Viktor Vekselberg ist reich, sehr reich. Die «Bilanz» schätzt sein Vermögen auf über 13 Milliarden Franken. Parkiert ist das immense Vermögen in zahllosen Firmenbeteiligungen – unter anderem auch in der Schweiz.

Die Industriefirmen Sulzer und Oerlikon sowie das Stahlunternehmen Schmolz+Bickenbach gehörten – und gehören – zum Reich des russischen Oligarchen, ebenso die Immobilienfirma Züblin. Doch seit die USA vor rund vier Wochen Sanktionen gegen sieben Russen und ihre Firmen verhängt haben, weil sich Russland in den US-Wahlkampf eingemischt haben soll, ist im Schweizer Imperium Vekselbergs nichts mehr, wie es war.

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Aus dem Milliardär wird ein Mann auf Geldsuche

Aus dem Milliardär ist fast über Nacht ein Mann geworden, der sich mit seinen Managern tagtäglich darum bemühen muss, seine Liquidität zu sichern. Als sanktionierter Geschäftsmann ist Vekselberg ein Milliardär auf Geldsuche.

Wie kann das sein? Es ist ja nicht so, dass Vekselberg wegen den US-Sanktionen plötzlich mausarm wäre. Eine Erklärung: Die Banken in den USA, aber vor allem in der Schweiz, wo Vekselberg mit seiner Renova so etwas wie das Nervenzentrum seiner europäischen Beteiligungen unterhält, wollen nichts mehr mit Vekselberg oder seinen Beteiligungen zu haben.

Rein rechtlich dürften sie zwar noch Geschäfte mit Sulzer oder Oerlikon machen, aber sie wollen nicht. Zu gross das Risiko, der US-Justiz aufzufallen. Zu gross das Risiko, in Washington in Ungnade zu fallen. Zu gross das Risiko, selbst in den Strudel der Geschehnisse hineingezogen zu werden. Schliesslich stehen sie in Washington unter besonderer Beobachtung, seit sie in den USA Milliardenbussen bezahlen mussten, weil sie Kunden beim Geldverstecken geholfen hatten.

«Es sind die Banken, die Vekselberg die Luft abdrehen»

«Handelszeitung»-Chefredaktor Stefan Barmettler kommentiert die Situation: «Was die Amerikaner bislang nicht fertig brachten, nämlich Vekselberg die Luft abzudrehen, erledigen nun die Schweizer Banken.» Der russische Grossinvestor sei bei den Geldinstituten «zur Persona non grata avanciert»: «Weil es sich kein Banker mit den Amerikanern verscherzen will, hockt Vekselberg nun auf dem Trockenen.»

Sanktions-Experte Philippe Reich von der Anwaltskanzlei Baker McKenzie pflichtet dem bei. Zulieferer, Kunden oder Banken seien oft sehr vorsichtig, wenn es um Geschäfte mit Firmen gehe, die eine sanktionierte Partei als bedeutenden Aktionär hätten. «Viele sagen sich einfach: Mit einer solchen Firma will ich möglichst wenig oder gar nichts zu tun haben. Punkt.» Reich ergänzt: «Die Verunsicherung ist von den Amerikanern gewollt.» Die Bestimmungen seien absichtlich vage formuliert.

Vorsicht statt Untersuchung

Bereits Mitte April – unmittelbar nach dem Inkrafttreten der Sanktion gegen Vekselberg und weitere Oligarchen – äusserste sich der in den USA arbeitende Schweizer Anwalt Daniel Wuersch im Interview mit der «Handelszeitung» wie folgt: «Jeder, der mit Vekselberg geschäftlich zu tun hat, wird sich die Frage stellen müssen, ob er Gefahr läuft, damit  die US-Sanktionen zu umgehen.» Es sei nicht so, dass Banken gar nicht mehr mit sanktionierten Personen Geschäfte tätigen dürfen. «Aber Institute, die Interessen in den USA haben, müssen sich sehr vorsichtig verhalten», so Wuersch. «Wahrscheinlich wird die eine oder andere Bank die Geschäftsbeziehungen abbrechen, aus Angst, in eine Untersuchung zu geraten. Die Angst vor einer Untersuchung wirkt ja oft abschreckend genug.»

Wie ernst es die USA mit dem Vorgehen gegen Vekselberg meinen, zeigt die Absage Jon Huntsman, US-Botschafter in Moskau, gemeinsam mit dem Oligarchen auf einem Podium an einem Wirtschaftsforum in St. Peterburg zu sitzen. Eigentlich hätte Huntsman die Eröffnungsrede am SPIEF halten sollen, dem russischen Pendant zum Swiss Economic Forum. Nun wird der Diplomat nur noch Zuhörer sein.

Um seine Beteiligungen vor den Auswirkungen der gegen ihn erlassen US-Sanktionen zu schützen, baut Vekselberg seine Investments teils massiv ab. Ob der Befreiungsschlag aber wie gepant wirkt, muss sich erst noch zeigen. Denn: Um Strafmassnahmen zu entgehen, kaufte Sulzer Vekselberg in einer Nacht-und-Nebel-Aktion mitt April dessen Aktien ab. Vekselberg Beteiligung sankt unter die kritische Schwelle von 50 Prozent. Doch obwohl die Beteiligungen des Russen bei Oerlikon und Schmolz+Bickenbach deutlich darunter lagen, spürten auch diese Gesellschaften Gegenwind.

So sagte Oerlikon-Chef Roland Fischer bereits Anfang Mai, es gebe Nachfragen von einzelnen Finanzhäusern, bevor diese in Transaktionen mit dem Konzern einwilligten. Und ein Schmolz-Sprecher erklärte, bei gewissen Kreditgeschäften schauten die Banken genauer hin. Mit einer schnellen Änderung rechnete er nicht. «Solange die Sanktionen gegen Herr Vekselberg in Kraft sind, wird das ein Thema bleiben.»

Vekselberg zahlt Kredite zurück

Bei den Anlegern überwog dennoch die Zuversicht. An der Börse legten sowohl Oerlikon als auch Schmolz am Dienstag zu. «Der Beteiligungs-Abbau nimmt etwas Druck weg», erklärte ein Analyst. Das hängt auch damit zusammen, dass Vekselberg Bankkredite im Volumen von über einer Milliarde Franken an Institute wie Credit Suisse, UBS und Deutsche Bank zurückzahlte, wie Insider am Samstag zu Reuters sagten.

Als Sicherheit für die Kredite dienten Aktienpakete an Oerlikon, Schmolz sowie Sulzer. Händler hatten befürchtet, dass diese Aktien auf den Markt geworfen werden könnten, wenn die Banken das Geld nicht bis zum Inkrafttreten der US-Sanktionen am 5. Juni zurückerhalten hätten.

Der Analyst wertete es zudem als positiv, dass Vekselberg die Oerlikon- und S+B-Aktien an ihm nahestehende Investoren sowie eigene Manager und nicht über die Börse verkauft habe. «Wenn die Amerikaner das akzeptieren, ist das eine elegante Lösung», erklärte er.

(Mit Material von Reuters, Bloomberg und SDA)

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