Die Affäre um Abgas-Manipulationen in den USA setzt Volkswagen-Chef Martin Winterkorn massiv unter Druck. Aus Sorge über milliardenschwere Strafzahlungen trennten sich Anleger in Scharen von dem VW-Papier. Die Aktie brach am Montag um rund 23 Prozent ein. Mit dem grössten Kurssturz seit 21 Jahren verlor der Wolfsburger Autokonzern rund 17 Milliarden Euro an Börsenwert. Das ist mehr als die gesamte Marktkapitalisierung des Kosmetikkonzerns Beiersdorf.

Erste Analysten sowie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordern bereits einen personellen Neuanfang an der Konzernspitze. Winterkorns Vertrag soll eigentlich auf der Aufsichtsratssitzung am Freitag vorzeitig um zwei Jahre bis Ende 2018 verlängert werden. Denn der 68-Jährige soll den von ihm angestossenen Konzernumbau begleiten.

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VW: Eine Hinterhofwerkstatt

Firmenpatriarch Ferdinand Piëch war im April auf Distanz zu Winterkorn gegangen und hatte Europas grössten Autokonzern damit in eine wochenlange Führungskrise gestürzt. Am Ende unterlag der 78-Jährige Porsche-Enkel und musste sich von allen Ämtern zurückziehen. Als Grossaktionär kann er jedoch weiter Einfluss ausüben.

Autoanalyst Arndt Ellinghorst von Evercore ISI geht davon aus, dass der Abgas-Skandal weitere Veränderungen im VW-Management auslösen könnte. «Entweder Winterkorn wusste von dem Vorgehen in den USA oder es wurde nicht an ihn berichtet», sagte er. Im ersten Fall müsse Winterkorn sofort zurücktreten. Im zweiten Fall müsse man genau fragen, wieso ein solch weitreichender Verstoss nicht an ihn berichtet wurde – auch dann sollte es für Winterkorn eng werden. VW sei der Konzern mit dem weltweit grössten Forschungsbudget und habe sich in den USA wie eine Hinterhofwerkstatt benommen, die mit Manipulationen einen Gebrauchtwagen durch die Abgas-Inspektion bringen wolle, sagte Ellinghorst.

Winterkorn entschuldigt sich

Die US-Umweltschutzbehörde EPA verdächtigt VW, bei zahlreichen Diesel-Fahrzeugen die Abgasvorschriften vorsätzlich umgangen zu haben. Es geht um fast eine halbe Million Autos.

Winterkorn hatte sich am Wochenende für den Verstoss entschuldigt und eine externe Untersuchung angekündigt. Er persönlich bedauere zutiefst, dass VW das Vertrauen von Kunden und der Öffentlichkeit enttäuscht habe. Daneben dürfte der Konzern für die Nachbesserung beziehungsweise Rücknahme der manipulierten Fahrzeuge zur Kasse gebeten werden. Zudem drohen Schadensersatzklagen in Milliardenhöhe. Auch dürften die Autoverkäufe in den USA, die sich zuletzt stabilisiert hatten, wegen des Imageverlusts unter Druck geraten.

«Vorsätzliche Körperverletzung»

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sieht den Tatbestand der «vorsätzlichen Körperverletzung» erfüllt, weil die betroffenen Fahrzeuge absichtlich bis zu 40 Mal mehr hochgiftige Diesel-Abgasgifte ausgestossen hätten als erlaubt. Die DUH fordert daher Winterkorns Rücktritt und eine lückenlose Offenlegung durch den Aufsichtsrat, ob weitere Diesel-Pkw mit einer Software zur Abgas-Manipulation ausgerüstet und weitere Länder betroffen seien.

Auch andere Hersteller setzten nach Einschätzung der DUH insbesondere in Europa Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung ein, um noch mehr Leistung aus den Motoren herauszuholen. Daimler erklärte, man sei nicht von den Ermittlungen der US-Umweltbehörde betroffen. Bei BMW hiess es, die US-Behörde habe ein Dieselmodell getestet und keine Verstösse festgestellt.

«Das wird teuer»

Für VW dürfte der Fall teuer werden, glaubt Heino Ruland, Marktanalyst vom Brokerhaus ICF. Da VW die Manipulation zugegen habe, müsse mit der Höchststrafe von etwa 18 Milliarden Dollar gerechnet werden. «Das ist aber sicher nicht das Ende der Fahnenstange.» Hinzu kommen wohl Sammelklagen von US-Autohaltern. Ausserdem sei offen, ob die Prüfergebnisse auch in anderen Staaten falsch seien.

Autoexperte Stefan Bratzel erwartet eine niedrigere Strafe, da VW mit den US-Behörden kooperiere. Viel grösser sei der Imageschaden, den VW und damit auch die gesamte deutsche Automobilindustrie in den USA erlitten habe, sagte der Leiter des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. «Das ist ein deutsches Thema. Da sind alle in der Sippenhaftung», ist Bratzel überzeugt. Volkswagen mit seiner Tochter Audi sei das Aushängeschild der deutschen Automobilindustrie. Die stärkere Einführung des Dieselantriebs in den USA könne die Branche vorerst vergessen.

(reuters/ccr)

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