Die Frage nach der wirtschaftlich optimalen Dämmung ist für viele Architekten und Planer rasch beantwortet: Alles, was über das gesetzliche Minimum hinausgehe, rentiere nicht. So kommt es, dass die meisten Neubauten heute bloss die vorgeschriebenen 10 bis 12 cm Dämmung an Fassade und Dach erhalten. Bei Instandsetzungen und Erneuerungen verbessern gar nur etwa ein Drittel der Bauherrschaften den Wärmeschutz dieser Bauteile.
Wenig verlässliche Studien
Ein wesentlicher Grund für die Zurückhaltung beim weitergehenden Wärmeschutz dürfte der Mangel an verlässlichen Studien über dessen Kosten und Nutzen sein. Hier hat das Centre for Energy Policy and Economics (CEPE) der ETH aber in letzter Zeit Pionierarbeit geleistet. Mittlerweile liegen von dort mehrere Studien vor, die klarere Aussagen zur Frage der Rentabilität des Wärmeschutzes liefern.
Die Studien beruhen auf erhobenen, marktnahen Preisen und einem umfassenden, zukunftsbezogenen Ansatz. Dabei wurden nicht nur sämtliche Kosten und Nutzen berechnet, sondern auch dynamisch an künftige Entwicklungen angepasst. Dies betrifft insbesondere absehbare Veränderungen bei den Energiepreisen, im Immobilien- und Wohnungsmarkt sowie bei den Zinsen.
Zusätzlich haben die Forscher ausser den direkten auch die indirekten Nutzen betrachtet. Unter direkten Nutzen versteht man hier im Wesentlichen die vermiedenen Wärmekosten. Die indirekten Nutzen hingegen umfassen etwa besseren Wohnkomfort und Werterhaltung, vermiedene Bauschäden oder höhere Mieterträge und Verkaufspreise als Folge des zusätzlichen Wärmeschutzes. Während sich die direkten Nutzen recht genau beziffern lassen, steckt die Berechnung der indirekten Nutzen noch in den Anfängen. Erste Ergebnisse der ökonomischen Bewertung von indirekten Nutzen konnten aber in den Studien bereits mitberücksichtigt werden.
Direkte Nutzen
Die vermiedenen Wärmekosten errechnen sich hauptsächlich aus der gesparten Energiemenge, dem Energiepreis und den vermiedenen Umwandlungsverlusten. Hinzu kommt noch eine Gutschrift, die berücksichtigt, dass ein besser gedämmtes Gebäude mit einer kleineren (kostengünstigeren) Heizungsanlage auskommt. Bei den Mitte 2004 üblichen Energiepreisen von etwa 5 Rp./kWh (entspricht 50 Fr./100 l Heizöl) resultieren so Wärmekosten von 6,8 Rp./kWh. Berücksichtigt man die Risiken für Energiepreissteigerungen während der bis zu 50-jährigen Lebensdauer von Wärmeschutzinvestitionen bei Wand und Dach, sind 7 Rp./kWh für den Energiepreis und 9 Rp./KWh für die Wärmekosten ein realistischeres Szenario.
Setzt man nun die gesparten Wärmekosten als direkten Nutzen in Bezug zu den Kapitalkosten der Wärmeschutzinvestitionen, zeigt sich bereits Erstaunliches: Entgegen der verbreiteten Meinung sind bei Neubauten Dämmstärken bis 18 cm nur schon wegen der gesparten Wärmekosten wirtschaftlich. Solche Dämmungen vermögen den Wärmebedarf pro m2 gegenüber dem heutigen Standard um rund ein Drittel zu verringern.
Bei der Erneuerung von ungedämmten Gebäuden sind gar Dämmungen bis 20 cm wirtschaftlich - verglichen mit der blossen Instandsetzung der Fassade oder des Dachs. Je nach Flächenverhältnis reduziert sich damit der Heizwärmebedarf um 20% bis 40% bei Einfamilienhäusern und um 17% bis 30% bei Mehrfamilienhäusern.
