BILANZ: Herr Malik, Sie behaupten, 50 Prozent der Kaderausbildung seien für die Katz und torpedierten das Credo, die Leute müssten via Weiterbildung zukunftsfähig gemacht werden. Erklären Sie uns das?

Fredmund Malik: Die Hälfte der so genannten Ausbildung verdient diese Bezeichnung überhaupt nicht. Sie ist schlichtweg unbrauchbar, ja irreführend, sowohl inhaltlich als auch methodisch. Sie ist Zeitverschwendung und führt dazu, dass Kaderausbildung unglaubwürdig wird – genau zu einem Zeitpunkt, da geschichtlich die grösste Notwendigkeit dafür bestünde. Ich behaupte in der Tat, dass vieles für die Katz ist, aber ich mache damit das Gegenteil des Torpedierens von erwähnter Forderung. Ich plädiere für mehr Qualität und mehr Effizienz. Man kann die Hälfte der Kurse streichen und die andere Hälfte vernünftig einsetzen, dann hat man eine Multiplikation der Wirkung: die richtigen Inhalte, keine Schäden durch Fehlinformation und Verbildung, die Rückgewinnung der Glaubwürdigkeit sowie mehr Professionalität im Management.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Das alles können die guten 50 Prozent?

Ja, denn gute Weiterbildung zeichnet sich aus durch den Verzicht auf unbrauchbare Seminarrituale, durch das Lernen an realen Problemen statt an blutleeren Fallstudien. Gute Weiterbildung verzichtet auf Worthülsen, deckt Denkfehler in den haltlosen und blufferischen Modewellen auf. Und: Sie vermittelt echtes, gutes, richtiges Managementwissen, und zwar in einer für das ganze Kader verbindlichen Form. Sonst entstehen Wildwuchs, Begriffschaos und letztlich eine totale Konfusion. Um das zu verhindern, braucht es ein ganzheitliches Konzept, eine Unité de doctrine, wie wir es zum Beispiel in Form des St.-Galler Managementmodells vertreten.

Das heisst, ohne die guten 50 Prozent geht gar nichts.

Managementkompetenz ist zur wichtigsten Wettbewerbsfähigkeit geworden. Und man kann sie nur über Kaderausbildung aufbauen. Ausserdem ist Kaderausbildung – und nicht die Informatik – entscheidend für das, was unscharf als Wissensmanagement bezeichnet wird. Sie ist der einzige Weg, die Leute zu befähigen, mit Wissen umzugehen, ihre Aufgabe in der Kopfarbeit und als Kopfarbeiter kompetent zu erfüllen. Die Ausbildung der Kader ist somit der einzige Weg, eines der zentralen Probleme der heutigen Wirtschaft zu lösen: die Produktivität des Wissens zu verbessern. Das ist der Schlüssel zur Innovationsfähigkeit.

Wie soll man Kaderentwicklung handhaben, wenn man sich etwas darauf einbilden will?

Wer das will, beginnt an der Firmenspitze. Es gibt keinen besseren Beweis dafür, dass man es ernst meint. Das ist die Voraussetzung für Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit der Ausbildung. Man muss sich mit den Inhalten auseinander setzen und nicht nur mit Themenüberschriften. Unter dem Thema Motivation zum Beispiel kann so vieles Verschiedenes verstanden werden – Richtiges und Falsches –, sodass Überschriften allein nicht genügen. Die Firmenspitze sollte ausgewählte Ausbildungsmassnahmen selbst sichtbar absolvieren, und sie sollte aktiv selbst mitwirken. Ausserdem muss die Ausbildung auf die Komplexität der realen Welt und der tatsächlichen Führungssituation ausgerichtet sein.

Zur Person
Fredmund Malik


Der 59-jährige Fredmund Malik ist Titularprofessor für Unternehmensführung an der Universität St. Gallen sowie Inhaber und Chef des Management Zentrums St. Gallen. Der gebürtige Voralberger hat sich als scharfzüngiger Analytiker und Kritiker des aktuellen Wirtschaftsgeschehens einen Namen gemacht, aber auch als Experte für Managementfragen. In dieser Funktion berät er zahlreiche Firmen. Zudem ist Malik Kolumnist bei verschiedenen Wirtschaftszeitschriften und Autor mehrerer Bücher, die sich mit Fragen rund um die Führung von Unternehmen befassen. In seiner spärlichen Freizeit zieht es den Vater von zwei
erwachsenen Kindern in die Berge; er ist ein begeisterter Alpinist.

Heute komme es immer mehr auf weiche Faktoren wie Team und Konfliktfähigkeit an, sagen HR-Verantwortliche. Und was sagen Sie?

Diese Themen gehören zu einer guten Ausbildung. Aber gerade hier gibt es sehr viel Unfug. Nirgendwo gab es so viele Modewellen und Torheiten und daher so viele Enttäuschungen. Fast immer geht es um Symptombekämpfung. Die grössten Teamprobleme und -konflikte gibt es nämlich dort, wo die Strategie, die Organisationsstrukturen oder das Management falsch oder schlecht sind. Für die wirksame Integration von weichen und harten Faktoren ist das ganzheitliche Verständnis von Unternehmensführung, wie wir es vertreten, unerlässlich.

Wie bilden eigentlich Sie sich weiter?

Ich studiere Fachliteratur, und zwar auf mehreren Gebieten, denn nur eine Disziplin zu kennen, reicht längst nicht mehr. Dann durch gezielte Diskussionen mit Fachleuten. Meine beste Quelle sind aber seit über 25 Jahren unsere Beratungskunden und die Teilnehmer in unseren Managementausbildungsprogrammen – also die Praxis selbst.

Besuchen Sie Workshops und Seminare?

Passiv nicht, ich bin da immer in einer aktiven Funktion …

… als Referent. Wann werden Sie gerufen?

Nach über 25 Jahren Erfahrung auf diesem Gebiet glaube ich sagen zu können, dass ich immer dann gerufen werde, wenn es um wissenschaftlich fundierte und gleichzeitig praxisbezogene General-Managementausbildung und ebensolche Beratung geht – vor allem von Firmen, die genug haben von der ewigen Wiederholung der Mainstream-Meinungen, genug von den Modewellen.

Und wie geht das bei Ihnen zu und her?

Die Leute sind sehr interessiert. Sie wollen lernen und weiterkommen. Motivation ist kein Thema. Wichtig ist, dass sie den Nutzen sehen, dass sie sich ernst genommen fühlen, dass man ihnen keine dummen Spielchen zumutet, keine Schlagwörter und Banalitäten, keine Zeitverschwendung. Meine Seminarteilnehmer nehmen jede Anstrengung auf sich, und niemand fragt, ob es ihnen Spass mache. Die Ergebnisse zählen und der Fortschritt.

Mit welchem Ziel referieren Sie?

Das hängt vor allem von der Firma und vom Auftrag ab. Mein Ziel ist es immer, einen Beitrag zu wirklich professionellem Management zu leisten. Wichtig ist mir auch, die Leute zur Kritik und zum Hinterfragen zu befähigen.

Was halten Sie vom lebenslangen Lernen?

Lebenslanges Lernen ist unabdingbar. Ich kann nur dringend empfehlen, es ernst zu nehmen, früh zu beginnen und nie damit aufzuhören. Leider wird an den Schulen das Lernen selbst noch immer nicht oder zu wenig gelehrt.