An den Absolventenveranstaltungen von Schweizer Universitäten stehen meistens die Vertreter der ganz grossen Konzerne Schlange.

Wie eine Umfrage bei Karrierezentren an der ETH Zürich und den Universitäten St. Gallen und Zürich zeigt, verfügen diese über keinerlei Erfahrungen, ob bei den Absolventen ein Job im Family Business überhaupt ein Thema ist, die Frage taucht nie auf. Die universitären Stellenvermittler raten zwar immer wieder dazu, sich auch in KMU zu bewerben, doch ist ein Familienunternehmen dann doch noch mal eine andere Liga.

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Auch das Center for Family Business der HSG hat in dieser Richtung in der Schweiz nicht speziell geforscht. Allerdings hat die Analyse von Daten, die bereits 2006 in 14 Ländern gemacht wurde, ergeben, dass 6 Prozent aller Studierenden, die aus einem Familienunternehmen stammen, fünf Jahre nach Abschluss des Studiums Nachfolger im eigenen Betrieb werden wollen.

Da sieht es bei unseren deutschen Nachbarn anders aus: Ein Ende September 2010 nur für Deutschland erstellter Report der Unternehmensberatung Kienbaum zeigt das erstaunliche Resultat einer Befragung von 286 Studierenden der Wirtschaftswissenschaften: 60 Prozent der Studierenden loben die Vorteile eines Familienunternehmens und wollen nach ihrem Studium auch in einem solchen arbeiten. Sie schätzen dort die flacheren Hierarchien, grössere Gestaltungsspielräume, mehr Menschlichkeit und eine bessere Work-Life-Balance. Mit einem börsenkotierten Grosskonzern verbinden sie Merkmale wie Druck und Anonymität sowie geringe Entfaltungsmöglichkeiten.

Starke Persönlichkeiten an der Spitze

Ein Beispiel ist Kühne + Nagel. Im Rahmen der eigenen Campus-Recruitment-Aktivitäten wirbt der Betrieb seit Jahren erfolgreich mit den Vorteilen, die ein familiengeführtes und global operierendes sowie börsenkotiertes Unternehmen Hochschulabsolventen bieten kann, berichtet Inge Lauble, Leiterin der Unternehmenskommunikation von Kühne + Nagel.

Das Unternehmen hat mit dieser Strategie offenbar viel Erfolg und könnte das Credo der Kienbaum-Studie unterschreiben. Ein Beispiel ist Aleksandra Orman, die 2005 den Abschluss als Diplom-Kauffrau an der Hochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven machte, bevor sie im Rahmen des internationalen Trainee-Programms vom Stammhaus in Bremen in die Konzernzentrale nach Schindellegi SZ «transferiert» wurde.

Ein kleiner, inzwischen weltberühmter Familienbetrieb ist Victorinox in Ibach-Schwyz, der im letzten Jahr 125 Jahre alt wurde. Wer nur an die Erfolgsstory des Schweizer Armeemessers denkt, weiss zu wenig von der gewaltigen Entwicklung dieses Familienbetriebs, der inzwischen auch in den USA Swiss Army Watches verkauft, Verkaufsniederlassungen und Tochtergesellschaften in Mexiko, Brasilien, Chile, Polen, Hongkong sowie Vietnam errichtet hat und vor gut einem Jahrzehnt in den Reisegepäckmarkt eingestiegen ist, dann die Bekleidungslinie Wenger in den USA übernommen hat, einschliesslich des Parfumlabels von Wenger, das heute Swiss Army Fragrance heisst.

Schneller Gewinn macht nicht glücklich

Sprecher Hans Schorno bestätigt, dass diverse Kaderstellen mit Hochschulabsolventen besetzt wurden und erklärt: «Es gibt diverse Business-Leute, die in der letzten Krise realisiert haben, dass der schnelle Gewinn nicht glücklich macht. Sie haben andere Wertvorstellungen und finden diese in Familienunternehmen.»

Als Beispiel nennt er einen Mitarbeiter mit Wirtschaftsstudium, der für den Bereich Parfum zuständig ist. Zuvor arbeitete der Mann lange bei den drei grössten Parfumhäusern der Welt. Heute findet er das Unternehmen Victorinox sehr innovativ. In seiner Tätigkeit hat er viel Gestaltungsspielraum, um kreative Ideen zu verwirklichen und kann sich aktiv einbringen. Die Grundwerte und die familiäre Stimmung haben Victorinox für ihn zu einem attraktiven Arbeitgeber gemacht.

 

 



«Verantwortung übernehmen»

Warum arbeiten Sie für Kühne + Nagel?

Aleksandra Orman: Nach meinem Studium habe ich mich bewusst für einen Einstieg bei Kühne + Nagel entschieden. Als Wahl-Bremerin war mir das Unternehmen nicht nur als Marktführer, sondern auch als einer der erfolgreichsten unternehmergeführten Konzerne bekannt. Schlanke Hierarchien, die offene und direkte Kommunikation und auch die Möglichkeit, früh Verantwortung zu übernehmen, sind weitere Argumente.

Wie kommt es zur grossen Identifikation?

Orman: Mit einer starken Persönlichkeit an der Spitze steht Kühne + Nagel für eine nachhaltige Kultur. Speziell die Wertschätzung und Achtung jedes Einzelnen sind bedeutende Werte, die eine hohe Identifikation bewirken.