BILANZ: Wie fühlt man sich, wenn man gerade eine halbe Milliarde Franken ausgegeben hat?

Boris Collardi: Wie meinen Sie das?

So viel kostete Sie der Kauf des Schweizer Privatbankablegers der holländischen ING.

Wir sind mit dem Kauf sehr zufrieden. ING Schweiz passt perfekt in unsere Strategie.

Inwiefern?

Zunächst von der Grösse her. Die Bank betreut 15 Milliarden Franken an Kundengeldern. Dadurch steigern wir unsere verwalteten Vermögen auf einen Schlag um rund zehn Prozent. Aber auch die Qualität des Portefeuilles stimmt und ergänzt geografisch unsere Aktivitäten ideal. Wir können in Genf unsere Stellung markant ausbauen. Setzt man den Kaufpreis in Relation zum gewachsenen Kundenvermögen, so ist der Deal im Branchenvergleich auch sehr günstig.

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Bär will durch Zukäufe gezielt wachsen. Wie viel Geld ist jetzt noch in der Kriegskasse?

Auch nach dem Kauf haben wir immer noch eine komfortable Kernkapitalquote von rund 16 Prozent. Für Zukäufe bleibt weiterhin viel Spielraum.

Schon konkret etwas in Aussicht?

Wir prüfen laufend Opportunitäten.

Die Investmentbanken werden Ihnen mit Vorschlägen die Türen einrennen.

Das stimmt. Aber es ist uns noch keine schlaue Idee präsentiert worden, auf die wir nicht auch selbst gekommen wären.

Mit dem Kauf werden Sie bei der Integration der neuen Tochter gefordert. Da bleibt wieder nicht viel Zeit für Kundenkontakte. Wann holen Sie Ihre fehlende Erfahrung in diesem Bereich nach?

In der Tat standen strategische und organisatorische Fragen zuletzt weit oben auf der Prioritätenliste. Das heisst aber nicht, dass Kundenkontakte zu kurz kommen. Ich versuche, täglich mindestens einen Kunden persönlich zu treffen.

Noch betreut Präsident Raymond Bär sehr viele Kunden. Entspricht das deren Wunsch?

Nicht nur. Die meisten Anfragen für Meetings kommen ja aus der Linie, von unseren Anlageberatern. Wir haben in der Geschäftsleitung starke Regionalchefs, die sehr aktiv an der Kundenfront sind. Zudem schauen Raymond Bär und ich jeweils sehr pragmatisch, wer Zeit hat, Kunden zu treffen.

Sind Kundenmeetings für Sie eher Pflicht oder Spass?

Ich treffe sehr gerne Kunden, ja ich würde am liebsten immer nur mit Kunden zusammen sein. Man trifft beispielsweise viele Leute aus anderen Ländern und Kulturkreisen. Solche Gespräche sind immer sehr befruchtend.

Ist Ihr jugendliches Aussehen kein Hindernis, gerade bei älteren Kunden?

Ob bei jüngeren oder älteren Kunden: Wichtig scheint mir, dass, was man erzählt, Hand und Fuss hat. Dass man eine klare Meinung hat, etwa über Märkte, Produkte oder Performance. Ich bin zudem keine kalte Person, kann mich für Menschen und Themen begeistern.

Das kommt gut an?

Es hat bis jetzt jedenfalls noch niemand gesagt: Können Sie bitte jemanden mitbringen (lacht).