Es steckt in Lippenstiften, Waschmitteln, Margarine, Eiscreme und Backwaren. Palmöl ist das in der Lebensmittelherstellung am meisten verwendete pflanzliche Öl und in etwa jedem zweiten Supermarktprodukt enthalten. Das ist ein riesiger Markt für die entsprechende Industrie, der Umweltschützer seit Jahren vorwerfen, für Palmölplantagen in grossem Stil tropische Wälder zu roden. In Europa geriet die 44 Milliarden Dollar schwere Branche unter Druck, nachdem die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vor einem Krebsrisiko durch Palmöl in Lebensmitteln warnte. Nun bekommen die Anbieter aber zumindest prominente Schützenhilfe aus Italien - vom Nutella-Hersteller Ferrero.

Während andere Lebensmittelhersteller wie der Backenwarenproduzent Barilla Palmöl aus ihren Produkten verbannt haben und Italiens grösste Supermarktkette Coop das Öl in ihren Eigenprodukten seit der Veröffentlichung der EFSA-Studie im vergangenen Jahr boykottiert, rührt Ferrero die Werbetrommel für Palmöl. Ihm hat der Süsswarenhersteller aus dem Piemont die cremige, glänzende Textur seines wohl bekanntesten Produkts, der Nuss-Nugat-Creme Nutella, zu verdanken. «Wenn wir Nutella ohne Palmöl herstellen würden, würden wir einen schlechteren Ersatz für das echte Produkt produzieren, das wäre ein Schritt zurück», sagt Ferrero-Einkaufsleiter Vincenzo Tapella zur Nachrichtenagentur Reuters.

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Breit angelegte Werbekampagne

Das Unternehmen hat in Italien eine breit angelegte Werbekampagne gestartet - mit ganzseitigen Anzeigen in Zeitungen. In Fernsehspots wirbt Tapella zudem dafür, dass das von Ferrero verwendete Palmöl sicher sei, «weil es aus frisch gepressten Früchten gewonnen und bei kontrollierten Temperaturen verarbeitet wird». Genau hier steckt der Teufel aber im Detail: Die EFSA erklärte im Mai, dass Palmöl mehr als andere Pflanzenöle potenziell krebserzeugende Stoffe bei einer Raffination bei hohen Temperaturen von etwa 200 Grad bildet. Die Behörde riet Verbraucher jedoch nicht dazu auf, kein Palmöl mehr zu verzehren.

Die Europäische Kommission hat sich des Themas angenommen und will bis Ende dieses Jahres eine Richtlinie veröffentlichen, wie Kommissionssprecher Enrico Brivio sagt. Dazu könnte gehören, die Gehalte an potenziell schädlichen Glycidyl-Fettsäureester (GE), die bei der Raffination entstehen, zu begrenzen. Es werde aber kein Verbot von Palmöl geben.

«Hundertausende Tests»

Hohe Temperaturen werden bei der Raffination von Palmöl eingesetzt, um die natürliche rote Farbe des Öls zu entfernen und seinen Geruch zu neutralisieren. Ferrero nutzt nach eigenen Angaben aber ein Verfahren, dass Temperaturen unter 200 Grad und einen extrem niedrigen Druck kombiniert, um Kontaminationsstoffe zu minimieren. Dieses Verfahren dauert länger und kostet 20 Prozent mehr als das Verfahren mit hohen Temperaturen, wie Ferrero erklärt. Der Anteil an GE werde damit so stark verringert, dass diese kaum mehr nachgewiesen werden könnten.

Auch andere Lebensmittelkonzerne wie Unilever und Nestlé verwenden Palmöl in ihren Produkten, aber kein anderer grosser europäischer Nahrungsmittelkonzern fährt so starke Geschütze auf, wenn es darum geht, den Einsatz von Palmöl zu verteidigen. Der Süsswarenhersteller habe «Hunderttausende von Tests» auf unerwünschte Stoffe bei dem von ihm verwendeten Palmöl und den fertigen Produkten gemacht, so Ferrero.

Das günstigste Pflanzenöl

Die Verteidigungstaktik scheint nicht von ungefähr zu kommen: Im vergangenen Geschäftsjahr bis Ende August 2016 fiel der Umsatz mit Nutella in Italien um rund 3 Prozent - in den letzten vier Monaten 2016 zog er wieder um 4 Prozent an. Die weltweiten Umsätze mit Nutella blieben von der EFSA-Warnung ungetrübt und legen nach Angaben des Unternehmens um jährlich 5 bis 6 Prozent zu. Insgesamt setzte Ferrero im vergangenen Geschäftsjahr 10 Milliarden Euro um, wozu Nutella 2 Milliarden beitrug.

Ferrero fürchtet aber offenbar nicht nur um Textur und Geschmack seines beliebten Aufstrichs. Palmöl ist in Nutella seit der Erfindung in den 1960er-Jahren enthalten. Seit 2013 wird der Aufstrich nur noch mit Palmöl aus rückverfolgbarer nachhaltiger Produktion hergestellt. Ein Wechsel zu einem anderen Pflanzenöl könnte die Italiener teuer zu stehen kommen. Denn Palmöl ist bei Preisen von rund 800 Dollar das günstigste Pflanzenöl verglichen mit Sonnenblumenöl, das 845 Dollar die Tonne und Rapsöl, das 920 Dollar die Tonne kostet. Ferrero setzt pro Jahr rund 185'000 Tonnen Palmöl ein, ein Ersatz durch andere Öle könnte das Unternehmen demnach jährlich zwischen acht und 22 Millionen Dollar zusätzlich kosten.

(reuters/ccr)