Ein Konzern, der vom schnittigen Motorrad, praktischen Klein- und rassigen Sportwagen bis zur Luxus-Limousine und dem 40-Tonner-Lastwagen alles bietet, was auf den Strassen rollt. Das war die Vision von Ferdinand Piech, früher Vorstands- und dann Aufsichtsratschef vom Volkswagen. Unter seiner Ägide wuchs der Wolfsburger Konzern zu einem Imperium mit zwölf Marken - zuletzt durch die Übernahme des italienischen Motorradbauers Ducati, der für seine feuerroten Sportmaschinen bekannt ist.

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Doch nach dem Ausstieg des Firmenpatriarchen beginnt sein Reich zu bröckeln: VW erwägt einen Verkauf der Motorradsparte, wie Reuters von Insidern erfuhr. Das könnte einen Rückbau des Riesenkonzerns einleiten, der horrende Kosten für den Dieselskandal stemmen muss und sich mehr auf das Automobilgeschäft konzentrieren will.

Zeichen der Konsolidierung

«Nun wird deutlich, dass das Sammeln von Marken bei Volkswagen ein Ende hat», sagt Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Ein Verkauf von Ducati wäre ein Zeichen der Konsolidierung. «Es geht nicht mehr um Grösse und Macht, sondern um neue Geschäftsmodelle und Flexibilität im technologischen Wandel.» Konzernschef Matthias Müller selbst hatte im vergangenen Juni angekündigt, das Portfolio an Beteiligungen im Zuge des Umbaus zu überprüfen.

Schon nach Piechs Rückzug als Aufsichtsratsvorsitzender vor zwei Jahren im Streit mit dem damaligen Vorstandschef Martin Winterkorn waren Spekulationen aufgekommen, dass das Imperium zerbröseln könnte. Volkswagen könne Beteiligungen verkaufen, hiess es. Die Gedankenspiele wurden noch befeuert, als im September 2015 der Abgasskandal bekannt wurde, für dessen Aufarbeitung Europas grösster Autokonzern zig Milliarden benötigt. Seit Piech einen Grossteil seiner Aktien an der Porsche SE verkauft hat, über die die Familien Porsche und Piech die Mehrheit an Volkswagen halten, scheint der Weg auch für tiefergreifende Veränderungen frei.

Verkäufe nicht aus Geldnot

Volkswagen hat wiederholt darauf verwiesen, dass die Liquidität ausreiche, weil die Geschäfte trotz der Belastung durch «Dieselgate» gut liefen. Seit dem Vergleich in den USA, wo die Abgasmanipulation aufgeflogen war, kann sich VW auch wieder Mittel am Kapitalmarkt zu verträglichen Konditionen beschaffen. Die Botschaft lautet: Es gibt keinen finanziellen Druck, um Beteiligungen zu versilbern. Dennoch erwarten Experten weitere Verkäufe: «Ich bin der festen Überzeugung, dass VW weitere kleinere Bestandteile, die nicht zum Kerngeschäft gehören, abspaltet, um den Konzern einfacher zu machen», sagt Autoexperte Arndt Ellinghorst vom Investmentberater Evercore ISI.

Ein heisser Kandidat dafür ist die Lkw-Sparte, in der die Marken Scania und MAN zusammengefasst sind. «Ich glaube, dass ein Lkw-IPO eine Möglichkeit ist», sagt Ellinghorst. «Das wird aber noch länger dauern.» VW-Truck-Chef Andreas Renschler hat wiederholt gesagt, er halte sich alle Optionen offen. Für einen Börsengang gebe es jedoch keine konkreten Pläne. An einen Verkauf einer der Kernmarken wie Audi, Seat, Skoda oder Porsche glaubt Ellinghorst nicht. «Das sind Hirngespinste.» Auch von den Luxusmarken Lamborghini, Bentley und Bugatti dürfte sich der Konzern nicht verabschieden: «Ich glaube, dass man an dem Kern der Marken, die zum Automobilgeschäft gehören, festhalten wird.»

Trennung von von Schiffsmotoren und Turbomaschinen?

Denkbar ist Experten zufolge aber eine Trennung von der MAN-Sparte Diesel & Turbo, einem Hersteller von Schiffsmotoren und Turbomaschinen. Der Bereich gehört nicht wirklich zum Kerngeschäft, deshalb wird über seine Zukunft wird am Kapitalmarkt schon länger spekuliert. Auch das Komponentengeschäft gilt bei manchen Analysten als Verkaufskandidat, seit VW angekündigt hat, die Komponetenwerke unter einer gemeinsamen Führung zu bündeln. VW hat Verkaufspläne jedoch dementiert. Auch Experte Ellinghorst glaubt nicht daran: «Da hat die Gewerkschaft den Daumen drauf.»

Doch klar ist, dass Piechs Vision zu verblassen beginnt. Ducati war das Lieblingsprojekt des Porsche-Enkels - die Motorradmarke wurde auf sein Drängen hin gekauft, obwohl Experten damals den strategischen Sinn der Übernahme bezweifelten. Nun stehen offenbar ausgerechnet die roten Motorräder als erstes auf der Verkaufsliste.

(reuters/ccr)