Seine Leute sprengen einen tiefen Krater – wohl als Schauplatz für eine Schlacht gedacht – in die sonst so stille Wüste von Abu Dhabi. Unweit von Hameem lässt Jeffrey Jacob Abrams dazu eine Art ausserirdischen Wochenmarkt aufbauen, bevölkert von vieläugigen Kreaturen und bizarren Weltraumwesen. 600 Schauspieler, Statisten, Techniker sorgen auf sein Geheiss für intergalaktischen Trubel in der Ödnis der Wüste Rub al-Chali.

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Zugleich lässt der US-Filmregisseur die Pinewood Studios in der englischen Grafschaft Buckinghamshire hermetisch abriegeln. Nur ein schlichtes Plakat an der grauen Aussenmauer des Studios mit der rätselhaften Aufschrift «VII. Now filming» verrät Eingeweihten, dass Abrams dort gerade den siebten Teil des Sciencefiction-Klassikers «Star Wars» dreht.

Eine kleine Figur in einem weit grösseren Spiel

Obwohl am Set alle auf sein Kommando hören, ist Abrams nur eine kleine Figur in einem weit grösseren Spiel. Darin zieht Robert (Bob) Iger die Fäden. Der smarte Mann mit den kurzen grauen Haaren ist Konzernchef von Walt Disney – und Boss von Abrams, allen «Star Wars»-Helden, aber auch von zahllosen Figuren der globalen Popkultur von Micky Maus und Donald Duck über Mogli aus dem «Dschungelbuch»-Film und Kermit den Frosch bis zu Iron Man, Hulk und der bösen Fee Maleficent.

Der 62-Jährige, erst der sechste Lenker des 1923 gegründeten Medienkonzerns, steht auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Disney setzte im letzten Geschäftsjahr 45 Milliarden Dollar um, beschäftigt 175 000 Menschen, ist an der Börse 150 Milliarden Dollar wert und scheffelte mit gut 6 Milliarden Dollar so viel Gewinn wie nie zuvor. Mitte Juli durfte Iger die Schlussglocke an der New Yorker Börse läuten, ein US-Magazin hatte ihn gerade zum «CEO des Jahres» gekürt.

Das Erfolgsrezept erscheint einfach

Noch nie war Disney so gut darin, Kindern und Erwachsenen weltweit das Geld aus der Tasche zu ziehen. Das Rezept dafür erscheint einfach: Kein anderer Medienriese hat sich so vollgepumpt mit geistigem Eigentum wie Disney aus Burbank in Kalifornien. Und kein anderer hat die Fähigkeit so perfektioniert, ein erfolgreiches Thema über alle verfügbaren Kanäle zu Geld zu machen – vom Film über CDs, Freizeitparks, Musicals bis zu Spielzeug und Computerspielen. «Disney ist das ultimative Multi-Plattform-Unternehmen der Medienwelt. Wir erreichen Konsumenten tiefgreifender und besser als alle anderen», prahlt Finanzchef Jay Rasulo. «Disney läuft auf allen Pötten», sagt Frank Beck, Präsident der Investmentfirma Beck Capital Management aus Austin in Texas.

Wie lange geht das noch gut?

Doch wie lange geht das noch gut? Denn erreicht hat Iger diese Sonderstellung inmitten des globalen Medienumbruchs, der die Gewichte immer stärker in Richtung der Technologieriesen wie Google, Amazon oder Apple verschiebt, weniger aus eigener Kraft als vielmehr durch milliardenschwere Zukäufe. Mehr als 15 Milliarden Dollar liess sich Iger das Trickfilmstudio Pixar, den «Star Wars»-Erfinder Lucasfilm und das Comic-Imperium Marvel insgesamt kosten. Geld, das Disney, wenn überhaupt, erst in Jahren einspielen kann, wenn Iger längst nicht mehr an Bord sein wird.

2016 tritt der Frontmann auf eigenen Wunsch ab. Als Nachfolger gehandelt werden Finanzvorstand Rasulo und der Chef der Freizeitpark-Sparte, Thomas (Tom) Staggs. Die Preisfrage ist: Haben sie Igers Format? Beweisen sie ein ähnlich gutes Händchen für Kreative? Wagen sie es, funktionierende Erlösquellen und Geschäftsbeziehungen ebenso radikal in Frage zu stellen? Oder gerät Disney ins Fadenkreuz von Übernahmefantasien wie Time Warner durch den Konkurrenten 21st Century Fox?

Lockruf des schnellen Geldes

Dabei traut auch Iger im Herbst 2005, ehe er an die Disney-Spitze aufrückt, kaum ein Experte zu, den damals schlingernden Tanker auf Kurs zu bringen. Vorgänger Michael Eisner hat nach 20 Jahren an der Spitze einen geschwächten Konzern zurückgelassen, der unter anderem gerade einen feindlichen Übernahmeversuch des Kabelnetzbetreibers Comcast abwehren musste.

Zwar hat Eisner Disney durch Zukäufe vor allem von Fernsehanbietern – etwa dem Sender ABC – zu neuer Grösse geführt. Und unter seiner Ägide landet man an der Kinokasse Hits wie «Die Schöne und das Biest» oder «Der König der Löwen». Doch der Erfolgsfaden reisst. Intern werfen Kritiker Eisner vor, nur auf den schnellen Dollar zu setzen und mit mauen Fortsetzungen von Erfolgsstreifen dem guten Ruf von Disney zu schaden.

Verwürfnis mit wichtigen Partner

Zudem überwirft sich Eisner mit dem wichtigen Partner Pixar. Mitte der neunziger Jahre schliesst er einen Vertriebsvertrag über drei Filme mit dem kleinen Animationsstudio aus dem Silicon Valley. Als Erstes produziert Pixar den Erfolgsstreifen «Toy Story», in dem Spielzeugfiguren lebendig werden und Abenteuer erleben. Disney bringt den Film in die Kinos, Kosten und Erlöse werden geteilt. Aber die Rechte an Storys und Fortsetzungen beansprucht Disney für sich.

Ausserdem zerstreitet sich Eisner mit Apple-Gründer Steve Jobs, der Pixar seit 1995 führt. Verscherzt hat es sich der Disney-Boss auch mit wichtigen Aktionären wie dem Gründerneffen Roy Disney. Im September 2005 geht Eisner im Streit.

Bei der Nachfolge setzt sich Iger gegen externe Kandidaten durch. Er leitete unter anderem den Sender ABC und war zuletzt operativer Chef unter Eisner. Spötter nennen Iger, der seine lange TV-Karriere als Wettermoderator gestartet hat, einen ausgestopften Anzug – chic, aber hohl.

Iger bringt einen Plan mit

Tatsächlich aber bringt Iger einen Plan mit, Disney komplett umzukrempeln. Intern, indem er auf Risiko spielt und Manager in neue Ämter hievt: So lässt er Rasulo (damals Chef Freizeitparks) und Staggs (damals Finanzchef) die Posten tauschen. Ein guter Manager, so Igers Credo, müsse alle Fächer draufhaben. Das bringt beiden tiefere Einblicke in den Konzern – und Disneys Eignern heute mehr Auswahl bei der Nachfolgersuche.

Entscheidender ist Igers Fingerspitzengefühl gegenüber sperrigen Geschäftspartnern. Noch am Tag seiner Ernennung zum Vorstandschef, heisst es, habe Iger Jobs bei Pixar angerufen, um den Kleinkrieg zu beenden. Iger weiss: Er braucht Pixar, um Disney zu retten.

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