Geht es um Bodenbeläge, ist man um eine Aufzählung verschiedener Möglichkeiten nicht verlegen. Bei Wänden und Decken sieht es dagegen eher eintönig und düster aus. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Weissputz die Rangliste anführt. Doch es gibt Varianten. Im Objektbereich muss der Wandbelag praktisch, günstig und funktionell sein. Traditionell werden in Mietwohnungen die Decken in Weissputz, Wände meist mit einem Abrieb oder allenfalls in Raufaser ausgeführt. Der gehobene Wohnungsbau unterscheidet sich lediglich in Feinheiten: Obwohl man hier alle Freiheiten hätte, zählt die glatt gestrichene Weissputzwand zum Standard. In die «Szene» ist erst etwas Bewegung gekommen, als die alte italienische Fleckspachteltechnik des Stucco Veneziano auch in unseren Breitengraden Fuss fasste und man auf Alternativen in der Wandgestaltung aufmerksam wurde: Die Oberfläche bekam eine neue, sinnliche Qualität. Der Ausdruck einer in sanft glänzenden Texturen gestalteten Wand verführt zum Anschauen und Anfassen. Woran liegt das? Vielleicht daran, dass edle Oberflächen sich durch eine Geschichte, eine Herkunft auszeichnen. Wer sich mit diesen Materialien auseinander setzt, ein Bewusstsein für Effekte, Wirkungsweisen und Besonderheiten entwickelt und die Gestaltungsmöglichkeiten erfasst, wird eine andere Beziehung dazu aufbauen als jemand, für den eine Wand nur eine Wand bleibt. Er wird mehr entdecken als eine glatte, grobe, wolkige, stumpfe oder glänzende Optik: Oberflächen haben eine emotionale Qualität und Wirkungsweise, die sich auf den Raum und dessen Atmosphäre auswirken. Mineralische Putze wie Kalk und Lehm nehmen Einfluss auf das Raumklima, indem sie Feuchtigkeit aufnehmen und abgeben. Farbe allein spricht schon Bände und ihre Wirkung auf Körper und Geist war bereits im alten China bekannt. Dass man sich in unserer hektischen Zeit wieder auf diese Wirkungsweisen besinnt, ist beruhigend wie dunkles Blau, stimmt optimistisch wie Gelb und Orange, lässt neue Energien wachsen wie spriessendes Grün und Spannendes erwarten wie leuchtendes Rot ...
Natürlichkeit entdecken
Kalk- und Lehmputze mit ihren samtweichen Oberflächen erleben derzeit eine Renaissance, und es gilt sie zu entdecken, wie die grosse Bemusterungspalette der Max Schweizer AG, Zürich, zeigt: Zusammen mit natürlichen Farbpigmenten und ihrem sanften Kolorit ergeben sich Oberflächen, die Wärme und Ruhe ausstrahlen. Wohnräume und Architektur erfahren einen spürbaren Mehrwert. Zu den bekannten Edelputzen auf Kalkbasis zählen neben Stucco Veneziano Rasalit/Marmorella und Calcinite/Carrara. Letzterer ist im Gegensatz zum glatten, glänzend-matten Wechselspiel des Stucco Veneziano oder dem satinierten Rasalit körniger oder putzartiger. Für alle gilt: Um ihre wahren Qualitäten zu entwickeln, müssen sie gestalterisch richtig eingesetzt und handwerklich perfekt ausgeführt werden.
Eine ganz spezielle KalkedelPutztechnik ist Tadelakt. Sie kommt aus Marokko, und schon die alten Königspaläste wurden mit Tadelakt an Böden und Wänden ausgestattet. Ein besonderer Einsatzbereich, in dem die Eigenschaften dieser fugenlosen, wasserfesten Oberfläche voll zur Geltung kommen, sind die marokkanischen Hamam. Bäder, deren Kultur bereits 800 Jahre zurückreicht und die heute von der westlichen Welt entdeckt werden. Barfuss auf den samtenen Oberflächen zu laufen und die warme Feuchte zu spüren, ist Wohlfühlen pur. Tadelakt an sich ist bereits Kultur. Das Material ist zusammengesetzt aus natürlichem hydraulischem Kalk, Quarzsand und Marmormehl, natürlichen Pigmenten und Wasser. Bei der Verarbeitung werden Material und Handwerker zu einer Einheit: Das anspruchsvolle Handwerk hat eine lange Geschichte und verlangt Hingebung, Eingebung und Liebe zum Material. Wichtigstes Werkzeug ist nach dem Auftragen der Putzschicht der Polierstein, mit dem der Tadelakt-Meister eine einzigartige, tief glänzende und wasserfeste Oberfläche entstehen lässt. Als Schutz wird am Schluss eine Olivenölseife auf die feste Tadelakt-Schicht aufgetragen. Tadelakt ist wertvoll und einzigartig und verlangt einen subtilen Umgang, auch was die Einsatzbereiche angeht.
Tadelakt ist einzigartig
Zu den ältesten Putzarten überhaupt zählen die Lehmedelputze: Die Mischung aus Tonerde und Sand atmet, lädt sich nicht elektrostatisch auf, senkt das Staubaufkommen der Raumluft und sorgt damit für ein unvergleichlich gesundes Raumklima. Lehmputze können mit einer reichen Palette natürlicher Pigmente eingefärbt werden. Schliesslich seien noch Lasuren erwähnt, die ähnlich der Aquarelltechnik in nahezu allen Farbnuancen und Strukturen maximale Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Wer denkt bei dieser faszinierenden Palette immer noch nur an Weissputz?
Tapetenwechsel
Auch die Tapete und Wandbeläge im weitesten Sinne bieten je nach Raum und innenarchitektonischem Konzept spannende Alternativen. Natürliche Wandgewebe wie Callicot, Stramin oder Rupfen erzeugen schöne Oberflächen, die sich in allen Farbschattierungen gestalten lassen. Bei Tapeten geben im gehobenen Bereich Designer den Ton an, allen voran Ulf Moritz, dessen neueste Kollektion «Scala» für sensuelle Opulenz steht. Reich und sinnlich, in ausdrucksstarken Farben nimmt er klassische Barock- und Rokokosujets auf oder japanische Reminiszenzen: Auch hier zählt die Geschichte. Innovativ setzt der Designer für die grafischen Motive und ornamentalen Muster winzige farblose Perlen ein, die durch unterschiedlichen Lichteinfall effektvoll changieren. Eine weitere Kollektion des Herstellers Marburg ist «Art Borders», ein Avantgardeprojekt, bei dem sich namhafte Künstler dem Tapetendesign annehmen. Ob eine Wand dann an geheimnisvolle Schlösser oder an eine Italienreise erinnert, Bilder von türkischen Bädern emporsteigen lässt oder man sich einfach wohlig zuhause fühlt, gehört zum ganz individuellen Mehrwert.