will die Credit Suisse in Deutschland eine Bank übernehmen - CEO Oswald Grübel denkt darüber laut nach - wird sich die CS von der Versicherung trennen müssen. Fit für einen Verkauf wäre die Winterthur allemal: Die Lebenrückstellungen sind um rund 3,7 Mrd Fr. verstärkt worden, und nach den Verkäufen des italienischen Geschäftes an Unipol (für 1,465 Mrd Euro) und des Nichtlebenversicherers Churchill an die Royal Bank of Scotland (für 1,1 Mrd GBP) verfügt der Konzern wieder über genügend Eigenkapital. Die Bank Pictet schätzt die Solvabilität (verfügbares versus benötigtes Kapital) des Konzerns heute auf rund 200%. Zudem ist der Ausverkauf noch nicht vorbei: So sollen weitere Teile des US-Geschäftes zum Verkauf stehen, wo gemäss UBS rund 800 Mio Fr. Kapital gebunden sind. In Spanien, Deutschland, den Benelux-Staaten und Grossbritannien wiederum muss die Winterthur mittelfristig wachsen - oder aussteigen. Denn überall hat sie zwar beachtliche Unternehmen, aber kaum irgendwo mehr als 5% Marktanteil.

Damit scheint klar: Die Winterthur reduziert ihre Aktivitäten immer mehr auf Deutschland und die Schweiz (siehe Grafik). Viele Analysten fragen sich, wer an diesem abgespeckten Konzern überhaupt Interesse haben könnte. Die Antwort ist simpel: Wer immer in diesen Märkten wachsen will, vor allem in der Schweiz. Davon gibt es immerhin deren drei: Die deutsche Allianz, die französische Axa und die italienische Generali. Alle drei haben in der Schweiz bereits erfolgreiche Tochtergesellschaften. Und alle drei können aus eigener Kraft kaum mehr wachsen. Die Winterthur würde jede einzelne mit einem Schlag zur Nummer eins machen. Denn im Nichtlebengeschäft ist die Winterthur Marktleaderin (16%); im Lebengeschäft teilt man sich die Marktführung mit der Swiss Life. Was aber ist von den Spekulationen zu halten?

n Laut Gerüchten am Frankfurter Markt soll die Allianz die Winterthur im Tausch mit der Dresdner Bank erhalten. Die Lust der CS, die angeschlagene Dresdner zu übernehmen, dürfte sich allerdings in Grenzen halten. Widerstand könnte auch von den deutschen Regulatoren kommen: Die DBV, seit dem Zusammenschluss mit der CS zur Winterthur gehörend, ist unter den zehn führenden privaten Krankenversicherern in Deutschland. Lukrativ sähe das Szenario für die

Allianz Suisse aus, die in der Vergangenheit schon die Berner und die Elvia geschluckt hat. Die Gruppe hat kürzlich den Turnaround geschafft und ist im Lebengeschäft mittlerweile die Nummer sechs hier zu Lande. Fraglich ist jedoch, ob die Deutschen am Pensionskassengeschäft der Winterthur interessiert sind, denn: Sie haben sich 1998 mit der Berner Pensionskasse die Finger verbrannt.

n Flexibler als die Allianz ist die Generali: Dem Konzern geht es gut, in der Schweiz hat man eine erfolgreiche Einheit aufgebaut. Allerdings sind die Italiener kaum am Kollektivlebengeschäft interessiert, nachdem man dieses bei der Generali Schweiz abgebaut hat. Zudem bietet die Generali fast nur noch fondsgebundene Lebensversicherungen an, die Winterthur aber zu über 90% traditionelle Produkte. Attraktiv wäre für die Generali das Nichtlebengeschäft der CS-Tochter. Da die Winterthur über getrennte Vertriebskanäle (Leben/Nichtleben) verfügt, ist es denkbar, dass nur das Sachgeschäft verkauft wird. Die Generali besitzt zudem 9,9% an der Commerzbank, an der die CS Gefallen finden könnte.

n Sinn machen würde eine Übernahme durch die französische Axa: Die Axa will seit langem in der Schweiz Fuss fassen, ist bis jetzt aber unbedeutend geblieben. Nur durch eine namhafte Übernahme, wie es der Allianz und der Generali in der Vergangenheit gelungen ist, kann die Axa wachsen. Der CEO der Axa, Henri de Castris, macht keinen Hehl daraus, dass er expandieren möchte; auch in die Schweiz. Der Boss der Axa hat zudem eine Schwäche für das «Zwangssparen», wie es in der Schweiz in der 2. Säule gemacht wird. Denn nur so, ist de Castris der Ansicht, können die Renten gesichert werden. Axa wolle dabei eine Rolle spielen, gab er dem «Daily Mail» in London jüngst preis. Allerdings müsste Axa für die Übernahme der Winterthur erneut Kapital aufnehmen, was immer mit Risiken verbunden ist.

Last but not least, halten es Beobachter auch für möglich, dass die Winterthur via Spin-off verselbstständigt wird.

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