Der Weltfussballverband ist zu einem Synonym für Korruption geworden. Nach den Strafverfahren in den USA und der Schweiz ist die Fifa nur noch ein Schatten ihrer selbst. Fast kein Kopf der alten Garde hat mehr etwas zu melden.

Der mächtigste Sportverband der Welt ist auch ohne Schuldspruch durch die Justiz kopflos. Die Troika Blatter, Platini, Valcke ist neutralisiert. Blatters Abgang Ende 2015 macht den ausserordentlichen Kongress diesen Freitag erst nötig. Wenn sich heute die über 200 Delegierten in Zürich treffen, haben sie vor allem zwei Aufgaben: Die längst überfälligen Reformen abzunicken und einen neuen Präsidenten zu wählen, der über jeden Zweifel erhaben ist.

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1. Wie funktioniert der Wahlprozess?

Zur Wahl stellen sich fünf Kandidaten: Der Südafrikaner Tokyo Sexwale, der Jordanier Ali Bin Hussein, der Franzose Jérôme Champagne sowie Salman Al-Khalifa aus Bahrain (er ist Präsident des asiatischen Kontinentalverbandes) und Gianni Infantino aus der Schweiz, der die Nummer 2 des europäischen Fussballverbandes Uefa ist.

Dabei geben die 209 Delegierten der sechs Kontinentalverbände ihre Stimmen am Kongress ab. Im ersten Wahlgang sind zwei Drittel für die Wahl erforderlich, also 140 Stimmen. Gibt es dann noch keinen Sieger, gehts in die zweite Runde. Dann genügen 105 Stimmen zum Sieg. Der Neugewählte darf dann für vier Jahre die Fifa präsidieren.

2. Werden die Delegierten das Reformpaket akzeptieren?

Die Chancen stehen gut, auch wenn für die Annahme eine Dreiviertelmehrheit des Kongresses nötig ist. Denn der Druck der Justizbehörden wird nicht nachlassen. Einige Delegierte könnten deshalb auch mit etwas mulmigen Gefühlen nach Zürich reisen: Dass es anlässlich des ausserordentlichen Kongresses nochmals zu Verhaftungen kommen wird, ist nicht ausgeschlossen.

3. Worin besteht das Reformpaket?

Die Fifa auferlegt sich neue Regeln, die seit Jahren von verschiedenen Seiten gefordert wurden, aber bisher immer an einer Mehrheit der Funktionäre scheiterte. Letztmals verweigerte der Fifa-Kongress 2014 die nötigen Reformen. Die Chefetage soll demnach in zwei unabhängige Gremien aufgeteilt werden: Einen strategischen, repräsentativen Rat (36 Mitglieder) und einen ausführenden Teil (Generalsekretär, Direktoren). Der Präsident wird in Zukunft eher repräsentative Aufgaben übernehmen - und weniger Kompetenzen als zuletzt unter Blatter haben. Der Rat (Council) wirkt wie ein Verwaltungsrat.

Mehr Macht sollen der Generalsekretär und die ständigen Ausschüsse erhalten. Alle wichtigen Ämter können nur nach einer externen Integritätsprüfung ausgeübt werden. Jede Konföderation muss mindestens eine Frau in die Fifa entsenden. Der Lohn der Fifa-Spitze soll transparent werden. Vor allem gegen Letzteres wehrte sich Blatter immer wieder.

Auch eine Amtszeitbeschränkung soll in Zukunft für Fifa-Spitzenfunktionäre gelten. Mehr als drei mal vier Jahre wird niemand mehr Einsitz im Rat oder in der Exekutive nehmen können. Das Reformpaket wird nur als Ganzes dem Kongress zur Abstimmung vorgebracht - es gibt also kein Rosinenpicken für die Fifa-Funktionäre.

4. Wer wird die Fifa in Zukunft anführen?

Die Favoriten sind klar: Auf der einen Seite Scheich Salman Al-Khalifa, Präsident des asiatischen Kontinentalverbandes aus Bahrein. Auf der anderen Seite steht der Schweizer Gianni Infantino, die Nummer 2 des europäischen Fussballverbandes, Uefa. Die anderen Kandidaten haben keine realistischen Chancen. Der afrikanische Fussballverband, mit über 50 Fifa-Verbandsstimmen in den letzten Jahren der Königsmacher in der Ausmarchung des Fifa-Präsidenten, wird Tokyo Sexwale aus Südafrika nicht unterstützen.

Die Führung des afrikanischen Verbandes schwörte ihre Mitglieder auf Al-Khalifa ein. Damit hätte er gegen den Infantino grosse Vorteile, vereinigt Al-Khalifa doch als Präsident des asiatischen Kontinentalverbandes mit Sicherheit die asiatischen Stimmen. Doch Gianni Infantino will von geschlossenen Reihen in Afrika nichts wissen. Gegenüber der Presse behauptete er am Dienstag, als er Sexwale in seinem Land besuchte, er wisse aus Afrika eine Mehrheit der Delegierten hinter sich.

5. Was, wenn der Schweizer Infantino verliert?

Siegt Salman Al-Khalifa, würde die Fifa von einem Mann regiert, der erneut für negative Schlagzeilen sorgen könnte. Denn Al-Khalifa gehört der Elite Bahrains an, welche die Bewegung des arabischen Frühlings im eigenen Land mit blutigen Massnahmen unterdrückte. Schon in der Vergangenheit musst er sich deswegen gegen Anschuldigungen zur Wehr setzen.

Zudem würde die Uefa in der Fifa an Einfluss verlieren. Die Uefa vereint das Zentrum des kommerziellen Fussballbetriebs, sie generiert mit der Champions League seit Jahren Rekordumsätze. Dafür braucht sie die Fifa nicht, umgekehrt ist dies aber der Fall, soll die Fifa weiterhin als Regulator des Weltfussballs gelten.

Nimmt Al-Khalifa bei einem allfälligen Sieg auf die Uefa keine Rücksicht und besetzt die Schlüsselfiguren ungeschickt, steht der Fifa erneut eine Zerreissprobe bevor.