Indirekte Nutzen
Wie indirekte Nutzen die Wirtschaftlichkeit des Wärmeschutzes beeinflussen können, lässt sich exemplarisch an einer 100-m2-Dachwohnung zeigen. Hier erhöht eine grosszügige Wärmedämmung den Komfort ja wesentlich - sommers wie winters. Kann eine solche Dachwohnung wegen des besseren Komforts im Monat beispielsweise um 20 Fr. teurer vermietet werden, ergibt das pro m2 und Jahr Mehreinnahmen von 2.40 Fr. Damit werden selbst Dämmungen mit 30 cm und mehr rentabel.
Ein weiteres Beispiel für die Wirkung von indirekten Nutzen liefert die Komfortlüftung. Auch sie gehört zum weitergehenden Wärmeschutz, denn sie vermag - eine dichte Gebäudehülle vorausgesetzt - die Lüftungsverluste um bis zu 80 bis 90% zu verringern. Von den direkten Nutzen her gesehen ist die Komfortlüftung nicht wirtschaftlich. Nach Abzug der gesparten Wärmekosten verursacht sie bei einer 100-m2-Wohnung noch Nettokosten von etwa 50 Fr. im Monat. Das entspricht rund 3% eines üblichen Mietzinses.
Nun produzieren Komfortlüftungen aber verschiedene Zusatznutzen: Aus Sicht der Bewohner verbessern sie beispielsweise die Behaglichkeit, den Lärmschutz, die Luftqualität und die Sicherheit. Aus Sicht der Eigentümerin verbessern sie die Wertentwicklung der Liegenschaft, erhöhen die Mieteinnahmen und den Verkaufswert für die Objekte. Dass solche indirekten Nutzen reale Mehrwerte generieren, weist eine Studie nach, die das CEPE zusammen mit der Firma Econcept verfasst hat.
Dort zeigte eine Variantenbefragung unter 130 Mietenden, dass bei Neubauwohnungen ein 4% bis 10% höherer Mietzins akzeptiert würde, wenn diese über eine Komfortlüftung verfügten. Mit dieser Zahlungsbereitschaft wären die Mehrkosten der Komfortlüftung in den meisten Fällen etwa kompensiert. Bei bestehenden Gebäuden gilt Ähnliches, besonders dann, wenn sie über neue Fenster und einen verbesserten Wärmeschutz verfügen.
Auch hinsichtlich der ökonomischen Bewertung eines Gebäudes zahlt sich die Kombination Komfortlüftung plus hoher Wärmeschutz aus. Wie gemeinsame Analysen von CEPE und Zürcher Kantonalbank (ZKB) ergaben, erzielen Einfamilienhäuser, die nach dem Minergie-Standard gebaut sind, einen 4% bis 9% höheren Verkaufspreis als vergleichbare Standardbauten.
Fehlgelenkte Ressourcen
Insgesamt lässt sich also feststellen, dass die Wirtschaftlichkeit von weitergehendem Wärmeschutz stark unterschätzt wird. Hier werden Chancen verpasst, sowohl was die Immobilienwirtschaft betrifft als auch hinsichtlich der Klimapolitik. Volkswirtschaftlich ist das fatal, weil Geld und Ressourcen in die falsche Richtung gelenkt werden. Statt dass sie langfristig sinnvoll in bessere Gebäude investiert werden, verpuffen sie sozusagen in der Heizung.
Wärmedämmung
Eingesparte Wärmekosten
Bei einer Wärmedämmung sind die Kosten pro gesparte kWh Nutzenergie nicht direkt mit dem Energiepreis, sondern mit den gesparten Wärmekosten zu vergleichen. Sie berücksichtigen auch die vermiedenen energetischen Verluste der Heizanlage. Zusätzlich enthalten die Wärmekosten auch die Einsparungen beim Wärmeerzeuger selbst. Diese entstehen, weil ein besser gedämmtes Gebäude mit einer kleineren Heizung auskommt.
(in Rp./kWh)
Energiepreis 5.0 7.0
Energiekosten (Energiepreis
dividiert durch Nutzungsgrad) 5.6 7.8
Gutschrift für kleinere Heizanlage 1.2 1.2
Resultierende eingesparte
Wärmekosten 6.8 9.0